Gesellschaft/Gleichstellung

Anita Klahn: Das ist eine sehr teure Ersatzhandlung zur Beruhigung d. sozialdemokratischen Gewissens

„Das Erstaunliche an dem vorliegenden Antrag ist, dass Bündnis 90/Die Grünen zugestimmt haben. Sie legen in der Regel doch größten Wert auf wissenschaftliche Expertise, tragfähigen Analysen und repräsentativen Studien.

 

Es gibt aber keine repräsentativen Erhebungen oder tragfähigen Studien, auf die sich die Forderungen der Koalition stützen. Vielmehr scheint es für uns Liberale so, als ob hier in ihren Auswirkungen eine extrem kostspielige Ersatzhandlung zur Beruhigung des sozialdemokratischen Gewissens vorgenommen werden soll.

 

Es liegen umfangreiche Stellungnahmen zu dem Tätigkeitsbericht der Antidiskriminierungsstelle und den dort gemachten Vorschlägen vor. Und die Fachleute waren ziemlich deutlich, warum verschiedene Vorschläge nicht ganz so sinnvoll sind. Dieses räumt die Bürgerbeauftragte ja auch in einem nachträglichen Schreiben selbst ein.

 

Zu Punkt 1- dem Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG: Die bisherige gesetzliche Regelung sieht schon eine entsprechende Sanktion vor, die zudem dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung trägt. Die Ausweitung des Entschädigungsanspruches wäre unverhältnismäßig. Der schleswig-holsteinische Richterverband und auch Prof. Dr. Oetker von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der CAU verdeutlichen in ihren Stellungnahmen, dass der § 15 Abs. 2 AGG einen Sonderfall betreffen und ‚dass bei allen anderen Sachverhalten die vom Gericht als angemessen erachtete Entschädigungshöhe auch den Betrag von drei Monatsgehältern übersteigen kann.‘ Also kein Handlungsbedarf!

 

Zu Punkt 2 – § 15 Abs. 4 und § 21 Abs. 5 AGG: Eine Verlängerung der Anzeigefrist ist aus fachlicher Sicht nicht nötig. Erstens beginnt ‚die Frist erst mit Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsache‘. Und in der Praxis werden Ansprüche entweder sofort oder gar nicht geltend gemacht. Im Übrigen hat der EuGH ausgeurteilt, dass eine zweimonatige Ausschlussfrist nicht als eine übermäßige Erschwerung der Geltendmachung von Rechten zu werten ist. Also auch hier reine Symbolpolitik.

 

Zu Punkt 3: Nach unserer Kenntnis ist der sogenannte verkündungsferne Bereich nicht in die Privilegierung des § 9 Abs. 1 AGG einbezogen – so führen es zumindest zahlreiche Kommentare zum AGG aus. Dazu stützt sich die in § 9 AGG geregelte Begünstigung der Religionsgesellschaften auf Art. 140 GG. Sowohl die Juristen wie die Kirchen weisen auf diesen Schutz hin.

 

Zu Punkt 4 – Maßregelungsverbot des § 16 AGG: Der hier angesprochene Sachverhalt ist bereits von allgemeinen zivilrechtlichen Verbotstatbeständen erfasst. So wird eine Benachteiligung, die wegen der Ausübung von Rechten erfolgt, bereits sowohl vom Schikaneverbot (§ 226 BGB), also auch von dem Verbot des sittenwidrigen Verhaltens (§ 138 BGB) abgedeckt. Eine Änderung des AGG ist daher nicht notwendig.

 

Zu Punkt 5: Gute Idee, deswegen ist dieser Sachverhalt im Betriebsverfassungsgesetz in den §§ 80; 84 und 85 bereits normiert. Wenn hier ein Handlungsbedarf besteht, dann vielleicht in der Praxisanwendung.

 

Im Arbeitsrecht existiert ein Klagerecht von Betriebsrat und Gewerkschaften. Die Sozialdemokratie scheint aber einfach kein Vertrauen mehr in die Gewerkschaften zu haben, nachdem sie die Tarifautonomie geschleift hat. Anders kann ich mir die Einführung eines Verbandsklagerechts im AGG unter Punkt 6 nicht erklären.

 

Ihre Forderung ist nicht nur absoluter Unsinn, sondern wirkt wie ein lukratives Beschäftigungsprogramm für  Anwälte. Oder sollte es der Existenzsicherung des Antidiskriminierungsverbandes dienen?

 

Zu erwarten ist auf jeden Fall, dass Arbeitgeber aufs Blaue mit Klagen überzogen werden – zumal es völlig ohne Prozessrisiko ist, da es vor dem Arbeitsgericht keine Kostenerstattung gibt und man nie die Prozesskosten der Gegenpartei übernehmen muss.

 

Wenn das die Zielsetzung der Koalition war, dann kann ich ihnen nur gratulieren. Dieses Ziel erfüllt ihr Antrag in ganz hervorragender Weise. Ich kann nur hoffen, dass zumindest bei der Landesregierung genug Sachverstand vorherrscht, diese Aufforderung einfach zu ignorieren.

 

Meine Fraktion lehnt den Antrag ab.“