„Blicken wir auf die Integrationsangebote für Flüchtlinge, so ergibt sich ein zwiespältiger Eindruck.
Einerseits ist es beachtlich, in welchem Umfang seit dem erheblichen Anstieg der Aufnahmezahlen im vorigen Jahr Integrationskurse und die Vermittlung deutscher Sprachkenntnisse sehr kurzfristig organisiert worden sind. Noch beachtlicher ist das große Engagement, mit dem hier neben Förderangeboten, die mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden, auch ehrenamtliche Unterstützung erfolgt.
Andererseits gibt es aber auch Anlass zur Sorge. So hat zum Beispiel das Innenministerium vor wenigen Tagen auf eine Anfrage meines Fraktionskollegen Heiner Garg mitgeteilt, dass in den Erstorientierungskursen ‚STAFF‘ (Starterpaket für Flüchtlinge), die in den Kommunen angeboten werden und die die Landesregierung zu den ‚Kernbausteinen‘ der Integrationsangebote zählt, 2015 rund 3.300 Teilnehmer betreut worden sind. Bei rund 35.000 Flüchtlingen, für deren Aufnahme 2015 eine Zuständigkeit des Landes bestand, ist das eine Relation von weniger als 1 zu 10.
Der Überblick, den das Land hinsichtlich der nicht durch eigene Förderangebote durchgeführten Maßnahmen hat, ist – vorsichtig ausgedrückt – sehr lückenhaft. So liest man zum Beispiel in der Antwort auf die bereits genannte Kleine Anfrage:
‚Eine Darstellung der Verwendung der Fördermittel des Bundes hinsichtlich der Sprachförderung für Flüchtlinge liegt dem Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein nicht vor.‘
Und zu den Einstiegs-Sprachkursen, die seitens der Bundesagentur für Arbeit durchgeführt werden, zu deren Teilnehmerzahlen sowie zur Höhe der eingesetzten Mittel heißt es nahezu gleichlautend:
‚Hierzu liegen dem Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten keine Informationen vor. Zuständig für die Organisation und Durchführung der Einstiegskurse ist die Bundesagentur für Arbeit‘. (Drucksache 18/3894, 7. März 2016).
Im Zuständigkeitsdickicht der deutschen Verwaltungsstrukturen gibt es also offenkundig viel unkoordiniertes Nebeneinander und in weiten Teilen auch sehr viel Unkenntnis. Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut – und umgekehrt.
Dieser Zustand gibt Anlass zur Sorge – allein schon deshalb, weil es unter solchen Voraussetzungen kaum möglich ist, sich ein Gesamtbild von der Lage und von der Wirksamkeit der Maßnahmen zu machen und z.B. auch zu klären, wie viele der aufgenommenen Flüchtlinge von all den unterschiedlichen Anstrengungen zur Integration überhaupt nicht bzw. nur in geringem Maße erreicht werden. Es ist unschwer zu erkennen, dass dies nicht gerade eine gute Basis für gelingende Integration darstellt.
Hört man sich vor Ort um, so erfährt man, dass die Bereitschaft, Unterstützungsangebote anzunehmen, nicht bei allen Flüchtlingen in gleicher Weise ausgeprägt ist. Das Bild reicht hier von großem Eifer, angebotene Hilfen zum Spracherwerb und zur Integration in die deutsche Gesellschaft anzunehmen, bis hin zu Passivität oder sogar der Neigung, sich vorhandenen Angeboten zu entziehen.
Ich will das einmal am Beispiel einer kleinen 1.000-Einwohner-Gemeinde erläutern, das mir geschildert worden ist: Berichtet wurde hier, dass eine syrische Familie mit mehreren Kindern sich aktiv und mit großer Lernbereitschaft an den angebotenen Hilfen beteiligt, während drei junge Männer aus Afghanistan bzw. Nordafrika praktisch nicht erreichbar, oft auch tageweise vor Ort gar nicht präsent sind. Man darf wohl vermuten, dass sich im letzteren Falle der Anfang einer möglicherweise sehr problematischen Entwicklung abzeichnet. Und es geht ja um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, ob die Integration gelingen kann oder uns zu einem nicht geringen Anteil die Entstehung einer nicht integrationswilligen, nicht integrierbaren Problemklientel ins Haus steht.
Ähnliches ist mir auch aus einem anderen Ort unseres Landes berichtet worden, in diesem Fall über Teilnehmer an einem Integrationsangebot der Agentur für Arbeit. Und in diesem Falle wurde mir auch gesagt, dass es anscheinend keine Stelle gibt, die man mit Blick auf sich abzeichnende Problemfälle ansprechen könnte.
Eine solche Instanz, die man auch im Sinne einer Prävention von noch dramatischeren Fehlentwicklungen ansprechen könnte, gibt es im institutionellen Dickicht der beteiligten Ebenen offenbar ist, und das ist ein ernst zu nehmendes Manko. So sehr es einerseits verständlich ist, dass es in der Praxis (und sei es schleichend) zu einer Konzentration auf erfolgversprechende Integrationsbemühungen kommt – zumal diese ja auch allen beteiligten haupt- und ehrenamtlichen Helfern die wünschenswerten und motivierenden Erfolgserlebnisse verschaffen, so problematisch ist es andererseits, dass anders gelagerte Beispiele unbeachtet aus dem Blick geraten. Denn dies führt über kurz oder lang nicht nur zu erheblichen Kosten für unsere sozialen Sicherungssysteme, sondern auch zu erheblichem sozialen Sprengstoff oder – im schlimmsten Falle – zu Vorfällen, wie sie seit der Kölner Silvesternacht in den Blick der Öffentlichkeit gelangt sind.“