Anita Klahn zu TOP 5 „Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung“

Abgeordnete Anita Klahn

In ihrer Rede zu TOP 5 (Gesetz zur Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur finanziellen Entlastung von Familien und Kommunen) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und familienpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:

„Wir sind heute in der zweiten Lesung zum neuen Kita-Gesetz. Nach mehr als zweieinhalb Jahren intensiver Vorbereitung, nach etlichen Arbeitskreisen, Sitzungen und einer mehrtägigen breit angelegten Anhörung kommen wir heute zum vorläufigen Abschluss. Von großer Bedeutung und uns ein wichtiges Anliegen war, ein neues Kita-Gesetz nicht am grünen Tisch zu entwickeln, sondern im engen und konstruktiven Austausch mit den Beteiligten und den Betroffenen. Dass wir unseren selbst eng gesteckten Zeit-plan einhalten konnten, verdanken wir der überaus engagierten und professionellen Zusammenarbeit aller Beteiligten. Aus diesem Grunde möchte ich mich ganz besonders bei unserem Familienminister Dr. Heiner Garg und seinem Staatssekretär Dr. Matthias Badenhop sowie allen hinter ihnen wirkenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums bedanken. Einen ganz besonderen Dank richte ich an die ehrenamtlich mit-wirkenden Mitglieder der Landeselternvertretung der Kindertagesstätten, Yvonne Leidner und Axel Briege,  den Vertretern der Kindertagespflege, den Vertretern der Kita-Träger, hier möchte ich Markus Potten als einen besonderen Experten und verlässlichen Gesprächspartner hervorheben und den Kommunalen Verbänden. Mit letzteren waren die Gespräche nicht ganz so einfach und wir werden während der Evaluierungsphase sicher weiterhin eng mit ihnen im Gespräch sein. Ihnen allen ein herzliches Danke für den konstruktiven Austausch, die kritischen Anmerkungen, die letztendlich zu unserem jetzt gemeinsamen Werk geführt haben. Sie haben alle hervorragende Lobbyarbeit für die von ihnen jeweils vertretene Gruppe geleistet und trotzdem sind sie alle zu Kompromissen bereit gewesen. Davon hängen der Erfolg und auch die Akzeptanz des neuen Kita-Gesetzes maßgeblich ab.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die Ausgangslage zurückblicken: Das derzeitige Kita-System ist das wohl unübersichtlichste Verwaltungskonstrukt, welches man sich vorstellen kann. Es ist aber historisch gewachsen. Sieben Fördererlasse, 13 Regelungsbereiche und 32 Kriterien der Zuweisung beschreiben die Verteilung der bestehenden Finanzmittel. 2017 wurden so 230 Millionen Euro verteilt. Welch ein Aufwand! Auch bei den Elternbeiträgen ist Schleswig-Holstein trauriger Spitzenreiter und das trotz des Krippen-Hunderters der Vorgängerregierung. Elternbeiträge von über 700 Euro pro Kind sind leider keine Seltenheit. Dazu kommt, dass die Elternbeiträge im Land völlig unterschiedlich ausgestellt sind. Im Hamburger Rand bis hin zu den Krippen und Kitas in Dithmarschen, Kiel oder Flensburg – in keinem dieser Orte sind die Elternbeiträge auch nur ansatz-weise vergleichbar. So auch die weiteren qualitativen Eigenschaften der Einrichtungen, wie beispielsweise der Fachkraft-Kind-Schlüssel, die Verfügungs- und Leitungsfreistellungszeiten, die Betreuungs- oder Schließzeiten. Kurz gesagt: Eine Reform des Systems war überfällig!

Mit Jamaika haben wir uns von Beginn der Legislaturperiode an dem Problem gestellt. Unter dem von uns entwickelten Dreiklang aus einer Entlastung der Eltern, einer Entlastung der Kommunen sowie qualitativen Verbesserungen innerhalb unserer Kitas haben wir eine Reform initiiert, welche heute ihren Abschluss finden wird. Diesen Dreiklang haben wir mit Leben gefüllt und das trotz der zum Teil harschen Kritik seitens der Opposition. Mit Erlaubnis, würde ich gerne aus dem Plenarprotokoll vom 27. September 2019 zitieren. Frau Midyatli hat die Jamaika-Fraktionen in ihrer Rede zur ersten Plenarbefassung zum Kita-Reform-Gesetz mehrerer gebrochener Versprechen bezichtigt. Unter anderem hieß es: ‚Den Trägern haben Sie Qualitätsverbesserungen versprochen. Verbesserungen haben Sie den Trägern versprochen. Bekommen tun diese aber nur noch Mindeststandards, die in über 70 Prozent aller Kitas in Schleswig-Holstein bereits Realität sind und gar keinen Fortschritt darstellen‘. Tatsache ist aber, dass das zu-künftige Kita-Gesetz erstmals überhaupt Basisstandards gesetzlich fest-schreibt, die damit für jeden verlässlich sind. Das gab es bislang eben gerade nicht.

Wir erhöhen den Fachkraft-Kind-Schlüssel von 1,5 auf 2,0. Wir vereinheitlichen die Gruppengrößen auf 20 Kinder, in Ausnahmen auf 22. Wir schreiben erstmals einheitliche Verfügungszeiten fest. Als eines der Ergebnisse aus der Anhörung erhöhen wir die Zeit von fünf Stunden auf 7,8 Stunden pro Woche und Gruppe. Zudem haben wir eine bedarfsgerechte Lösung bei der Frage der Leitungsfreistellung erarbeitet, nach der bis zu 1,5 Leitungskräfte in Abhängigkeit zur Anzahl der bestehenden Gruppen in den Einrichtungen freigestellt werden. Auch ein Ergebnis aus der Anhörung. Wir haben erstmalig Schließzeiten gesetzlich normiert, auf einem tragfähigen Kompromiss aller Beteiligten. Weihnachten und Silvester sind inkludiert. Dieses war den Eltern ein wichtiger Punkt, um Berufs- und Familienalltag organisieren zu können. Aber auch für die Angestellten in den Kitas bietet es Perspektiven, Privat- und Berufsalltag besser planen zu können, beispielsweise im Hinblick auf den Jahresurlaub. Mit der Kita-Datenbank wird es zu-künftig einfacher und transparenter sein, einen Kitaplatz zu finden. Das Wunsch- und Wahlrecht rief größte Sorge bei den Bürgermeistern hervor. Inzwischen ist es ein akzeptiertes Instrument und es wird alle bei der zu-künftigen Bedarfsplanung unterstützen. Es wird unbestechlich sein und ehrliche Zahlen liefern. Und noch ein Versprechen halten wir: Um die wichtige Elternarbeit auch in der weiteren Qualitätsentwicklung zu ermöglichen, unterstützen wir die Landeselternvertretung mit einer Geschäftsstelle.

Das SQKM-System hält ebenso Mittel für den weiteren Ausbau unserer Kita-Landschaft bereit. Damit profitieren nicht 30 Prozent, sondern 100 Prozent aller Einrichtungen im Land von der Reform. Das Wichtigste an diesen Basisstandards ist aber Folgendes: Niemand ist gezwungen, an diesen Mindeststandards festzuhalten, sondern jeder kann individuelle Verbesse-rungen vornehmen. Mit den zusätzlichen Landes- und Bundesgeldern, die wir ins Kita-System stecken, werden Kitaträger beispielsweise in die Lage versetzt, ihre Ausstattung zu verbessern, eine bessere Vergütung ihrer An-gestellten oder aber einen höheren Personalschlüssel zu realisieren. So schafft man Arbeitszufriedenheit, so bindet man Arbeitnehmer und holt vielleicht sogar abgewanderte Fachkräfte zurück in die Kinderbetreuung. Gleichzeitig haben wir im Gesetz Übergangsvorschriften und damit zeitlich begrenzte Ausnahmeregelungen für jene Einrichtungen geschaffen, die die Standards ab dem 01.08.2020 nicht sofort werden einhalten können.

Wir haben immer dargestellt, dass die Reform nicht abschließend ist. Das darf sie auch gar nicht sein, weil das Stillstand bedeuten würde. Aber auch wir mussten Kompromisse eingehen, vor allem in Verantwortung vor der Haushaltslage. Ein ‚mehr‘ kann man natürlich immer fordern, dies gilt vor allem für die Opposition. Allerdings muss ein solches ‚mehr‘ auch bezahlbar sein. Für die 19. Legislaturperiode haben wir alles aus dem Haushalt herausgeholt, was möglich war. Ein Versprechen, welches Jamaika laut der SPD gebrochen haben soll ist, ich zitiere wieder Frau Midyatli: ‚Sie haben allen Eltern eine Entlastung bei den hohen Kita-Gebühren versprochen‘. Und genau dieses Versprechen werden wir zusammen mit den Trägerkommunen auch einhalten. Eltern, die heute mehr als den künftigen Deckelbei-trag entrichten müssen, werden direkt vom Deckel profitieren. Eltern, die heute weniger als den künftigen Deckelbeitrag entrichten, müssen durch die Reform keinesfalls mehr bezahlen. Tatsache ist doch, dass diese Landesregierung bis 2022 eine Milliarde Euro in das Kita-System geben wird. Dieses zusätzliche Geld wird zum Teil einen Anstieg der Qualitätsstandards kompensieren. Ein weiterer Teil wird jedoch auch in die Elternentlastung fließen können. Wichtig ist uns, dass wir nicht eine Interessengruppe gegen die andere ausspielen. Sinkende Elternbeiträge gegen steigende Qualität und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen gegen kommunale Entlastung oder Trägerinteressen. Erstmals wird die Tagespflege mitgedacht. Erstmals werden Mindestvergütungssätze festgelegt, die Kooperation zwischen verschiedenen Tagespflegepersonen wird gestärkt und auch hier wird der Elternbeitragsdeckel gelten.

Langfristig wird unser Ziel die Herabsetzung des Elternbeitrags auf null bleiben. Dies wird dann möglich sein, wenn das Land es finanziell stemmen kann. Das sollte, wie von Minister Dr. Garg formuliert, ein Ziel der nächsten Legislaturperiode sein. Uns ist aber wichtig, zu diesem Zweck keine neuen Schulden machen zu müssen. Wir wollen nicht, dass Beitragsfreiheit Qualitätseinbußen zur Folge hat. Dort, wo wir nunmehr verstärkt als Land voran-gehen, dort wird auch der Bund zukünftig stärker hinsehen und handeln müssen. Allen Mühen zum Trotz wird das Land zukünftig nicht allein die Kita-Kosten tragen können. Mit Familienministerin Giffey und dem von ihr initiierten Gute-Kita-Gesetz bewegt sich der Bund in die richtige Richtung. Ein Bundesgesetz sollte aber den Anspruch haben, nicht nur nett zu klingen, sondern über die laufende Legislaturperiode hinaus verlässlich zu unterstützen. Es kann langfristig nur gemeinsam mit dem Bund gehen. Diesem muss klar sein, dass er nicht ausschließlich dafür da ist, Pflichten, wie beispielsweise den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr, an die Länder zu geben. Nein, er muss sich verlässlich an den Finanzierungen solcher Versprechen beteiligen. Es geht nur partnerschaftlich, denn nur zusammen lassen sich große Erfolge realisieren. Das neue Kita-Gesetz mit seiner vereinfachten und transparenten Finanzierungsstruktur wird heute endlich Realität und damit wird eines der wichtigsten Projekte der Jamaika-Koalition umgesetzt. Stetig steigende Elternbeiträge wird es zukünftig nicht mehr geben – dieses haben wir, die Koalitionspartner von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Freien Demokraten, den Familien in Schleswig-Holstein versprochen und mit dem neuen Kita-Gesetz schaffen wir heute die Voraussetzungen dafür.

Ich habe es häufig erwähnt, dass ich mich persönlich seit 20 Jahren genau für diese Ziele engagiere. Heute bin ich stolz darauf, dieses Gesetz mit Ihnen gemeinsam zu verabschieden.“