Jan Marcus Rossa zu TOP 43 + 54 "Verschwörungserzählungen stoppen"

Innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa

In seiner Rede zu TOP 43 + 54 (Mündlicher Bericht zu sogenannten Grundrechte- oder Hygienedemonstrationen in Schleswig-Holstein und Verschwörungserzählungen stoppen) erklärt der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:

„Die Debatte über die sogenannten Hygienedemonstrationen erfordert außerordentliches Fingerspitzengefühl, denn im Kern geht es auch und gerade um die Grundrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Die Forderung der SPD, Verschwörungserzählungen zu stoppen, ist verfassungsrechtlich außerordentlich sensibel, denn wir sollten peinlichst genau darauf achten, dass wir als Parlamentarier nicht den Eindruck vermitteln, der Staat entscheide darüber, welche Themen auf Demonstrationen gebilligt sind und ob eine Demonstration missbraucht wird oder nicht.

Darüber entscheidet nicht der Staat, sondern allein der Veranstalter. Erst wenn dieser sich missbraucht oder unterwandert fühlt, ist der Staat gefordert. Er hat dann dafür sorgen, dass eine Versammlung im Sinne des Veranstalters ungestört durchgeführt werden kann und vor Unterwanderung und Missbrauch geschützt wird. Wir müssen aufpassen, dass sich der Staat nicht zur Meinungspolizei aufschwingt und bestimmt, welche Meinungen zu billigen und welche zu missbilligen sind. Kritik muss der Staat aushalten, auch wenn diese unsachlich, dumm, plakativ oder schlicht abwegig ist. Solange sich Meinungsäußerungen in den Grenzen unserer Rechtsordnung bewegen, sollte sich der Staat zurückhalten.

Selbstverständlich können wir es nicht hinnehmen, wenn Demonstrationen genutzt werden, um zu Gewalttaten aufzurufen. Der Aufruf zum Widerstand gegen staatliche Maßnahmen, die massiv in unsere Grundrechte eingreifen, ist aber zunächst einmal nicht rechtswidrig, sondern wird von der Meinungsfreiheit gedeckt. Schwer erträglich ist es auch für mich, wenn auf Demonstrationen die ‚grundsätzliche Ablehnung unserer demokratischen Institutionen‘ propagiert wird. Aber auch hier müssen wir sehr genau hinschauen, ob es sich vielleicht nur um Kritik an den ‚demokratischen Institutionen‘ handelt, oder ob deren Abschaffung ernsthaft gefordert wird.

Das gilt entsprechend für die sogenannten Verschwörungserzählungen. Diese sind ja verfassungsrechtlich zunächst einmal zulässig und von dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Sie mögen noch so versponnen, irrwitzig oder schlichtweg dumm sein. Sie müssen von einer freien, demokratischen und rechtsstaatlichen Gesellschaft aber ertragen werden, solange sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Die Grenze des Zulässigen ist überschritten, wenn mit Verschwörungserzählungen zum Kampf gegen unser Staatswesen aufgerufen werden soll. Das können und wollen wir nicht dulden. Aber ansonsten schützt die Meinungsfreiheit irrwitzige Meinungen genauso wie die, die uns sachlich erscheinen.

Völlig inakzeptabel ist es, wenn Versammlungs- und Meinungsfreiheit missbraucht werden, um menschenfeindliches, rechts- oder linksextremistisches, rassistisches oder antisemitisches Gedankengut zu propagieren. Natürlich hat der Staat einzugreifen, wenn Straftaten begangen werden.

Eine vorschnelle Vorverurteilung von Demonstrationen und ihren Teilnehmern kann im schlimmsten Fall zu einer faktischen Beschneidung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit führen, wenn redliche Bürger von ihrem Demonstrationsrecht keinen Gebrauch machen wollen, weil sie eine Stigmatisierung befürchten müssen. Das heißt nicht, dass die Unterwanderung und der Missbrauch von Demonstrationen durch extremistische Strömungen tatenlos hinzunehmen ist. Die Entscheidung darüber, ob eine Demonstration ‚missbraucht‘ wird, obliegt zunächst allein dem Veranstalter und nicht dem Staat. Erst wenn sich ein Veranstalter gegen einen solchen Missbrauch, eine solche Unterwanderung zur Wehr setzen will, weil sein Demonstrationsziel verfälscht und gefährdet wird, ist es die Aufgabe des Staates, die berechtigten Interessen des Veranstalters zu schützen. Wenn wir dem Missbrauch von Demonstrationen durch extremistische Strömungen entgegenwirken wollen, brauchen wir zuallererst die Bereitschaft der Veranstalter, zusammen mit den Ordnungsbehörden dafür zu sorgen, dass ein Missbrauch unterbunden werden kann.“