Bildung/"Kettenverträge"

Anita Klahn: Politik eines sozialen Arbeitgebers sieht anders aus

„Bildungsministerin Wende versprach 2012, das ‚Hire and Fire’ bei den Lehrkräften abzuschaffen. Wie leer die Versprechungen der Regierungskoalition waren, konnte man bereits im Jahr 2013 feststellen. Denn jetzt sollte die Anzahl der befristeten Stellen nur noch um 20 Prozent gesenkt werden. Aber auch das wurde bis heute nicht eingelöst.

 

Waren im Jahr 2013 noch 1.507 Lehrkräfte befristet eingestellt, ist diese Zahl mittlerweile auf 2.338 hochgeschnellt. Ein Zuwachs von über 50 Prozent statt Reduzierung auf 0.

 

Allein durch die fortschreitende Verweiblichung der Kollegien kommt es zu mehr Schwangerschaftsvertretungen. Das wussten sie und trotzdem haben sie den Menschen suggeriert, dass sie das Problem beheben – mit kreativen Lösungen. Genau solche Politik führt zu Politikverdrossenheit.

 

Wir Liberale täuschen die Menschen nicht mit falschen Versprechungen. Wir wollen Verbesserungen herbeiführen und vor allem eine Ungerechtigkeit beseitigen. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf – im Übrigen zum zweiten Mal –, befristete Arbeitsverträge von Lehrkräften nicht mit dem Ferienbeginn enden zu lassen.

 

Junge, engagierte Lehrkräfte, die aus dem Vorbereitungsdienst kommen, ein Schuljahr befristet unterrichten, keinen Anschlussvertrag haben, erfüllen nicht die zwölfmonatige Anwartschaft, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I und fallen damit in den Hartz-IV-Bezug. Politik eines sozialen Arbeitgebers sieht anders aus!

 

Die Zahlen zum Thema Kettenverträge, die wir durch eine Kleine Anfrage erhielten, haben uns überrascht, aber auch erschreckt. Mehr als 1.000 Lehrer haben drei oder mehr befristete Verträge, das ist schon eine Hausnummer.

 

Dass es aber über 50 Lehrkräfte gibt, die mehr als 15 Verträge haben, ist unglaublich. Einen Arbeitgeber aus der freien Wirtschaft würden sie dafür geißeln!

 

Frau Ministerin, Sie werden gleich mit Einzelfällen argumentieren, aber über 1.000 Fälle sind keine Einzelfälle mehr. Gut – jetzt wollen Sie prüfen, wie diesen Lehrkräften geholfen werden kann. Schade, dass Sie erst auf eine Anfrage der Opposition und medialer Aufmerksamkeit die Handlungsnotwendigkeit erkennen. Sie sind die Dienstherrin und haben damit die Fürsorgepflicht gegenüber den Lehrkräften.

 

In diesem Zusammenhang komme ich noch auf einen weiteren Punkt. Meine Fraktion hat sich für einen finanziell gut ausgestatteten Vertretungsfonds ausgesprochen, der ab der ersten Stunde wirkt.

 

Diese Koalition hat sich für eine permanente Vertretungsfeuerwehr entschieden. In der Praxis gibt es aber Probleme z.B. mit Fächerkombinationen oder unterschiedliche Wohn- und Arbeitsorte. Einziger Vorteil ist, dass sie unbefristete Beschäftigungsverhältnisse schafft.

 

Erklären Sie uns aber bitte, warum Sie dieses Instrument nicht häufiger anwenden? 125 Stellen stehen dafür bereit, 2014 waren 76 besetzt, aktuell sind es nur noch 39. Soll die Feuerwehr auslaufen?

 

Wenn man sich die Arbeitsgerichtsentscheidungen anschaut, z.B. des Bundesarbeitsgerichts, so wird die befristete Beschäftigung als rechtmäßig anerkannt. Die Urteile ruhen auf zwei Säulen. Erstens müssen die Gründe für eine Befristung sachgerecht und nachvollziehbar sein – also Schwangerschaft, Erkrankung usw.

 

Zweitens sind die Länder nicht verpflichtet, eine Vertretungsreserve, verstanden als Personalreserve in Form unbefristet beschäftigter Vertretungskräfte, vorzuhalten.

 

Aber: Diese Regierungskoalition hat sich dafür entschieden, eine eben solche Personalreserve vorzuhalten. Über 1.000 Lehrer haben also mit ihren drei und mehr befristeten Verträgen bereits nachgewiesen, dass sie genau die Funktion erfüllen, für die die Vertretungsfeuerwehr geschaffen wurde, nämlich Vertretungsunterricht zu geben.

 

Möglicherweise hätten all diese Lehrer Anspruch, unbefristet in die Vertretungsfeuerwehr eingestellt zu werden. Und falls der Landesregierung dieser Umstand bekannt ist, das aber gegenüber ihren eigenen Lehrkräften nicht kommuniziert, dann ist das ein echter Skandal. Ich erwarte dazu eine Stellungnahme der Landesregierung.“