Annabell Krämer zu TOP 2 u.a. „2. Nachtrag zum Haushaltsplan für das Jahr 2020“

Finanzpolitische Sprecherin der FDP Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein, Annabell Krämer

In ihrer Rede zu TOP 2+10+34+37+38+39+40+41+43+44+46+48 (2. Nachtrag zum Haushaltsplan für das Jahr 2020) erklärt die finanzpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Annabell Krämer:

„Mit der Verdopplung der Notkredite auf eine Milliarde Euro reagieren wir auf eine beispiellose Krise. Neben den unerlässlichen Ausgaben für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung, müssen wir unserer mittelständischen Wirtschaft unbürokratisch unter die Arme greifen, damit sie die aktuelle Durststrecke überlebt.

Unser zukünftiger Wohlstand hängt davon ab, ob es uns gelingt, gesunde Unternehmen auf breiter Front zu erhalten, die durch Corona völlig unverschuldet in finanzielle Not geraten sind. An diesen Unternehmen hängen Tausende Arbeitsplätze, milliardenschwere Wertschöpfung und unendlich viel Herzblut von Eigentümern und Beschäftigten. Es geht um Existenzen! Der Motor unseres Landes ist der Mittelstand. Erst wenn dieser nicht mehr stottert, werden wir die Krise bewältigt haben. Um dauerhafte Wohlstandseinbußen zu vermeiden, braucht es nach der Krise mehr denn je eine wachstumsfreundliche Politik, die unternehmerische Innovationen zur Entfaltung bringt und einen verlässlichen Ordnungsrahmen bietet. Was wir dagegen nicht brauchen, sind ständig neue Verbote und Regulierungen, die unsere Wirtschaft zusätzlich belasten und Investitionsunsicherheit schaffen. Wirtschaftliche Freiheit ist die Voraussetzung für Wohlstand und Wohlstand ist die Voraussetzung für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem und eine hohe Lebenserwartung. Diese Zusammenhänge sollten wir uns auch und gerade in dieser Krise bewusst machen!

Aber kommen wir zurück zum vorliegenden Nachtragshaushalt. Es hat sich gezeigt, dass das Soforthilfeprogramm des Landes für Unternehmen mit zehn bis 50 Beschäftigten stark nachgefragt wird. Oftmals ist die Liquidität in den Betrieben bereits aufgebraucht, sodass unabwendbare Betriebskosten nicht anders zu decken sind. Um alle berechtigten Auszahlungen leisten zu können, stocken wir das Soforthilfeprogramm um weitere 50 auf 150 Millionen Euro auf. Diese Mittel ergänzen das Soforthilfeprogramm des Bundes, das sich an Solo-Selbstständige und Kleinunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten richtet. Bund und Land greifen den kleinen und mittleren Unternehmen somit nicht nur mit lebenswichtigen Liquiditätshilfen, sondern auch mit nicht rückzahlbaren Zuschüssen unter die Arme. Diese Zuschussprogramme sind so wichtig, weil sie dazu beitragen können, eine Überschuldung von Unternehmen abzuwenden.

Neben dem genannten Zuschussprogramm hilft das Land dem Hotel-, Beherbergungs- und Gastronomiegewerbe mit besonders günstigen Krediten aus dem Mittelstandssicherungsfonds. In dieser Branche betragen die Einkommensausfälle bis zu 100 Prozent. Gerade auch als tourismuspolitische Sprecherin meiner Fraktion bin ich erleichtert, dass unsere Hoteliers und Gastronomen gestern endlich eine Perspektive aufgezeigt bekommen haben, bald wieder öffnen zu dürfen. Jeder Tag, der ohne Umsatz vergeht, ist ein herber und schmerzhafter Rückschlag im Kampf um die wirtschaftliche Existenz. Es geht um einen bedeutenden Wirtschaftszweig für unser Land zwischen den Meeren, aber auch um ein großes Stück Lebensqualität.

Mit dem Nachtragshaushalt beschließen wir weitere wichtige und teils auch gesetzliche Hilfen. Letzteres betrifft die Mehrausgaben nach dem Infektionsschutzgesetz in Höhe von 64,3 Millionen Euro. Hiermit erstattet das Land entstandenen Verdienstausfall wegen angeordneter Quarantäne oder der Schließung von Schulen und Kitas. Weitere 51,5 Millionen Euro fließen in das Gesundheitssystem, konkret in medizinische Geräte und Schutzausrüstungen, Investitionen in Krankenhäusern und als Erstattung an Rehakliniken für das Vorhalten von Betten. Zudem war es uns Freien Demokraten äußerst wichtig, die Erforschung der Auswirkungen des Corona-Virus insbesondere auf Kinder und Jugendliche voranzutreiben. Mit zwei Millionen Euro unterstützen wir unsere hervorragenden Institute im Land, die uns wichtige Erkenntnisse liefern, welche Schutzvorkehrungen im Umgang mit Kindern wirklich erforderlich sind. Für uns sind all diese Ausgaben im Bereich Gesundheit und Forschung ebenso essenziell wie die Finanzhilfen für unsere Wirtschaft.

