Bildung/Lehrpläne

Anita Klahn: Lehrpläne müssen klare Lernziele für jede Klassenstufe setzen

„In ihrem aktuellen Brief vom 15. September rühmt sich Ministerin Ernst für den Dialog, den sie mit Schulleitungen, Lehrkräften, Schülern und Eltern führt. Sie spricht von konstruktiver Kritik sowie den wertvollen Anregungen, die sie aus den Gesprächen aufnimmt.

 

Frau Ministerin, wenn dem so ist, dann frage ich, warum Sie diesen Aspekten bei der Erstellung der Fachanforderung so überhaupt nicht nachkommen. Mehr als berechtigte Kritik entzündet sich aktuell an den Fachanforderungen Biologie. Davor hagelte es für Geschichte und WiPo erhebliche Kritik und führte zur Überarbeitung der Entwürfe.

 

Lassen sie mich am Beispiel Biologie darstellen, wie die Erstellung der Fachanforderungen in der Praxis aus Sicht der Betroffenen abgelaufen ist.

 

Es gab einmalige Informationsveranstaltungen regional an den Schulen, es gab eine vierwöchige Anhörungsfrist, allerdings während der Osterferien und in dieses Zeitfenster fiel auch die Korrekturphase der Abschlussklausuren.

 

Erklären Sie uns bitte, wie es in diesem Zeitfenster zu einer konstruktiven Auseinandersetzung in den Fachkollegien mit einem 80-seitigen Entwurf kommen sollte.

 

Dennoch liegen dem Ministerium nach meinem Wissen zahlreiche umfangreiche und sehr kritische Stellungnahmen vor.

 

Eine Reaktion zu diesen Stellungnahmen erfolgte aus dem Ministerium jedoch nicht. Vielmehr gab es die Auskunft, dass eine Rückmeldung bei der Anhörung nicht vorgesehen sei. So viel also zum viel gelobten Dialog.

 

Unterschrieben haben Sie den Erlass zur Umsetzung der Fachanforderungen bereits am 01.06. d.J., da waren die Stellungnahmen noch nicht einmal ausgewertet. Wie wichtig dem Ministerium Anregungen aus den Lehrerkollegien sind, lässt sich allein daran ablesen.

 

Auch das Inkrafttreten der Fachanforderungen zum Schuljahresbeginn ist mehr als misslich. Was glaubt eigentlich das Ministerium, wie Fachlehrer ihren Unterricht vorbereiten?

 

Der Unterricht in einem Schuljahr ist als fachliche Einheit mit durchgehenden Leitgedanken zu verstehen. Da kann man nicht einfach mal mit irgendwas beginnen und dann sehen, wie es weitergeht. Das hat mit gutem Unterricht dann nichts mehr zu tun. Lehrer machen sich Gedanken zu ihren Unterrichtszielen, definieren dann den Weg, wie sie dahin kommen wollen und planen daraufhin die einzelnen Unterrichtsstunden.

 

Ein weiterer Affront gegenüber den Lehrkräften sind die Hinweise des Ministeriums zu den Fachanforderungen, in denen es doch tatsächlich heißt: ‚Ziel […] ist eine Unterrichtskultur zu etablieren, in der die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt des Unterrichts stehen, nicht nur die fachlichen Inhalte’.

 

Was glaubt das Ministerium eigentlich, was die Lehrkräfte tagtäglich in ihrer Arbeit machen? Selbstverständlich ist beides zu berücksichtigen und es wird auch schon gemacht.

 

Die regelmäßige fachliche Überarbeitung der Lehrpläne ist grundsätzlich sinnvoll.

 

Ich halte es aber zumindest für fragwürdig, wenn ein Mitglied der Fachkommission die eigene Arbeit bewertet und Frau Ministerin Ernst dieses auf unsere Nachfrage auch noch als erfreulich bezeichnet. Die Regeln wissenschaftlicher Sorgfalt und guter wissenschaftlicher Praxis gebieten anderes.

 

Wir halten die Entwicklung für falsch, fachliche Inhalte immer weiter in den Hintergrund treten zu lassen. Überzeugender Unterricht kann nur auf Basis fachlichen Wissens gelingen. Vorrangiges Ziel scheint dabei zu sein, Wissen durch Kompetenzen zu ersetzen, Leistungsstandards nach unten zu nivellieren. Der Lehrer wird zum Moderator.

 

Gipfel dieser Entwicklung ist die Zusammenlegung von Biologie, Chemie und Physik zu ‚NaWi’. Ein Fehlentwicklung die dringend beendet werden muss.

 

Unter dem Gesichtspunkt, dass bereits 23 Fachanforderungen überarbeitet wurden und weitere 23 noch folgen sollen, es wiederholt erhebliche Kritik allein an dem Verfahren, aber auch fachwissenschaftlichen Aspekten gab, beantragen wir ein Moratorium, um den Schulen die Möglichkeit zu geben, genau hinzuschauen, wie die Fachanforderungen inhaltlich ausgestaltet sind.

 

Wir wollen guten Unterricht. Wir wollen Schülerinnen und Schüler gut für das Leben vorbereiten. Dazu müssen vernünftige Lehrpläne den Rahmen setzen – Lehrpläne, die auf den jeweiligen Abschluss hinführen und klare Lernziele für jede Klassenstufe setzen.“