Europa/ Perspektiven im Ostseeraum

Christopher Vogt zu TOP 1 „Regierungserklärung zu Perspektiven im Chancenraum Ostsee“

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 1 (Regierungserklärung zu „Schleswig-Holsteins Perspektiven im Chancenraum Ostsee für Wohlstand, Klimaschutz und Innovationen) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

„Ich finde es richtig, dass das Thema Ostseeregion hier heute mit unserem Ministerpräsidenten sehr prominent besetzt wurde. Im Norden wussten die Menschen schon vor der Hanse, dass die Ostsee ein wichtiger Ort des Austausches und Quelle des Wohlstandes ist. In vielen Köpfen befindet sich Schleswig-Holstein leider noch immer in einer Art geografischer Randlage. Das ist mit Blick auf Skandinavien und die gesamte Ostseeregion jedoch spätestens seit dem Fall der Mauer aber gar nicht bzw. nicht mehr der Fall. Und wenn die feste Beltquerung eröffnet wird, wird unser Bundesland endgültig eine ziemlich gute Lage innerhalb Europas einnehmen.

Ganz egal, ob man diese Verbindung nun gut findet oder nicht: Es ist längst klar, dass diese Querung definitiv gebaut wird. Das muss man spätestens jetzt verinnerlichen und sich auch entsprechend darauf einstellen. Ich war immer ein großer Befürworter dieses Projekts – ohne dabei zu übersehen, dass ein solches Großprojekt an einigen Stellen natürlich auch Belastungen mit sich bringt, denen man begegnen muss. Es werden mit Hamburg und Kopenhagen nicht nur zwei Metropolregionen enger miteinander verbunden – dafür würde man diesen Aufwand wohl auch nicht betreiben – sondern Norddeutschland und Mitteleuropa rücken noch viel enger mit Skandinavien zusammen und umgekehrt.

Es ist ein Projekt von europäischer Dimension und als großer Anhänger der europäischen Idee bin ich – gerade in diesen bewegten Zeiten – der Meinung, dass es tausendmal besser ist, wenn innerhalb Europas neue Verbindungen gebaut werden, als dass neue Grenzzäune oder Schlagbäume aufgestellt werden. Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal darauf hinweisen, dass es zumindest in meinen Augen schon ein wenig widersprüchlich ist, einerseits dieses neue verbindende Projekt zu realisieren und gleichzeitig immer neue Gründe für Grenzkontrollen zu finden. Das ist meines Erachtens nicht im Sinne des Schengen-Abkommens, das ja eine große europäische Errungenschaft ist und bitte auch bleiben sollte.

In bestimmten Krisensituationen mögen gewisse Grenzkontrollen innerhalb Europas ja meinetwegen Sinn ergeben, sie dürfen aber nicht zu einer Dauerlösung werden, um die Gemüter von Nationalisten zu beruhigen. Das gilt natürlich mitnichten nur für Dänemark, aber von den dänischen Grenzkontrollen sind wir nun einmal besonders betroffen und sie befördern nicht gerade das Zusammenwachsen der Grenzregion. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die dänische Grenze während der Pandemie für uns deutlich durchlässiger war als die Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Das macht es zwar nicht besser, aber was sich die Landesregierung von Frau Schwesig da erlaubt hat, hatte mit Infektionsschutz nichts mehr zu tun und bleibt in meinen Augen verstörend.

Unser Bundesland kann und sollte bereits während der Bauzeit von der neuen Beltquerung profitieren. Es braucht natürlich zusätzliche Gewerbegebiete entlang der Trasse – auch wenn wir den Flächenverbrauch bremsen wollen. Die wirtschaftliche Entwicklung, die mit dem Projekt verbunden ist, braucht unser Bundesland jedoch auch. Die neue Verbindung soll aber nicht nur den wirtschaftlichen Austausch beflügeln, sondern zum Beispiel auch den Schüleraustausch. Auch in den Bereichen Sport und Kultur sehen wir noch viel Luft nach oben. Es sind unheimlich viele neue Chancen für uns alle damit verbunden. Wir sollten sie allesamt zu nutzen wissen.

Vor allem die junge Generation in der Ostseeregion sollte sich noch besser kennenlernen, sie ist schließlich die Zukunft. Das gilt nicht nur für Skandinavien, sondern auch für das Baltikum, Polen oder auch Russland. Großes Potenzial sehe ich da auch im Bereich der Wissenschaft. Jede Studentin und jeder Student sollte mal ein Semester im Ausland absolvieren, am besten in einem der Ostsee-Anrainerstaaten. Das wäre doch ein sinnvolles Ziel, das wir gemeinsam mit unseren Hochschulen anpacken sollten. Passend dazu muss auch das Thema Internationalisierung an der Kieler CAU weiter vorangetrieben werden. Das Thema wurde im Zuge der Exzellenzstrategie als einer der Schwachpunkte der Uni benannt. Hier bietet es sich an, sich im Bereich der Internationalisierung vor allem auf den Ostseeraum zu konzentrieren. Wir sollten die CAU hierbei unterstützen, dann funktioniert es hoffentlich nächstes Mal auch mit der Exzellenzstrategie.