Für Familien ist die gegenwärtige Situation eine erhebliche Belastung. Die geschlossenen Kitas und Schulen erfordern eine Rund-um-die-Uhr Betreuung und stellen die Eltern vor die Aufgabe, die Beschulung ihrer Kinder größtenteils zu übernehmen. Wenn die Betreuung in Kita oder Schule nicht stattfindet, ist es nur fair, wenn die Eltern entsprechende Beiträge für nicht erbrachte Leistungen von den Kommunen erstattet bekommen. Viele Eltern befinden sich in Kurzarbeit und müssen mit reduziertem Einkommen ihre Ausgaben bestreiten. Für eine Entlastung der Eltern ohne Belastung der Kommunen stellen wir heute in der Summe 105 Millionen Euro bereit. Es ist ein starkes Signal, dass wir heute außerdem 15 Millionen Euro für das digitale Lernen an Schulen zur Verfügung stellen. Diese Gelder ergänzen die Digitalpaktmittel von Bund und Land und sollen Heimunterricht erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen. Als Mutter zweier Kinder habe ich in den letzten Wochen hautnah miterleben dürfen, welche Defizite in der digitalen Infrastruktur im Bildungsbereich bestehen! Es darf nicht passieren, dass ein Schuljahr faktisch für beendet erklärt wird, weil man nicht für alle Schüler die gleichen Lernbedingungen gewährleistet sieht. Deshalb brauchen wir für alle Schüler digitale Endgeräte, geprüfte Lernsoftware sowie Unterstützung der Lehrkräfte bei der Erlangung digitaler Kompetenz. Das Angebot eines freiwilligen Bildungsangebotes in den Sommerferien wird den Unterrichtsausfall zwar nicht kompensieren können, kann aber die entstandenen Lerndefizite zumindest reduzieren. Hierfür wird der Finanzausschuss bis zu fünf Millionen Euro freigeben, sobald das Bildungsministerium ein schlüssiges Konzept vorgelegt hat. Hier ist unsere Erwartung, dass der Fokus auf die Kernfächer und die prüfungsrelevanten Fächer gelegt wird. Manchmal sind es Krisen wie diese, die einen Innovationsschub in rasender Schnelle erzwingen, was sonst viele Jahre gebraucht hätte – um einmal etwas Gutes im Schlechten zu sehen!

Doch bei allem Geldsegen muss ich als Finanzpolitikerin auch Wasser in den Wein schütten. Ich muss dem weit verbreiteten Eindruck widersprechen, der Staat könne das wegbrechende Volkseinkommen beliebig kompensieren. Der Staat erwirtschaftet nichts, er verteilt nur um. Diese Umverteilung ist jetzt ökonomisch geboten, um den Mittelstand zu retten und eine wirtschaftliche Depression abzuwenden. Aber wir sind zugleich gehalten, an das Morgen und an die notwendige Rückführung der Kredite zu denken. Wir beschließen heute ebenfalls gemeinsam, dass die Notkredite ab 2023 innerhalb von höchstens 20 Jahren getilgt werden sollen. Dies bedeutet eine jährliche Haushaltsbelastung von mindestens 35 Millionen Euro. Jeder von uns kann sich gerne seine Lieblingsprojekte im Haushalt anschauen und überlegen, was diese 35 Millionen Euro pro Jahr bedeuten! Noch nicht berücksichtigt sind weitere konjunkturelle Kredite, die aufgrund von Einnahmeausfällen notwendig werden. Die Mai-Steuerschätzung, die wir übernächste Woche erwarten, wird ein erster Fingerzeig sein, wie hoch diese Einnahmeausfälle ausfallen werden.

Die kommende Rückführung der Kredite, die uns die Schuldenbremse vorschreibt, ist richtig. Nur ein Staat, der ordentlich wirtschaftet und vorsorgt, ist in einer solch existenziellen Krise wie der jetzigen überhaupt handlungsfähig. Aber deshalb müssen wir auch in der Krise genau abwägen, welche Ausgaben zur Abwehr und Bewältigung der Notsituation essenziell und gegenüber der Öffentlichkeit vertretbar sind. Vieles in dieser Krise wäre jetzt wünschenswert und viele Forderungen sind verständlich. Die Krise trifft jeden unverschuldet und die Beantragung von Grundsicherung fällt schwer, wenn Geld zum Leben benötigt wird. Sie ist jedoch zum aktuellen Zeitpunkt der unbürokratischste Weg für Hilfen zum Lebensunterhalt. Niemand muss Angst haben, seine Lebensversicherung kündigen oder sein Haus verkaufen zu müssen. Es gelten nicht die strengen Kriterien des Schonvermögens in Zeiten der Krise. Dieser Haushalt leistet insgesamt einen unverzichtbaren Beitrag, um das Gesundheitssystem zu stärken, und um unserer mittelständischen Wirtschaft in dieser unverschuldeten Notsituation finanziellen Beistand zu leisten.

Wir Freie Demokraten stehen jetzt und auch in Zukunft an der Seite des Mittelstands! Denn dieser Mittelstand sichert Tausende Arbeitsplätze und unser aller Wohlstand! Für ihre Belange werden wir uns jederzeit einsetzen. Lassen Sie uns gemeinsam das Land wieder ins Laufen bringen."