Wirtschaft/Fachkräfte

Christopher Vogt: Wir müssen Chancen für junge Menschen in Schleswig-Holstein generell verbessern

„Demografischer Wandel und Strukturwandel stellen unseren Wirtschaftsstandort vor erhebliche Herausforderungen. In vielen Branchen ist der Fachkräftemangel bereits deutlich spürbar, so vor allem im Pflege- und Sozialwesen, im Tourismus, im verarbeitenden Gewerbe und in der Logistikbranche. Eine Fachkräfteinitiative kann grundsätzlich ein nützliches Instrument sein, um bestimmte Engpässe auf dem Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein zu evaluieren. Die Politik muss dann aber auch die richtigen Schlüsse aus einem solch aufwendigen Monitoring-Prozess ziehen, den es übrigens nicht erst seit 2012 gibt, sondern bereits zu unserer Regierungszeit unter Arbeitsminister Heiner Garg.

 

Die Digitalisierung birgt nicht nur Risiken für unseren Arbeitsmarkt, sondern vielmehr sehr vielseitige Chancen sowohl für die universitäre als auch für die außeruniversitäre Bildung. Sie ermöglicht viele neue Geschäftszweige und damit auch Arbeitsplätze, wenn man denn offensiv mit ihr umgeht.

 

Eine Berufsausbildung und ein Hochschulstudium sollte man nicht mehr als krassen Gegensatz oder irgendwie hierarchisch betrachten. Ein Meister ist nicht schlechter als ein Master und nicht selten verdient er sogar besser. Manchmal wird aus einem Meister auch ein Master. Das ist heute keine Seltenheit mehr und das ist gut so. Immer häufiger wird auch beides miteinander kombiniert. Duale Studiengänge werden immer beliebter. Ich kann das übrigens empfehlen.

 

Wenn man dem bestehenden Fachkräftemangel, aber vor allem dem bevorstehenden Fachkräftemangel, der eine echte Gefahr für unseren Wohlstand darstellt, entgegenwirken möchte, braucht man eine umfangreiche Bildungsoffensive, die es tatsächlich allen Menschen ermöglicht, ihr Recht an gesellschaftlicher Teilhabe auch wirklich nachkommen zu können. Es ist ein sozial-, integrations-, aber vor allem bildungspolitisches Trauerspiel, dass noch immer ein erschreckend hoher Anteil der Schülerinnen und Schüler jedes Jahr das Schulsystem ohne Abschluss verlässt. Schleswig-Holstein steht da im bundesweiten Vergleich am Tabellenende. Und entgegen dem bundespolitischen Trend wird es leider nicht besser, sondern noch schlechter. Hinzu kommen viele junge Menschen, die trotz Schulabschluss und trotz unter dem Strich ausreichend vorhandener Plätze, keinen Ausbildungsvertrag bekommen, weil sie als nicht ausbildungsreif gelten. Das ist aus meiner Sicht die wichtigste bildungspolitische Baustelle und die ist eine echte Mammutaufgabe.

 

Das duale Ausbildungssystem in Deutschland wurde in der Vergangenheit oft und gern als verstaubtes Relikt aus einer anderen Zeit kritisiert – auch aus dem europäischen Ausland. Dabei ist es der Garant für unseren verhältnismäßig stabilen Arbeitsmarkt und ein wichtiger Faktor für unsere verhältnismäßig geringe Jugendarbeitslosigkeit. Das wird mittlerweile auch im europäischen Ausland anerkannt. Damit die duale Ausbildung weiter gestärkt wird, müssen aus unserer Sicht die Berufsschulen besser ausgestattet werden. Dafür tragen aus meiner Sicht nicht nur die Kreise und kreisfreien Städte, sondern auch das Land die Verantwortung.

 

Wenn man den Fachkräftemangel bekämpfen möchte, muss man die Chancen für junge Menschen in Schleswig-Holstein generell verbessern. Der ‚Brain-Drain‘, also die Abwanderung vieler junger Menschen z.B. nach dem Abitur oder nach Ausbildung und Studium ist brandgefährlich für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, weil leider zu wenig junge Menschen im Gegenzug zu uns kommen. Es fehlt noch immer ein Industriekonzept und eine zielgerichtete Ansiedlungsstrategie für unser Bundesland.

 

Das sollte zudem die Gründerkultur im Land durch geeignete Maßnahmen stärken. Da ist Schleswig-Holstein nicht gut aufgestellt. Die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen müssen wir energischer anpacken! Gerade mit Blick auf die Digitalisierung müssen die MINT-Fächer und insbesondere das Unterrichten von Programmiersprachen konsequent gestärkt werden. Das Potenzial von Flüchtlingen für unseren Arbeitsmarkt muss realistisch betrachtet werden, aber es gibt durchaus Potenzial und das sollten wir – nicht nur im Interesse der Flüchtlinge, sondern auch in unserem eigenen Interesse – versuchen zu nutzen.

 

Und wir brauchen endlich ein modernes Einwanderungsgesetz, um beim weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe gute Chancen zu haben. Wir sind seit vielen Jahren ein Einwanderungsland und es gilt, dies endlich mit klaren Kriterien zu ordnen. Wir wissen doch alle, dass man nicht allein mit den Menschen, die schon hier sind, dem Fachkräftemangel Herr werden kann. Ich freue mich, dass der Landtag vor einigen Wochen das FDP-Flüchtlings- und Einwanderungskonzept beschlossen hat. Ich hoffe auch, dass die Landesregierung im Bundesrat entsprechend tätig wird. Der anhaltende Widerstand der Union gegen ein Einwanderungsgesetz ist mir ehrlich gesagt unbegreiflich.“