„Es stimmt, Schleswig-Holstein findet sich beim Vergleich der Länder im oberen Drittel wieder. Schleswig-Holstein ist mit diesen Ergebnissen noch der Gewinner unter den Verlierern. Mehr aber auch nicht!
Auch die Argumentation, die die Regierungskoalition zu den Ergebnissen des Ländervergleichs aufbaut, erscheint mir wirklich abenteuerlich. Die Zusammenhänge sind vielleicht doch ein bisschen komplizierter, und es spielen mehr Variable eine Rolle, als sie hier darstellen.
Ich teile die Einschätzung des Direktors des IPN, Herrn Prof. Köller, dass die positive Trendentwicklung im Deutschunterricht, die seit längerer Zeit durchgeführte Kampagne "Lesen macht stark", eine wichtige Rolle spielt und die unternommenen Anstrengungen sich in der positiven Entwicklung der Ergebnisse wiederspiegeln.
Trotzdem erreichen laut der Studie in der Disziplin "Leseverstehen" immer noch 17 Prozent der Schülerinnen und Schüler in unserem Land offensichtlich nicht einmal den Mindeststandard. Und ein genauerer Blick verrät auch, dass die Jungen deutlich schlechter abschneiden als die Mädchen.
Verglichen mit den Ergebnissen aus Bremen, dort erfüllen 36 Prozent der Schüler nicht einmal den Mindeststandard beim Leseverstehen, stehen wir also noch gut da.
Sie werden mir sicher recht geben, wenn ich hier sage, dass beide Werte nicht akzeptabel sind. Wer nicht richtig lesen kann, wird es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben. Dazu ist lesen elementarer Bestandteil unserer Kultur.
Für die Verbesserungen im Fach Englisch liefert die Studie auch Erklärungsansätze. So haben mehr als 80 Prozent der im Jahr 2015 befragten Schülerinnen und Schüler ab der dritten Klasse in der Grundschule Englischunterricht erhalten. 2009 waren das nur 35 Prozent bzw. ab der vierten Klasse schon 70 Prozent. Die Gesamtlernzeit für diese Schüler im Fach Englisch ist heute also länger, und man kann schon die nicht ganz unbegründete Hoffnung haben, dass eine längere Lernzeit sich auch in besseren Ergebnissen widerspiegelt.
Aber beim Leseverstehen im Englischen erreichen knapp 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht den Regelstandard und knapp über 20 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht den Mindeststandard. Beim Hörverstehen im Englischen gilt ähnliches. Lediglich knapp die Hälfte der Schüler kann einem Vortrag auf englischer Sprache folgen und den Inhalt erfassen. Aus meiner Sicht ist das nichts, was wirklich zufriedenstellend ist.
Und auch in diesem Gebiet liegen die Ergebnisse der Jungen deutlich hinter denen der Mädchen.
Wir sollten daher dringend für die sprachlichen Fächer auf Lernmaterialen hinwirken, die Jungen ansprechen.
Die Studie gibt uns aber auch einen weiteren wichtigen Hinweis zum Unterrichtserfolg. Vor allem an den nicht-gymnasialen Schulen wurde festgestellt, dass die Kompetenzstände der Schülerinnen und Schüler, die fachfremd unterrichtet wurden, deutlich niedriger sind, als bei denen deren Lehrkraft ein grundständiges Lehramtsstudium hatte.
Ich halte diesen Hinweis für sehr wichtig, da wir gerade an den Gemeinschaftsschulen diese Situation vorfinden. Aus meinen Kleinen Anfragen geht hervor, dass gerade an den Gemeinschaftsschulen und dort vor allem in den neu geschaffenen Oberstufen nicht ausreichend Fachlehrer vorhanden sind. Und was für die sprachlichen Fächer gilt, wird sicher auch auf andere Fachgebiete übertragbar sein.
Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, woran es liegt, dass das ehemals so erfolgreiche Baden-Württemberg jetzt so abgestürzt ist und Bayern mit seiner konstanten Bildungspolitik weiterhin an der Spitze steht.
Bremen ist quasi das Vorzeigeland rot-grüner Bildungspolitik, da diese Stadt durchgängig von der SPD regiert wurde. Als Belohnung trägt Bremen dafür die rote Laterne bei jeder vergleichenden Bildungsstudie. Will Schleswig-Holstein genau diesem Bundesland jetzt nacheifern?
