Christopher Vogt zu TOP 21 u.a. "Absturz von Grundschulleistungen aufarbeiten"

Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 21+25+42+63 (Rahmenkonzept zur Etablierung von Campusklassen erstellen und Konzept zur Verbesserung der Leistungen von Grundschülerinnen und -schülern sowie Berichte zu Absturz von Grundschulleistungen aufarbeiten und über die Unterrichtssituation 2021/2022) erklärt der Vorsitzende und bildungspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

"Die Ergebnisse der jüngsten IQB-Studie sind wirklich verheerend, aber leider auch nicht allzu überraschend, wenn man ganz ehrlich ist. Dieser negative Trend ist ja keine ganz neue Entwicklung. Dramatisch ist dieser natürlich dennoch.

Bei der Qualität der Grundschulen hat die Landespolitik meines Erachtens eine ganz besondere Verantwortung, weil hier der Grundstein für die weitere Bildungslaufbahn gelegt wird. Und nicht nur die lernschwächeren Kinder sind bei den Leistungen abgerutscht, sondern auch die lernstarken, was die Landesregierung ebenfalls zum Handeln drängen sollten. Niemand kann sich darüber wundern, dass die pandemiebedingten Schulschließungen und -einschränkungen erhebliche negative Auswirkungen auf den Lernerfolg der Kinder hatten. Corona ist aber sicherlich nur ein Teil des Problems.

Die Integrationsbemühungen bei Kindern mit Migrationshintergrund reichen nicht aus und die Umsetzung der Inklusion ist oftmals alles andere als zufriedenstellend, um es sehr zurückhaltend auszudrücken. Eine Reihe an gesellschaftlichen Entwicklungen begünstigen nicht gerade den Lernerfolg der Kinder. Eines muss klar sein: Die Schulen können und werden nie alles auffangen können, was in den Familien versäumt wird. Dass viele Eltern zum Beispiel kaum noch oder gar nicht mit ihren Kindern zu Hause lesen, ist ein echtes Problem. Aber es kann auch nicht sein, dass der Lernerfolg so stark vom Elternhaus oder vom Wohnort abhängt, wie dies aktuell der Fall ist. Von Bildungsgerechtigkeit – also fairen Chancen für alle Kinder – sind wir leider weit entfernt. Da gibt es noch unglaublich viel zu tun.

Auch die enormen Unterschiede zwischen den Bundesländern sind wirklich hochproblematisch und ziehen die Sinnhaftigkeit des Bildungsföderalismus in seiner bisherigen Form massiv in Zweifel. Schleswig-Holstein sollte sich bei der Bildung vor allem an Bayern und Sachsen und nicht an Brandenburg, Berlin oder Bremen orientieren. Aber vor allem die recht positive Entwicklung in den letzten Jahren in Hamburg ist wirklich bemerkenswert, auch wenn ich nie gedacht hätte, dass ich dies einmal sagen werde.

Wie sollte man jetzt mit den Ergebnissen dieser Studie konkret umgehen? 'Kurs halten' reicht hier jedenfalls bei weitem nicht aus. Und völlig unnötig sind auch Ausflüchte und Nebelkerzen, mit denen man so tut, als läge das Problem vor allem in einem anderen Ressort. Der Vorschlag der Bildungsministerin für eine Kita-Pflicht mag bei der eigenen bundesweiten Profilierung geholfen haben. Ein sinnvoller Beitrag zur Lösung der Misere war es aber nicht – und deshalb ist dieser Vorstoß auch zu Recht sehr schnell beerdigt worden. Es fehlen vielerorts leider noch immer Kita-Plätze. Da ist die Forderung nach einer Pflicht schon ziemlich schräg. Was sollen eigentlich die Eltern denken, die seit Monaten auf einen Kita-Platz warten? Für diese Familien sind solche unausgegorenen Vorstöße doch ein blanker Hohn. Man kann auch nicht die moderate Senkung der Kita-Gebühren wiederholt ablehnen und dann ernsthaft das letzte Jahr komplett kostenfrei stellen wollen, was bei einer Pflicht ja die logische Konsequenz wäre. Die weitere Senkung der Kita-Gebühren, die die Landesregierung so vehement ablehnt, würde den Kita-Besuch für einige Familien jedenfalls attraktiver machen.

