Christopher Vogt zu TOP 1 „Regierungserklärung zum Coronavirus“

Fraktionsvorsitzender Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 1 (Regierungserklärung zum Coronavirus) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

„Wir sind als gesamte Gesellschaft von diesem neuartigen Virus wirklich herausgefordert. Noch vor wenigen Wochen habe auch ich die mögliche Ausbreitung dieses Virus bei uns in Europa noch total unterschätzt. In unserer globalisierten Welt ist aber eine Epidemie, die sich in China ausbreitet, eben auch ganz schnell unser Problem. Das müssen wir jetzt schmerzlich erfahren und auf diese Situation, die wir so noch nie hatten, sehr konsequent und verantwortungsvoll reagieren.

Dass ich als Liberaler einmal solche freiheitseinschränkenden Maßnahmen mitverantworten würde, hätte ich noch vor Kurzem wirklich nicht für möglich gehalten. Aber: Zur Freiheit gehört auch immer Verantwortung. Und insbesondere in dieser Krise gilt auch mehr denn je: Nicht nur ‚der Staat‘ oder ‚die Politik‘ tragen eine große Verantwortung, sondern jeder Einzelne in unserer Gesellschaft. Gleichwohl möchte ich unserer Landesregierung für ihr besonnenes, aber auch sehr konsequentes Handeln aufrichtig danken! Gerade in dieser Krise zeigt sich sehr deutlich, dass unser Bundesland – bei allen Problemen, mit denen wir derzeit zu kämpfen haben – in guten Händen ist.

Ich danke aber auch der Opposition hier im Landtag für das konstruktive Miteinander in den letzten Tagen. Besondere Zeiten verlangen nach besonderer Zusammenarbeit. Dass dies mit sehr großer Ernsthaftigkeit und viel Verantwortungsbewusstsein in dieser Form möglich ist, ist das richtige Signal an die Menschen in Schleswig-Holstein, die dies – nach meiner Ein-schätzung – auch sehr positiv aufnehmen. Der produktive Streit unter Demokraten ist etwas sehr Wertvolles und sollte ansonsten auch eher befördert als eingedämmt werden. Aber für allzu lange Diskussionen ist in der Notsituation nun einmal kein Platz. Ich finde es auch absolut richtig, dass man sich mittlerweile auf Bundes- und auch auf norddeutscher Ebene sehr eng abstimmt, aber Schleswig-Holstein geht da bisher auch couragiert voran und dies nicht etwa zur Profilierung, sondern weil es schlichtweg not-wendig ist. Der Föderalismus mit seiner Dezentralität und seinem Wettbewerb hat auch in der Krise nicht nur Nachteile, wie nun einige meinen, sondern auch erhebliche Vorteile.

Wir muten jedem Einzelnen in Schleswig-Holstein derzeit sehr viel zu. Je nach Beruf sind die Menschen natürlich sehr unterschiedlich belastet, aber wir greifen ja auch tief ins Privatleben und in bestimmte Freiheitsrechte je-des Einzelnen ein. Wir werben dafür um Verständnis. Es macht uns wirklich keinen Spaß – ganz im Gegenteil. Wir machen das, was uns virologisch sinnvoll erscheint. Die meisten Menschen in Schleswig-Holstein verhalten sich wirklich vorbildlich. Sie sind rücksichtsvoll und hilfsbereit. Die wenigen Menschen, die dies nicht tun, gefährden nicht nur völlig unnötig ihre Mitmenschen, sondern haben auch in den letzten Tagen weitere Verschärfungen der Maßnahmen provoziert. Ich verstehe absolut, dass diese Maß-nahmen für viele Menschen schon jetzt schwierig sind. Es fällt natürlich nicht leicht, seine selbstverständlichen Abläufe und Gewohnheiten schlag-artig zu ändern und die sozialen Kontakte auf das Notwendigste zu reduzieren. Es fällt nicht leicht, mit den Kindern nicht mehr die Großeltern zu besuchen oder auch Geburtstage nicht einmal mit den engsten Freunden zu feiern.

Wir müssen aber schlichtweg Zeit gewinnen, um unser Gesundheitssystem besser auf diese Krankheit einzustellen, damit wir das Ausmaß dieser Katastrophe zumindest begrenzen und einigermaßen im Griff behalten können. Und das ist ein hoher Anspruch, wenn wir dieser Tage zum Beispiel zu unseren italienischen Freunden schauen, wo sich gerade in der Lombardei dramatische Szenen abspielen. Unser Gesundheitssystem ist natürlich nicht perfekt und in Teilen auch wirklich reformbedürftig. Aber wir sehen gerade auch, dass es dann doch deutlich besser und krisenfester ist als in vielen anderen Industrienationen. Jetzt gilt es, alles bestmöglich vorzubereiten, Reserven zu mobilisieren und die Beschäftigten nach Möglichkeit zu unterstützen und zu entlasten. Alle Menschen im Gesundheitswesen verdienen mehr denn je unseren ausdrücklichen Dank und unsere Unterstützung! Deshalb ist auch die Einigung mit den Beschäftigten am UKSH das richtige Signal zur richtigen Zeit. Die FDP-Fraktion unterstützt das Ergebnis ausdrücklich und dankt allen Beteiligten – allen voran der Finanzministerin, die sich dafür sehr eingesetzt hat! Ein weiterschwelender Konflikt wäre in der aktuellen Lage katastrophal gewesen. Es ist gut, dass wir dies abwenden konnten.

Wir müssen jetzt alle mehr Rücksicht aufeinander nehmen – insbesondere für die vielen Menschen mit Vorerkrankungen und die Älteren in unserer Gesellschaft, also auf die Menschen, die unser Land aufgebaut und stark gemacht haben. Bei all den Unverantwortlichen, die Pandemie mit Party verwechseln, sollten wir nicht übersehen, dass eine breite Welle der Solidarität durch unser Land geht. Nachbarn helfen sich beim Einkauf oder bei der Kinderbetreuung. Und wer gesund ist, ist dazu aufgerufen, auch noch einmal zum Blutspenden zu gehen. Unser vielfältiges Ehrenamt unterstützt mehr denn je die Hauptamtler, auf die es in dieser Zeit besonders an-kommt. Wir müssen jetzt vor allem dafür sorgen, dass Ärzte und Pflegekräfte, aber auch alle betroffenen Ehrenamtler im Gesundheitsbereich best-möglich ausgestattet werden, um sie schützen zu können. Ihnen muss unsere besondere Unterstützung gelten. Die Gesundheitsämter werden stetig weiter aufgerüstet und die Test-Infrastruktur ausgebaut. Ich danke aber auch den Menschen, die zum Beispiel in der Lebensmittelversorgung tätig sind, auch unseren Landwirten sowie unseren Polizeibeamten, Feuerwehr-leuten und auch Paketboten. Viele Menschen haben die nächsten Wochen ja auch viel Zeit, um das Arbeitszimmer aufzuräumen, den Garten herzurichten oder Bücher zu lesen. Ich empfehle, dabei auch einmal darüber nachzudenken, ob man sich nicht auch irgendwo dauerhaft ehrenamtlich einbringen könnte, falls man dies nicht sowieso schon macht. Die ‚Glorifizierung‘ der Krise, die teilweise im Netz wahrnehmbar ist, ist völlig unangebracht. Es ist auch keine Zeit für Urlaub, jeder kann und sollte seinen Beitrag leisten, um in der Krise zu helfen.

Die Schließungen insbesondere von Schulen und Kitas sind für viele Familien eine große Herausforderung. Ich war etwas überrascht, wie wenige Kinder schon ab dem ersten Tag in die Notbetreuung gegeben wurden. Viele Menschen arbeiten daran, ihre Kinder nun möglichst sinnvoll zu beschäftigen, um keinen Lagerkoller aufkommen zu lassen. Ich finde, der öffentlich-rechtliche Rundfunk kann jetzt nicht nur zeigen, wie effektiv er die Erwachsenen informieren kann, sondern auch, was er zur Bildung der Kinder und Jugendlichen beitragen kann. Auch viele private Bildungsanbieter stellen ihre Inhalte jetzt kostenlos ins Netz. Dafür vielen Dank! Ich hoffe, dass viele Kinder die Zeit zu Hause auch dafür verwenden können, um diese zu nutzen. Nicht wenige Schulen bieten digitale Lerninhalte an, aber wir könnten und müssten da in Deutschland natürlich deutlich weiter sein. Und das wird sicherlich eine der Lehren aus dieser Krise sein, dass wir hier zukünftig viel engagierter sein müssen.

Dass wir die Touristen, von denen viele Menschen hier in Schleswig-Holstein leben, einmal auffordern würden, abzureisen oder gar nicht erst anzureisen, hätte ich ebenfalls nicht gedacht. Aber es muss leider sein, um die Infektionsketten besser durchbrechen zu können. Nicht nur der Tourismusbranche musste in den letzten Tagen de facto die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden, sondern vielen anderen leider auch. Es ist richtig, dass die Bundesregierung darauf reagiert und Steuerstundungen, die Ausweitung der Kurzarbeit und weitere KfW-Kredite beschlossen hat. Ich glaube aber nicht, dass dies ausreichen wird. Viele Unternehmen und Freiberufler brauchen jetzt schnelle und unbürokratische Hilfe, damit sie die Krise überstehen können. Deshalb beschließen wir heute 500 Millionen Euro, mit denen die Landesregierung die Maßnahmen des Bundes für diejenigen ergänzen kann, die in ihrer Existenz bedroht sind. Die genaue Aus-gestaltung wird sehr zeitnah erarbeitet werden. Bund und Länder sollten sich auch hier abstimmen und sinnvoll ergänzen. Wir wollen den wirtschaftlichen Schaden begrenzen, auch wenn wir uns nichts vormachen sollten: Dieser wird gewaltig sein. Wir lassen aber niemanden im Stich. Das ist das Signal des heutigen Beschlusses. Man möchte jetzt natürlich insgesamt gern eine Perspektive aufzeigen, aber das ist leider extrem schwierig.

Wichtig ist zu sagen, dass diese Krise glimpflicher ausgehen und schneller überwunden werden kann, wenn wir alle unseren Beitrag leisten. Dann können irgendwann wieder die Grenzen öffnen und die verschiedenen Maßnahmen schrittweise wieder aufgehoben werden. Es gibt da auch eigentlich nichts, was ich dauerhaft beibehalten wollen würde. Ich hoffe sehr, dass es schnelle Forschungsergebnisse und damit neue Medikamente und vor allem Impfstoffe geben wird. Jetzt geht es aber erst einmal um Verantwortungsbewusstsein und Zusammenhalt! Ich wünsche Ihnen, dass Sie gesund bleiben!“