Auch zu Belarus hat der Ministerpräsident die richtigen Worte gefunden. Wir stehen als Freie Demokraten an der Seite der unterdrückten Demokratiebewegung in Belarus. Dass das Lukaschenko-Regime nicht nur die Demonstranten niederknüppelt und einsperrt, sondern nun auch Menschen in Not als politisches Instrument gegen Polen und die EU missbraucht, ist einfach nur widerwärtig. Es ist, wenn man so, will eine neue Form der hybriden Kriegsführung. Ich bin der Meinung, dass wir mit Russland in einem engen Dialog bleiben müssen, denn auch Russland unterstützt dieses Regime maßgeblich. Aber ich sage auch sehr deutlich, Deutschland und die EU müssen in dieser Auseinandersetzung mit Russland, Belarus und anderen, die uns spalten und schwächen wollen, Stärke und vor allem Zusammenhalt innerhalb Europas zeigen. Es ist wirklich bedauerlich, dass im Jahr 2021 die Bundeswehr und andere NATO-Soldaten im Baltikum gebraucht werden. Angesichts der Bedrohungslage ist es aber leider notwendig. Es ist deshalb auch absolut richtig, dass unsere Bundeswehrsoldaten dort sind, um unsere Freunde und Verbündeten im Baltikum zu schützen.

Es wird im Laufe der Tagung noch Thema sein, aber ich will schon mal kurz darauf eingehen. Das Thema Nord Stream 2 sehe ich kritisch, denn natürlich werden dadurch die Einflussmöglichkeiten Russlands auf Europa vergrößert. Das kann niemand ernsthaft bestreiten. Wir sehen bereits in Ansätzen, wie dies von Russland genutzt werden wird. Dass das Verhältnis zu Russland so ist, wie es ist, ist bedauerlich und ich hoffe, dass sich das irgendwann auch wieder deutlich entspannen wird, denn die Kooperation mit Russland kann besonders im Ostseeraum sehr fruchtbar sein. Man bedenke, dass am anderen Ende der Ostsee alleine mit St. Petersburg eine Metropole mit fünf Millionen Einwohnern liegt, mit der man gerade im Bereich der maritimen Wirtschaft viele Kooperationen aufbauen könnte, die aber durch die aktuelle Situation ausgebremst werden. Auch zu Polen besteht Einigkeit. Eine ‚Rosinenpickerei‘ durch Mitgliedstaaten darf es nicht geben, das kann auf Dauer nicht funktionieren. Es bereitet uns große Sorgen, was dort von Seiten der Regierung passiert. Die Bevölkerung ist ein sehr pro-europäisches Volk und ich hoffe, dass die Regierung nicht den Fehler begeht, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen.

Es wurde heute sehr viel Richtiges zum Thema Beseitigung von Munitionsaltlasten in der Ostsee gesagt. Es ist in der Tat überfällig, dass wir uns um diese tickenden Zeitbomben kümmern. Sie sind eine große Bedrohung für die Umwelt und für die Schifffahrt, deshalb ist es richtig, dass Schleswig-Holstein bei dieser wichtigen Gemeinschaftsaufgabe vorangeht.

Das Thema Fischerei wird auch noch Thema sein, das Thema Meeresforschung wurde zu Recht angesprochen, die stärkere Kooperation die wir angehen sollten, gerade im Bereich der Energiepolitik und im Bereich Wasserstoff und das Thema saubere Schifffahrt ist ebenfalls mehrfach zu Recht angesprochen worden. Wo, wenn nicht in der Ostsee sollte eine Region entstehen, in der die Schifffahrt als erstes sauber wird, in der wir Landstromanschlüsse in den Häfen nutzen und wo wir saubere Antriebe haben. Hier müssen wir schnell vorankommen. Auch im Bereich Gesundheitswirtschaft sehen wir Potenzial für noch mehr Kooperation.

Die Ostseeregion sollte – bei allen angesprochenen Herausforderungen – spätestens in der nächsten Generation in Europa und darüber hinaus eine Musterregion für Demokratie, Freiheit, Wohlstand und Nachhaltigkeit werden. Und wir sollten noch stärker unseren Beitrag dazu leisten. Ich glaube wir sind auf einem guten Weg.“

Es gilt das gesprochene Wort!