Beim Erhalt der Sprach-Kitas hat die Landesregierung leider erst recht spät die Kurve bekommen und es braucht für eine Ausbildungsoffensive aus unserer Sicht auch eine Ausbildungsreform, um den Erzieherberuf noch interessanter für junge Menschen zu machen. Die Übergriffigkeit der Bildungsministerin bei ihrem öffentlichen Ablenkungsmanöver hat leider zu einem völlig unsinnigen schwarz-grünen Machtkampf geführt, der das Vertrauen der Eltern in die Handlungsfähigkeit der Landesregierung nicht gerade gestärkt hat. 

Aus unserer Sicht sollte man die Studienergebnisse zunächst einmal äußerst ernst nehmen, sie sehr zügig – auch mit Experten – analysieren und dann die Probleme schnellstmöglich sehr entschlossen angehen. So einiges liegt aber auch auf der Hand: Die bisherigen Corona-Aufholprogramme reichen einfach nicht aus. Die Schülergeneration, die diese Zeit vor allem in der Grundschule bewältigen musste, wird es nicht leicht haben, die Lerndefizite komplett wieder aufzuholen. Sie braucht durch entsprechende Förderangebote mehr Unterstützung, als bislang vorgesehen. Die Schuleingangsuntersuchungen müssen wieder flächendeckend durchgeführt werden. Es ist verständlich, dass die Gesundheitsämter der Kreise und kreisfreien Städte während der Pandemie damit Probleme hatten. Jetzt sollte die Landesregierung darauf drängen, dass diese überall wieder stattfinden, weil sie wichtige Hinweise auf Förderbedarfe geben. Es sollten frühzeitig Sprachtests eingeführt werden, die dann bei einem Förderbedarf zu einer entsprechenden Beratung und einem passenden Angebot führen sollten. Die Stundenzahl in den Grundschulen sollte weiter erhöht werden. Es muss mehr und bessere Förderangebote – auch in den Gemeinschaftsschulen – geben. Die Lehrkräfte sollten sich vor allem in den Grundschulen wieder stärker auf den Unterricht und hier auf die Kernfächer konzentrieren können. Die Fortbildung der Lehrkräfte sollte strategischer ausgerichtet, die Förderschulen gestärkt und der Ganztagsausbau als Chance begriffen werden.Alle Schulen und somit alle Schülerinnen und Schüler sollten vom Digitalpakt profitieren. Ansonsten werden die Bildungschancen noch stärker davon abhängen, wo ein Kind zufällig wohnt und zur Schule geht.

Die Idee der Perspektiv-Kitas finden wir richtig. Auch Grundschulen mit sozial schwierigem Umfeld brauchen mehr Unterstützung. Es braucht wie in Hamburg gezielte Mathematik-, Rechtschreib- und Leseoffensiven. Der Lehrerberuf muss attraktiver werden, weil sich der immer weiter verschärfende Fachkräftemangel ansonsten nicht effektiv bekämpfen lassen wird. Ohne noch stärkeren Ressourceneinsatz wird es insgesamt mit Sicherheit nicht gehen. Für uns ist klar: Die Landesregierung muss mehr tun, um unsere Schulen und insbesondere die Grundschulen zu stärken.

Die IQB-Studienergebnisse erfordern ein erhebliches Gegensteuern der Landesregierungen, damit der negative Trend in den kommenden Jahren umgekehrt werden kann. Die Unterrichtsversorgung muss insbesondere an den Grundschulen dauerhaft verbessert werden. Dem Koalitionsantrag zur Erarbeitung eines Rahmenkonzepts zur Etablierung von Campusklassen können wir gern zustimmen. Das schauen wir uns dann an, wenn es vorgelegt wird.

Die Anträge zu den Grundschulen sollten meines Erachtens in den Bildungsausschuss überwiesen werden, wo wir uns ja sowieso weiterhin intensiv damit beschäftigen und u.a. mit dem Bildungsexperten Prof. Köller sprechen werden."

 

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort