Dennys Bornhöft zu TOP 34 "Möglichkeiten der Aufarbeitung nutzen und fortsetzen"

DB

In seiner Rede zu TOP 34 "Alle Möglichkeiten der Aufarbeitung nutzen undfortsetzen" erklärt der sozialpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dennys Bornhöft:

,,Das zweitägige Symposium ,Die Vergangenheit im Kopf ­ die Zukunft in der Hand` Ende November letzten Jahres hat für die Öffentlichkeit Schleswig- Holsteins unfassbares erfahrenes Leid offengelegt. In dem Zeitraum mindestens von 1949 bis 1975 wurden von einigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in sozialen Einrichtungen schwerste Verfehlungen bis hin zu Straftaten gegenüber den Schutzbefohlenen begangen. Das, was die Betroffenen hier im Plenarsaal aus ihrer Kindheit und Jugend berichtet haben, ließ einem den Atem stocken. Das, was den Gästen an den beiden Tagen erzählt wurde, war das Bedrückendste, was ich bisher als Abgeordneter erlebt habe. Es gehört enormen Mut und Courage dazu, das erfahrene Leid so detailliert und bildlich vorzutragen.

Für mich, Jahrgang 1986, ist es eigentlich unvorstellbar, dass es selbst 30 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges in der Bundesrepublik, auch mitten in Schleswig-Holstein, ein derartiges Menschenbild, vor allem gegenüber Kinder und Jugendlichen, gab. Ein Menschenbild, welches mit dem Artikel 1 Grundgesetz nichts zu tun hat. Unfreiwillige Medikamentenvergabe, körperliche Gewalt, Ausbeutung der Arbeitskraft bis hin zu Zwangsarbeit, es wurde sogar von unterlassenen Hilfeleistungen mit Todesfolge berichtet.

Diese Übergriffe wurden den kleinsten und schwächsten unserer Gesellschaft angetan. Es geschah in Einrichtungen der Behindertenhilfe und der

Kinder- und Jugendpsychiatrie. Der lange Zeitraum, die Schwere der Verfehlungen sowie deren Anzahl sprechen dafür, dass dies keine isolierten, auf lediglich einzelne Angestellte begründeten Vorfälle waren. Die Übergriffe hatten in Teilen System oder es wurde weggeguckt. Mehrere Akteure müssen beteiligt gewesen sein oder haben zumindest hier nicht richtig hingeschaut. Das Land Schleswig-Holstein als Träger des damaligen Landeskrankenhauses in Schleswig stellt sich der Verantwortung und betreibt proaktiv die Aufarbeitung und gesteht auch die damaligen Verfehlungen ein. So geschehen durch den derzeitigen Sozialminister Dr. Heiner Garg. Schleswig- Holstein geht damit voran.

Es ist leider davon auszugehen, dass ähnliche Verfehlungen auch in anderen Bundesländern stattfanden. Die Aufarbeitung aus Schleswig-Holstein wird so indirekt auch Betroffenen von anderswo helfen können. Auch die anderen damals Beteiligten wie Träger aus der Wohlfahrtshilfe oder Pharmakonzerne müssen sich hier deutlich stärker als bisher einbringen. Das ist nicht einfach, nur eine Bitte: das ist eine Aufforderung und die Erfüllung dieser Aufforderung sollte eine Pflicht dieser Akteure sein. Eine weitere Forderung des Sozialausschuss ist, dass die Antragsfristen für die Entschädigungsleistungen aus dem Budget der Stiftung ,Anerkennung und Hilfe` deutlich verlängert werden und nicht alsbald enden. Bei der Interessensabwägung zwischen planbarer Antragsbearbeitung auf der einen und längerfristigeren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Betroffenen auf der anderen Seite stehen wir ganz klar hinter den Betroffenen. Die Umsetzung dieser Forderung würde auch Opfern aus anderen Bundesländern zugutekommen.

Wir als Parlament, und das wird auch für die Landesregierung gelten, werden weiterhin und wiederkehrend den Stand der Aufarbeitung begleiten, zuarbeiten, aber auch Zwischenstände abfragen und einfordern. Sollte sich hieraus ergeben, dass für die wissenschaftliche Auswertung mehr Ressourcen benötigt werden, so werden wir natürlich auch dies positiv begleiten.

Das erfahrene Leid und die Aufarbeitung ist definitiv ein Thema, welches absolut unangemessen für parteipolitische Schlagabtäusche ist. Daher möchte ich mich ausdrücklich bei den unterzeichnenden Fraktionen dieser Drucksache bedanken. Die bisherigen Beratungen und Diskussionen, die wir im Ausschuss haben, sind konsensual und frei von Koalitions- oder Oppositionsgebaren.

Schließen möchte ich nochmals meinen Dank an all diejenigen richten, die am Symposium teilgenommen haben und es organisiert haben, wie dem Sozialminister Dr. Heiner Garg und dem Sozialausschussvorsitzenden Werner Kalinka. Insbesondere möchte ich mich bei den Vortragenden bedanken, die für sich und auch für andere gesprochen haben. Damit wurde der Deckmantel des Schweigens über die Missbräuche weggezogen. Damit nie wieder weggeguckt werden kann."