Jan Marcus Rossa zu TOP 18+31 ,,1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland"

Religionspolitischer Sprecher für die FDP Fraktion im Landtag Schleswig-Holstein

In seiner Rede zu TOP 18+31 (1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland) erklärt der religionspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:

,,Wir gedenken und wir feiern in diesem Jahr 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Es ist überfällig, dass wir uns in Deutschland dazu bekennen, dass das jüdische Leben, dass das Judentum ein Teil unserer deutschen Identität, unserer deutschen Geschichte und ein unverzichtbarer Teil unserer deutschen Kultur ist. Der Einfluss jüdischer Intellektueller auf die deutsche Wissenschaft, auf die deutsche Literatur und die deutsche Philosophie ist geradezu herausragend gewesen. Auch der Einfluss von Juden in der Musik und der Kunst kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Und dennoch waren die Juden in Deutschland immer Ausgrenzung, Verfolgung, Terror, Mord und anderen Grausamkeiten ausgesetzt bis hin zu der menschenverachtenden Vernichtungspolitik der Nazis. Vielleicht hilft es ja, wenn wir uns einmal bewusst machen, dass wohl kaum eine andere Bevölkerungsgruppe länger als die Juden in diesem Land ihre Heimat gefunden hat. Juden lebten bereits vor der Völkerwanderung in Gebieten, die heute Deutschland sind, und sie leben noch immer hier. Selbst die Grausamkeiten des Nazi-Regimes konnten die Juden nicht aus Deutschland vertreiben und wir müssen dankbar sein, dass nach dem 2. Weltkrieg Juden in Deutschland geblieben oder sogar in dieses Land zurückgekehrt sind. Es waren die Juden, die den Deutschen nach 1945 vergeben haben und die uns die Hand reichten. Es sind unsere jüdischen Mitmenschen, die mit den Nachfahren derjenigen im selben Land leben wollen, die ihre Vorfahren millionenfach ermordet haben. Das sollte uns zutiefst beschämen und jeden einzelnen an unsere besondere Verantwortung erinnern: Wir haben jüdisches Leben in Deutschland zu schützen und zu fördern, das gilt für den Staat, aber auch für jeden einzelnen Deutschen.

Umso schlimmer ist es, dass in den letzten Jahren der Antisemitismus in Deutschland wieder auf dem Vormarsch ist, dass Jüdinnen und Juden ihren Glauben verstecken müssen, weil sie vor Übergriffen und Angriffen nicht sicher sein können. Es ist für mich erschütternd zu erleben, wie sehr sich Juden in Deutschland auch heute noch von Antisemiten und Rechtsradikalen bedroht fühlen müssen. Es ist schrecklich, dass Synagogen und Gemeindehäuser der jüdischen Gemeinde besonderen Schutz benötigen, weil die Gefahr von Anschlägen jederzeit aktuell und präsent ist. Was ist das für ein Leben, wenn Menschen ständig in der Angst leben müssen, dass sie Ziel antisemitischer und rechtsradikaler Angriffe werden können? Was macht das mit Kindern, Müttern und Vätern?

Es muss das Ziel einer zivilisierten Gesellschaft sein, dass nicht die Opfer in Angst und Schrecken, sondern die Täter in Furcht leben. In Furcht, dass sie vom Staat für ihren Antisemitismus, ihren Extremismus und vor allem für die verübten Gewalttaten zur Verantwortung gezogen werden. Die Entwicklung der vergangenen Jahre, in denen Gewaltstraftaten mit antisemitischem Hintergrund zunahmen, erfüllt mich mit großer Sorge. Der rechte Rand in unserer Gesellschaft radikalisiert sich. Dessen Gesinnung dringt immer stärker in die Mitte unserer Gesellschaft vor. Und unsere jüdischen Mitmenschen fühlen sich stärker bedroht als in früheren Jahren.

Jeder einzelne von uns ist dazu aufgerufen, dass jüdische Bürgerinnen und Bürger vor Ausgrenzung, vor Diskriminierung und vor Gewalt geschützt wer- den. Jeder einzelne von uns muss sensibilisiert werden, mit welchen vermeintlich harmlosen Äußerungen Antisemitismus beginnt. Es ist zutiefst beschämend, dass es immer noch keine Selbstverständlichkeit ist, dass unsere jüdischen Mitmenschen, die für dieses Land in den vergangenen Jahrhunderten einen so wesentlichen Beitrag geleistet haben, immer noch Ausgrenzungen, Anfeindungen und Gewalttaten ausgesetzt sind. Wie wir das beenden können, wie wir einem Alltags-Antisemitismus entgegenwirken können, das müssen wir gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden an einem runden Tisch diskutieren und wir müssen gemeinsam Lösungen und Strategien entwickeln. Daran mitzuwirken, ist mir eine Ehre und im Übrigen eine moralische Pflicht."