Anita Klahn zu TOP 21+31+32 "Beschulung von Schülerinnen und Schülern in coronabedingter Situation"

Anita Klahn

In ihrer Rede zu TOP 21+31+32 (Anträge zur Beschulung von Schülerinnen und Schülern in coronabedingter Situation) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:

„Vorweg danke ich Ministerin Prien für den Bericht. Ich sage aber auch Danke für ihre klaren Worte. Selbstverständlich müssen die Erkenntnisse der letzten zwei Jahre im Umgang mit der Coronapandemie beachtet werden. Aber bei allen neuen Entscheidungen müssen wir die aktuelle Situation zu Grunde legen und die ist eben anders als zu Beginn der Pandemie.

Dank einer beispiellosen Zusammenarbeit von medizinischer Versorgung und Forschung, pharmazeutischer Entwicklung und mit Hilfe modernster Technik haben wir heute nicht nur Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf und besonders zu schützende Personengruppen, sondern es wurden in kürzester Zeit Testverfahren und vor allem Impfstoffe entwickelt. Das sollte uns zuversichtlich in die Zukunft blicken lassen.

Schulschließungen und Distanzunterricht haben in der Vergangenheit Infektionen verhindert – sie waren zu dem damaligen Infektionsstand angemessen und verhältnismäßig. Die Beruflichen Schulen hatten durch ihre wechselnden Schülergruppen eine besondere Herausforderung. Insbesondere Auszubildende in der dualen Ausbildung unterlagen unterschiedlichen Infektionsrisiken. Nicht alle Unternehmen praktizierten einen gleichwertig hohen Schutz. Es waren die Arbeitgeber selbst, die Sorge um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter durch das Risiko des Schulbesuches formulierten. Somit blieb den Beruflichen Schulen gar nichts anderes übrig, als längerfristig in den Distanzunterricht zu gehen. Daher war es aber auch so wichtig, die Impfkampagne an den Beruflichen Schulen zu initiieren. Diese sowie das konsequente Testregime und die Maskenpflicht führen dazu, dass Infizierte schnell erkannt und ein Übertragungsrisiko minimiert wird. Das gilt für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte gleichermaßen.

Mittlerweile ist es unstrittig, welche gravierenden Folgen die Coronapandemie mit allen daraus resultierenden Schutzmaßnahmen in den letzten beiden Jahren auf Kinder und Jugendliche hatte. Ich mache mir inzwischen dabei weit größere Sorgen um die persönliche sozial-emotionale Entwicklung der jungen Menschen als um Lernrückstände, auch wenn beides dramatisch ist. Die fehlenden sozialen Kontakte und die fehlende Tagesstruktur durch den Schulalltag führen zu Vereinsamung, zur Flucht in eine digitale Scheinwelt oder zu Depressionen. Ich höre auch von Familien, die das Recht der Beurlaubung in Anspruch nehmen, dass sie sich alleingelassen und auch überfordert fühlen. Vor allem wenn die Vermittlung der Unterrichtsinhalte auf ihren Schultern lastet und unklar ist, in welchem Umfang die Schule unterstützen sollte. Hier hilft in erster Linie das Gespräch mit den beteiligten Lehrkräften. Wobei ich zunehmend feststelle, dass Lehrkräfte die Grundproblematik erkennen und geeignete Methoden entwickeln, um Eltern in die Lern- und Lehrarbeit einzubeziehen. Wenn im Ergebnis dadurch eine gegenseitige Wertschätzung und Respekt für die Erziehungs- und Bildungsarbeit dabei herauskommt, haben alle Beteiligten gewonnen. Dieses sind einige der Gründe, warum Diskussionen über das Aufrechterhalten der bisherigen Maßnahmen in der heutigen Situation falsch sind – selbst wenn Unterricht auf Distanz heute besser liefe als zu Beginn der Pandemie, weil die Schulen technisch besser ausgestattet sind und digitaler Unterricht besser organisiert ist.

Wenn wir eine Erkenntnis in dieser Pandemie sicher haben, dann ist es die, dass der Präsenzunterricht in den Schulen durch nichts adäquat ersetzt werden kann. Insofern sind wir Freie Demokraten uneingeschränkt dafür, dass in den Schulen wieder Normalität einkehren muss. Es muss den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Gleichaltrigen auszu­tauschen, vor Ort zu lernen, am Musik-, Kunst- oder Sportunterricht uneingeschränkt teilnehmen zu können. Im Übrigen wäre es auch absurd, wenn wir im März für die Gesamtgesellschaft weitestgehend schrittweise in den Normalzustand zurückkehren, aber an den Schulen nicht. Weder der Verlauf der Omikron-Variante noch die Auslastung des Gesundheitssystems oder die Hospitalisierungsrate rechtfertigen weitere starke Eingriffe in den Präsenzunterricht und den regulären Schulalltag. Gleichzeitig werden wir uns Gedanken machen müssen, wie wir die psychosozialen Folgen bei den Kindern und Jugendlichen angehen. Das Aktionsprogramm 'Aufholen nach Corona' kann dabei nur ein erster Schritt sein, ausreichend ist es mit Sicherheit nicht. 

Die Auswirkungen dieser zwei Jahre werden uns noch lange beschäftigen und die Folgen werden überhaupt erst in Gänze sichtbar werden, wenn sich das Augenmerk von der Pandemiebekämpfung hin zu den Folgen der Pandemie verlagern wird. Ich hoffe, dass wir uns als Politik und Gesellschaft darauf einigen können, dass wir mehr Zeit und Geld für die Folgen der Pandemie für unsere Kinder- und Jugendlichen aufwenden müssen und sollten. Sie sind keine vergessene Generation – sie sind die Generation Zukunft!

 

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort