„Es ist gut, dass die Landesregierung nun auch ihre Vorstellungen zur Digitalen Agenda für unser Bundesland vorgelegt hat. Es ist allerdings sehr bedauerlich, dass dies so lange gedauert hat und nun erst kurz vor Ende der Wahlperiode geschieht.
Sei es drum. Ende 2016 ist zwar sehr spät, aber es muss ja auch nicht schaden, dass dieses wichtige Thema dadurch im Wahlkampf noch einmal erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Es ist ja schließlich auch ein ganz entscheidendes Zukunftsthema, wie wir diesen Prozess politisch begleiten. Aus meiner Sicht hat die Landesregierung grundsätzlich die richtigen Handlungsfelder identifiziert. Es gibt viele Überschneidungen mit unseren Vorschlägen, über die wir im November an dieser Stelle debattiert haben.
Wie immer im Leben geht es um Chancen und Risiken. Für Schleswig-Holstein sieht meine Fraktion bei der zunehmenden Digitalisierung mehr Chancen als Risiken. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Land endlich in die Puschen kommt und die große Herausforderung auch tatsächlich annimmt, den unaufhaltbaren Digitalisierungsprozess politisch zu gestalten.
Meine Fraktion wünscht sich mehr politischen Ehrgeiz beim Thema Digitalisierung. Der Landesregierung mangelt es an Mut und Engagement. Wir möchten Schleswig-Holstein zu einer digitalen Vorzeigeregion in Europa machen. Auch wenn bisher nicht alles schlecht ist, ist unser Bundesland davon noch sehr entfernt. Wenn das Land so wenig investiert wie aktuell, wird das auch nichts werden. Um dieses ambitionierte Ziel erreichen zu können, bedarf es aber natürlich nicht nur deutlich mehr Investitionen, z.B. in die Bildungsinfrastruktur, in die Wissenschaft, die Fort- und Weiterbildung und die digitalen Netze. Es muss auch um einen Kulturwandel gehen, den man nicht einfach politisch verordnen kann. Das geht nur im Zusammenspiel mit den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren. Das Land sollte der Entwicklung aber nicht hinterherlaufen, sondern versuchen voranzugehen.
Wenn wir sagen, dass wir Schleswig-Holstein zu einer Vorzeigeregion machen wollen, dann tun wir das nicht, weil das Thema einen vielleicht irgendwie modern wirken lässt oder weil die Digitalisierung ein Selbstzweck wäre. Man muss die konkreten Vorteile für die Menschen sehen und natürlich die Risiken minimieren. Wir sehen einfach die Chance, dass unser Bundesland dadurch zu anderen, bisher erfolgreicheren Regionen aufschließen könnte und das Leben der Bürgerinnen und Bürger an vielen Stellen besser werden kann.
Ich kann aber auch verstehen, dass die Geschwindigkeit, mit der die Digitalisierung mittlerweile voranschreitet, vielen Menschen schon fast Angst macht. Vor allem die Sorge vieler Menschen um den Arbeitsplatz muss man sehr ernst nehmen. Es werden mit Sicherheit Jobs wegfallen und auch Berufe verschwinden. Es werden aber auch viele neue Berufe und auch viele neue Jobs entstehen. Die Aufgabe der Landesregierung ist es, für möglichst gute Rahmenbedingungen zu sorgen, dass diese Jobs hier bei uns und nicht in Asien oder Nordamerika entstehen.
Und ich verstehe deshalb z.B. auch nicht, dass das Industriebündnis nicht vorankommt und auch hier kurz vor der Wahl noch nichts Konkretes vorliegt. Herr Wirtschaftsminister, man hat leider nicht den Eindruck, dass sie das ernsthaft vorantreiben. Das Thema ist aus meiner Sicht viel zu wichtig, um daraus nur ein Feigenblatt für den Wahlkampf zu machen.
Wir haben zwar mittlerweile eine Ahnung, wohin die Reise bei der Digitalisierung gehen könnte, aber in Wahrheit wissen wir das ja alle nicht so richtig. Ich bin mir aber zumindest relativ sicher, dass die hohe Lebensqualität in Schleswig-Holstein ein immer bedeutenderer Standortfaktor wird. Man kann durch die technischen Möglichkeiten zukünftig immer einfacher hier leben, auch wenn die Kollegen oder die Kunden ganz woanders sitzen.
Voraussetzung dafür ist allerdings ein beschleunigter Ausbau der digitalen Netze. Wie schon im November geklärt: Die Koalition klopft sich hier gern selbst für etwas auf die Schulter, wofür sie eigentlich kaum etwas kann. Es ist richtig, Schleswig-Holstein steht im bundesweiten Vergleich beim Breitbandausbau gut da. Den regionalen Versorgern sei Dank! Im internationalen Vergleich hinken wir aber leider extrem hinterher. Das Back-Bone-Konzept der Landesregierung für die Gegenden, in denen der privatwirtschaftliche Breitbandausbau nicht attraktiv ist, finde ich grundsätzlich richtig. Entscheidend ist aber, dass man sich da tatsächlich nicht mit privaten Anbietern ins Gehege kommt. Für diesen Bereich sind auch deutlich mehr Bundes- und Landesmittel erforderlich, damit ländliche Gegenden in den nächsten Jahren nicht abgehängt werden.
Beim mobilen Surfen mangelt es in Deutschland an Wettbewerb. Deshalb muss man hierzulande viel Geld für wenig Datenvolumen zahlen. Das Land sehen wir aber vor allem in der Verantwortung, dass Thema öffentliches WLAN voranzubringen. Aus diesem Grund hatten wir Ihnen 2,5 Millionen Euro für öffentlich zugängliches WLAN an allen Gebäuden und Liegenschaften des Landes und zur Unterstützung von Freifunk-Initiativen vorgeschlagen. Leider hat die Mehrheit diesen Vorschlag abgelehnt. Die Landesregierung will jetzt erst einmal ein Konzept erarbeiten. Dies macht deutlich, dass die Landesregierung hier bisher geschlafen hat. Nahezu flächendeckendes WLAN wird erst kommen, wenn endlich das Problem der sogenannten Störerhaftung zufriedenstellend gelöst wird. Das muss endlich passieren. Ich denke, da sind wir uns weitestgehend einig.
Die Digitalisierung bietet auch viele Chancen bei den Themen Bildung, Verwaltung, Mobilität oder auch bei der öffentlichen Sicherheit. Für Schleswig-Holstein von besonderer Bedeutung ist das Thema Gesundheit: Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum kann durch den technischen Fortschritt wohl schon in wenigen Jahren deutlich verbessert werden. Hier sollte das Land dem Universitätsklinikum zusätzliche Gelder zur Verfügung stellen, um dies gezielter voranzutreiben.
Die Digitalisierung sorgt für sehr viel gesetzgeberischen Handlungsbedarf: Da ist z.B. beim Thema europäischer Binnenmarkt noch sehr viel Luft nach oben. Wir sprechen uns auch konsequent für die Gewährleistung der Netzneutralität aus und klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, die die schwarz-rote Bundesregierung beschlossen hat. Den besten Datenschutz hat man ja, wenn Daten gar nicht erst gesammelt und gespeichert werden. Es bereitet uns große Sorgen, dass mit diesen von uns allen gesammelten Vorratsdaten Missbrauch betrieben werden könnte – und da meine ich nicht in erster Linie unsere staatlichen Institutionen, sondern Kriminelle, die sich Zugang zu diesen sensiblen Daten verschaffen könnten. Ich sehe die aktuelle Bundesregierung da auf dem völlig falschen Weg. Sie schützt nicht die Privatheit der Bürger. Sie gefährdet sie.
Wie reformbedürftig unser bisheriges Recht ist, zeigt z.B. auch die Digitalisierung der Hochschulen. Da gibt es datenschutzrechtliche Probleme bei der Übertragung von Veranstaltungen im Internet. Da gibt es urheberrechtliche Probleme bei den digitalen Medien. Da gibt es verfassungsrechtliche und auch personalrechtliche Probleme, wenn man meint, man könnte die Digitalisierung der Lehre verordnen. All diese rechtlichen Herausforderungen wird man in den nächsten Jahren anpacken müssen.
Wenn wir die Arbeitsplätze der Zukunft in Schleswig-Holstein haben wollen, dann brauchen wir auch neue Unternehmen, die diese schaffen können. Es gibt eine aktive Gründerszene an verschiedenen Orten in Schleswig-Holstein. Das ist sehr erfreulich. Dennoch ist Schleswig-Holstein im Bereich der Startups noch immer ein Entwicklungsland. Die Zahl der Existenzgründungen ist in den letzten Jahren insgesamt viel zu niedrig.
Wir haben Ihnen eine Reihe an Vorschlägen vorgelegt, wie man dies ändern könnte. Leider konnten wir sie damit nicht überzeugen. Wir bleiben aber dabei: Wir wollen Schleswig-Holstein zum Gründerland Nr. 1 machen. Es muss z.B. um bessere Finanzierungsmöglichkeiten gehen, mehr Vernetzung und Technologietransfer, weniger Bürokratie und insgesamt ein sehr gründerfreundliches Klima. Dazu muss auch gehören, in den Schulen die Themen Wirtschaft, Selbständigkeit und Unternehmertum durch eine stärkere Einbindung von Menschen aus der Praxis besser zu vermitteln.
Apropos Schulen: Die Vermittlung von Medienkompetenz wird immer wichtiger – nicht nur in den Schulen, aber dort natürlich ganz besonders. Wir wollen auch, dass die Schülerinnen und Schüler bereits in den Grundschulen spielerisch an Programmiersprachen herangeführt werden. Eine große Herausforderung wird dabei die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer darstellen. Ich bin der Meinung, dass die zunehmende Digitalisierung uns sehr deutlich vor Augen führt, dass eine der wichtigsten bildungspolitischen Projekte der nächsten Wahlperiode eine umfangreiche MINT-Offensive sein muss!
Das Ende der Wahlperiode ist quasi schon in Sichtweite. Dennoch sollten wir die vorliegenden Vorschläge in einer Anhörung näher beleuchten lassen und uns sehr ernsthaft damit beschäftigen. Ich finde, eine möglichst breite gesellschaftliche Diskussion ist bei diesem wichtigen Thema absolut angemessen.“