Wirtschaft/Flüchtlinge

Christopher Vogt: Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt ist eine der größten Aufgaben

„Ich danke der Landesregierung für den vorgelegten Bericht, den wir beantragt hatten, weil wir der Meinung sind, dass die Integration der vielen Flüchtlinge eine der größten Aufgaben der Politik in den nächsten Jahren sein wird.

 

Der von der Landesregierung vorgelegte Bericht ist unter dem Strich bedauerlicherweise noch nicht so richtig erhellend. Das ist auch nicht wirklich überraschend, da wohl allen Beteiligten klar ist, dass auch die Landesregierung angesichts der Entwicklung im letzten Jahr und der erst in den letzten Monaten so stark angestiegenen Flüchtlingszahlen bei dieser gewaltigen Aufgabe noch ziemlich am Anfang steht. Man darf aber natürlich auch keine unnötige Zeit verlieren.

 

Wie bei der menschenwürdigen Unterbringung, der Integration in unser Bildungswesen und unsere Gesellschaft ganz allgemein, stellt sich natürlich auch bei der Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt die Frage, ob wir das schaffen werden. Ich halte die Aufnahme einer Beschäftigung für ganz entscheidend für die Frage, ob die Integration in unsere Gesellschaft gelingen wird oder nicht.

 

Die FDP-Fraktion spricht sich schon seit langem dafür aus, dass man Asylbewerbern sehr frühzeitig die Möglichkeit geben sollte, eine Beschäftigung aufzunehmen. Dies soll nicht nur die Steuerzahler entlasten und gegen die nicht ganz ungefährliche Langeweile in den Unterkünften helfen. Die Möglichkeit zu arbeiten, also einer sinnvollen Tätigkeit nachzukommen, hat auch sehr viel mit der Würde der zu uns geflüchteten Menschen zu tun. Was ist nun zu tun?

 

Ich bin der Überzeugung, dass auch bei der Integration in den Arbeitsmarkt zunächst einmal Realismus und Ehrlichkeit gefragt sind. Wenn wir uns den Bericht anschauen, dann sehen wir, dass wir es bei den zu uns geflüchteten Menschen nur zu sehr einem geringen Anteil mit Fachkräften zu tun haben.

 

Um die 10 Prozent verfügen über einen Hochschulabschluss, wobei meistens noch fraglich ist, wie es mit der Qualität und der Chance auf Anerkennung der Abschlüsse aussieht. Aus den bisher bekannten Erhebungen wissen wir, dass etwa zwei Drittel der Flüchtlinge lediglich über ein sehr niedriges Bildungsniveau verfügen, also über das, was die OECD als Grundkompetenzen definiert. Das bedeutet, dass man einigermaßen lesen, schreiben und rechnen kann. Wir wissen aus der Erfahrung, dass man es damit mittlerweile sehr schwer auf unserem Arbeitsmarkt hat.

 

Das ist eine gewaltige Herausforderung im Bereich der Qualifizierung. Wir müssen den zu uns geflüchteten Menschen also zunächst unsere Kultur, unsere Sprache und unsere Schrift vermitteln.

 

Dass die Deutschkurse der Bundesagentur bundesweit so stark nachgefragt werden – statt der geplanten 100.000 Teilnehmer nehmen nun schon mehr als 220.000 Asylbewerber daran teil – zeigt erfreulicherweise, dass ein großer Integrationswille besteht.

 

Das Hauptaugenmerk darf aber nicht allein auf den absoluten Zahlen liegen, denn die Sprachkurse müssen auch qualitativen Anforderungen genügen, um die Zielgruppen auf spätere Arbeitsverhältnisse, Praktika oder andere Maßnahmen entsprechend vorzubereiten. Unternehmen können und werden nur Menschen beschäftigen, die Sicherheitshinweise und Arbeitsanweisungen zweifelsfrei verstehen und auch umsetzen können. 

 

Dass wir uns auch im Bereich Ausbildung nichts vormachen dürfen, konnte man in einem bemerkenswerten Interview in der ‚ZEIT‘ vom 3. Dezember 2015 mit dem Bildungsökonom Ludger Wößmann lesen:

 

‚Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Mehrheit der jungen Flüchtlinge an einer drei Jahre langen Vollausbildung mit hohem Theorieanteil scheitern würde. Laut Handelskammer München und Oberbayern haben 70 Prozent der Azubis aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, die vor zwei Jahren eine Lehre begonnen haben, diese bereits wieder abgebrochen.‘

 

Die Bundesagentur für Arbeit stellte auch fest, dass viele Flüchtlinge schlichtweg kein Interesse an einer klassischen Ausbildung haben.

 

Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit sagte am 11. Januar der ‚Süddeutschen Zeitung‘:

 

‚Wir stellen fest, dass viele Flüchtlinge möglichst schnell Geld verdienen wollen.‘

 

Auch dies gehört zur Wirklichkeit. Es ist gut und schön auf Neujahrsempfängen die Bedeutung der Unternehmen bei der Integration der ins Land kommenden Flüchtlinge hervorzuheben, aber eine wirkliche Lösung, angesichts der enormen Schwierigkeiten auch für die Unternehmen, bieten der Ministerpräsident und seine Regierung bisher nicht an. Ich glaube, mit der klassischen Ausbildung, wie wir sie kennen und schätzen, werden wir hier nicht besonders erfolgreich sein. Wir werden wohl verstärkt mit Teilausbildungen arbeiten müssen.

 

Wir kommen auch in Schleswig-Holstein nicht umhin, neben den Chancen, die sich ohne Zweifel bieten, auch die Schwierigkeiten und Herausforderungen zu benennen und ihnen zu begegnen. Ein Pilotprojekt namens BÜFAA.SH ins Leben zu rufen, mag jetzt zwar ein richtiges Signal vom Wirtschaftsminister gewesen sein, eine tatsächliche Lösung ist es natürlich noch lange nicht. Ich befürchte, es wird sich auch rächen, dass die Barrieren in unserem Arbeitsmarkt zuletzt deutlich erhöht worden sind und weitere Maßnahmen in Planung sind. Ich spreche da nicht nur vom starren Mindestlohn und den wenigen Ausnahmen, sondern auch von der Diskussion über Werkverträge und die Zeitarbeit. Die Bundesregierung macht unseren Arbeitsmarkt immer unflexibler, obwohl wir nun hunderttausende eher gering qualifizierte Menschen in unseren Arbeitsmarkt integrieren müssen. Ich glaube, die Bundes- und die Landesregierung müssen sich da korrigieren. Ich finde, wir sollten den Bericht in großer Ernsthaftigkeit im Ausschuss weiter beraten.“