Migration/ Schnelle Hilfe für Afghanistan

Jan Marcus Rossa zu TOP 18 „Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan“

Jan Marcus Rossa

In seiner Rede zu TOP 18 (Sofortiger Abschiebestopp nach Afghanistan) erklärt der migrationspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:

„Es ist eine Tragödie, was sich seit Jahrzehnten in Afghanistan, diesem geschundenen Land ereignet. Der überstürzte Rückzug der NATO-Truppen ist nur ein weiteres Kapitel in der Geschichte des hunderttausendfachen Leids der Menschen, von denen die Mehrheit nie ein Leben in Frieden und Sicherheit kennengelernt hat.

Man muss sich das einmal vor Augen führen. Seit Dezember 1979 befindet sich dieses Land im Kriegszustand, sei es durch die Invasion der Russen, sei es der Bürgerkrieg, sei es die Intervention der USA und ihrer Verbündeten, die 2001 mit militärischen Aktionen den Kriegszustand verlängerten. Und nun, im Jahr 2021, ein offenkundig übereilter, ungeplanter und unkoordinierter Rückzug der ausländischen Truppen. Es gibt keine erkennbare Strategie, wie dieses Land befriedet werden kann; keine Idee, wie den Menschen, die in Afghanistan auch in Zukunft leben müssen, geholfen werden kann. Auch die Afghaninnen und Afghanen haben ein Recht auf Frieden. Es wird aufzuarbeiten sein, unter welchen Voraussetzungen die Bundesrepublik Deutschland sich an derartigen Missionen beteiligen darf. Darf ohne klare Zielvorstellungen und ohne eine Exitstrategie überhaupt eine solche Mission gestartet werden? Muss der Bundestag Out-of-Area-Einsätzen seine Zustimmung verweigern, wenn nicht ein Mindestmaß an Planung bereits vor Beginn einer Mission feststeht und eine dezidierte Risikobewertung vorliegt?

Für diese Aufarbeitung ist heute sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt. Heute gilt es nur noch, Menschen in Not zu helfen, die auch durch unser Land in diese Notlage geraten sind.

Bestürzend ist aber auch, dass selbst die Hilfs- und Rettungsmaßnahmen beschämend schlecht sind. Mit Entsetzen sehen wir, wie hilflos die Bundesregierung agiert. Auch hier stellen sich Fragen über Fragen: Wieso wurden wir überrascht, dass die Taliban so schnell die Macht übernommen haben? Warum ist das Staatswesen, das wir stützen und aufbauen wollten, so schnell und ohne spürbaren Widerstand zusammengebrochen? Und dann die unwürdige Diskussion der letzten Tage, welche Menschen wir retten wollen und müssen. In Anbetracht der Lage ist die Antwort einfach: Jeden, der sich auf den Kabuler Flughafen retten kann. Es werden aber künstliche Hürden aufgebaut. So erklärte die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit allen Ernstes, dass sie Menschen, die nicht in den letzten zwei Jahren für sie gearbeitet haben, nicht als Ortskräfte behandeln will. Was für eine menschenverachtende Haltung, die Gott sei Dank kurzfristig korrigiert wurde.

Es geht gegenwärtig nur darum, so viele Menschen wie nur irgend möglich, die in akuter Lebensgefahr schweben, aus Afghanistan herauszuholen, bevor das Land endgültig abgeriegelt wird. Das Zeitfenster ist denkbar eng. Nach aktuellen Berichten beenden die US-Truppen ihre Evakuierungsmaßnahmen am 31. August 2021. Danach dürfte auch der Flughafen in Kabul dicht sein. Und kein anderes Land als die USA sind militärisch in der Lage, weitere Evakuierungen sicherzustellen. Auch das ist ein Offenbarungseid – und nun rächt sich, dass die Bundesregierung in den letzten 16 Jahren die Bundeswehr so sträflich vernachlässigt hat, wie nie zuvor.

Wir müssen in der kurzen verbleibenden Zeit so viele in akuter Not befindliche Menschen wie irgend möglich aus Afghanistan retten und ihnen Schutz gewähren. Die Landesregierung hat sofort ihre Hilfe angeboten und dafür danke ich ausdrücklich. Das Angebot humanitärer Hilfen macht aber das Politikversagen der letzten Jahrzehnte nicht ungeschehen. Und das wird aufzuarbeiten sein.“

Es gilt das gesprochene Wort!