Was bedeutet es für die Schülerinnen und Schüler, für ihren späteren beruflichen Lebensweg, wenn die Leistungsorientierung immer weiter aus den Schulen verbannt wird und Schulen immer weiter unter das Diktum einer falsch verstandenen sogenannten ,Bildungsgerechtigkeit` gestellt wird?
Trotz der positiven Trendentwicklung kann Schleswig-Holstein mit den Ergebnissen der Studie nicht zufrieden sein. Vielleicht sollte man einfach mal bei der Wahrheit bleiben und aufhören, den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Mit Sicherheit ist nicht alles schlecht, und eine positive Trendentwicklung ist besser als eine negative. Aber die Jubelarien der Koalition sind auch völlig unangemessen.
Meistens hilft ein nüchterner Blick auf die Zahlen. In Bayern verlassen 3 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss, in Baden-Württemberg sind es 4,1 Prozent, in Hamburg 5,1 Prozent, in Bremen 6,4 Prozent und in Schleswig-Holstein 7 Prozent. Ein Wert, der sich im Vergleich zu 2009 übrigens verschlechtert hat. Damals waren es nur 6,2 Prozent. Das ist eigentlich ein Widerspruch zu dem, was sie den Menschen erzählen.
Bundesweit erreichen durchschnittlich 20 Prozent den ersten allgemeinen Schulabschluss. Die Werte für den Mittleren Schulabschluss schwanken zwischen 35 - 50 Prozent, da liegen wir mit 42, 3 Prozent im guten Mittelfeld, auch ein Wert, der sich um gut 5 Prozent verbessert hat. Genauso wie die 5 prozentige Zunahme der Abiturienten.
Also alles bestens?
Der Philologenverband weist daraufhin, dass die Rechtschreibleistungen der getesteten Schülerinnen und Schüler bundesweit um neun Prozentpunkte schlechter geworden seien und fordert eine ehrliche Ursachenforschung, insbesondere was falsche Lernmethoden an Grundschulen angeht.
Dass die Landesregierung nicht gegen veraltete Unterrichtsmethoden wie "Lesen durch Schreiben" und Methoden des Schreibenlernens nach Gehör unternimmt und die gesamte Problematik herunterspielt, ist einfach nur bitter. Zusammen mit der Union haben wir in einem Antrag auf das Problem aufmerksam gemacht. Die Koalition hat den Antrag aber einfach niedergestimmt und ignoriert das Problem vollständig.
Bedauerlich ist auch, dass die Entwicklung an den Gymnasien stagniert. Bei der Förderung der Leistungsstärksten verbessert sich also nichts. Dadurch, dass die Koalition die Gymnasien immer weiter unter Druck setzt, eine Oberstufe nach der anderen aus dem Boden sprießen lässt, ohne die Qualität der gymnasialen Bildung zu sichern, sehe ich auch hier für die Zukunft schwarz.
Schließlich möchte ich noch auf ein letztes Problem hinweisen. Die Studie nimmt in der Trendbetrachtung von 2009 zu 2015 die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf explizit aus. Es können also überhaupt keine Aussagen dazu getroffen werden, ob die Inklusion von Förderschülern an allgemein bildenden Schulen bezogen auf das Erreichen von Leistungsstandards gelingt.
Damit fehlt Ihnen jeder Beleg zu Ergebnissen der inklusiven Beschulung. Das wäre aber ein ganz wichtiger Aspekt, denn gerade diese Schüler wollen wir richtig fördern.
Das gilt insbesondere dann, wenn man das Niveau etwas genauer unter die Lupe nimmt. Der Ländervergleich an sich sagt nämlich noch gar nichts über das grundlegende Niveau aus. So kritisierte der Deutsche Lehrerverband, also der Dachverband aller Lehrerverbände, dass die standardisierten Vorgaben, an denen sich die Tests orientiert haben, nicht in allen Bereichen besonders anspruchsvoll gewesen seien. Die Messlatte hätte aus Sicht der Lehrerschaft also ruhig etwas höher liegen können. So ist es doch kaum verwunderlich, dass die Ergebnisse besser werden, wenn das Niveau gesenkt wird. Das rote Schulministerium macht doch genau das gleiche. Wenn die Landesregierung die Standards bei den Rechtschreibleistungen bei Abschlussprüfungen absenkt – Entschuldigung, im Sprech der Regierungskoalition heißt es natürlich nicht ‚absenken von Standards‘, sondern ‚Anpassung an den Bundesschnitt‘ – wenn die Landesregierung sich also mit ihrem Anspruch an den Bundesschnitt anpasst, dann wundert es natürlich nicht, wenn die Noten besser werden.
Wenn verbale Leitungsproben höher bewertet werden, als schriftliche Leistungsproben, wird das Ergebnis auch besser. Ist damit irgendeiner Schülerin oder irgendeinem Schüler geholfen? Nein, natürlich nicht, aber es ist schön für die Statistik.
Wir brauchen eine andere Bildungspolitik. Die falsche Schwerpunktsetzung von Rot-Grün-Blau muss endlich beendet werden. Die KMK kommt im Ergebnis der Studie zu der bestechenden Erkenntnis, dass Unterricht durch Fachlehrkräfte den Lernerfolg der Schüler besser fördert, als Unterricht von fachfremden Lehrkräften.
Da kann ich nur sagen, vielen lieben Dank der KMK, diese Erkenntnis besteht schon seit langer Zeit. Wir haben hier kein Erkenntnisproblem. In Schleswig-Holstein besteht das Problem, dass die Landesregierung einfach keine Schlüsse aus dieser Erkenntnis zieht. Stattdessen schafft sie den Einheitslehrer für die geplante Einheitsschule, der als Alleskönner überall einsetzbar sein muss und zudem noch Experte in allen Feldern der Inklusion ist. Die Geringschätzung, die die Koalitionäre damit der Arbeit der Lehrer gegenüber zum Ausdruck bringt, speziell den Sonderpädagogen gegenüber, ist wirklich beschämend.
Auch bleibt die Landesregierung fahrlässig bei der Bekämpfung des Unterrichtausfalls und der Erteilung des fachfremden Unterrichts. Wirkliche Initiativen sind da nicht bekannt, stattdessen wurde als erste Amtshandlung erst einmal der Vertretungsfonds zusammengekürzt.
So haben wir vorgeschlagen, dass Grundschullehrer verpflichtend entweder Mathematik oder Deutsch als ein Fach studieren müssen, weil das die zentralen Fächer in der Grundschule sind und damit der fachfremde Unterricht reduziert werden würde. Aber die Koalition wollte die Lehrerbildung überhaupt nicht vernünftig diskutieren, sondern war nur darauf aus, ihr Einheitslehrergesetz durch den Landtag zu boxen.
Auch in den Mängelfächern, speziell im MINT-Bereich, besteht akuter Handlungsbedarf. Wir brauchen eine echte Initiative, die die Mathematik und die Naturwissenschaften stärkt. Wir laufen da auf eine echte Katastrophe zu. Wir brauchen dringend Fachlehrer in diesem Bereich.
Wir befinden uns bereits in einer Abwärtsspirale. Je weniger Fachlehrer wir in diesem Bereich haben, desto weniger Schüler können für diesen Bereich begeistert werden, desto weniger Schüler werden selbst wiederum Lehrer in diesem Bereich und so weiter.
Das strahlt natürlich auf alle Bereiche aus. Wenn wir hier nicht endlich anfangen zu handeln, wird es zum Beispiel in Zukunft umso schwieriger für den Verkehrsminister werden, ausreichend Bauplaner für die Umsetzung von Verkehrsprojekten zu finden. Nicht, dass Minister Meyer dies aktuell ernsthaft versuchen würde.
Auch die Inklusion müssen wir ganz anders angehen. Förderzentren als Schulen mit Schülern bleiben erhalten. Daneben wird ein Netzwerk von Inklusionsschulen aufgebaut, die unter einem Dach einen Förderschulteil und Gemeinschaftsschulteil beherbergen und in denen jeder Schüler individuell gefördert werden kann. Schließlich müssen wir zentrale Weichen im Schulgesetz stellen. G9 an Gymnasien muss wieder kommen. Noten in Grundschulen sind wieder verpflichtend ab der 3. Klasse einzuführen, und wir brauchen wieder eine Schulübergangsempfehlung. Auch müssen wir das einschulalter flexibilisieren und in Gemeinschaftsschulen muss wieder in abschlussbezogenen Klassen unterrichtet werden.
Anstatt weitere überflüssige Oberstufen an Gemeinschaftsschulen zu schaffen, müssen wir die Grundschulen stärken und kleineren Grundschulstandorten Sicherstellungszuschläge geben, um die Schulen im ländlichen Raum zu halten. Und das Land muss wieder ein Schulinvestitionsprogramm auflegen, um die Schulträger auch in diesem Bereich zu unterstützen.
Das ist unsere Politik! Das ist das, was wir wollen, und dafür wird die FDP kämpfen.“