Arbeitsmarkt/ Mindestlohn

Kay Richert zu TOP 11 „Armutsfester Mindestlohn"

Kay Richert

In seiner Rede zu TOP 11 (Armutsfester Mindestlohn) erklärt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

„Aus der Bundestagswahl 2009 kann man in der Nachschau eine Menge lernen. FDP, Linkspartei und Grüne hatten die jeweils besten Ergebnisse ihrer Parteigeschichte. Die SPD erreichte genauso viele Prozentpunkte wie Linkspartei und Grüne zusammen. Mir persönlich ist ein Plakat in Erinnerung geblieben, und zwar von der Linkspartei: ‚Reichtum für alle‘. Und 2009 haben wir den ersten Wettbewerb verschiedener Parteien darum erlebt, wer den höheren Mindestlohn fordert: Die SPD forderte 7,50 Euro je Stunde, die Grünen zogen gleich und die Linkspartei konterte. 2013 wollen SPD und Grüne 8,50 Euro die Stunde erreichen, die Linkspartei überbietet mit 10,00 Euro.

Dabei ist das Verfahren, wie die Höhe des Mindestlohns festgelegt wird, klug geregelt – klug deshalb, weil die Höhe des Mindestlohns in einer Kommission festgelegt wird, nicht auf dem politischen Basar der folgenlosen Versprechungen auf Kosten Dritter. Und in dieser Kommission sind sowohl die Arbeitgeber wie auch die Arbeitnehmer vertreten – also genau die Parteien, um die es geht und die die Ergebnisse tragen und ertragen müssen. Dies entspricht dem bewährten Prinzip der Tarifautonomie. Zusätzlich gehören der Kommission zwei Wissenschaftler in beratender Funktion an.

Nun fordert der SSW einen Mindestlohn von 13,00 Euro pro Zeitstunde und begründet das damit, dass Bundesarbeitsminister Heil 12,63 Euro gefordert hat. Um es deutlich zu sagen: Ich finde es bedenklich, wenn Politiker für den Effekt in unabhängige Gremien hineindirigieren wollen, egal ob es Herr Heil in Berlin oder der SSW in Kiel ist.

Was mich interessiert hätte: Sie fordern auch, die Ausnahmen nach §22 Mindestlohngesetz für Jugendliche und Langzeitarbeitslose zu streichen. Leider begründen sie diese Forderung nicht. In Bezug auf Jugendliche kann ich – unter ganz bestimmten, engen Voraussetzungen – Ihre Idee durchaus nachvollziehen. Das haben Kollege Knuth und ich selbst bereits hier im hohen Haus gesagt. Aber warum Langzeitarbeitslose? Was wollen Sie denn damit erreichen? Ist Ihnen nicht bewusst, dass einige Menschen nur so eine kleine Chance darauf haben, wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden? Selbst wenn ich diesem Antrag aus nachvollziehbaren Gründen nicht zustimmen kann: Auch ich finde nicht alles richtig, was auf dem Arbeitsmarkt passiert. Ich möchte nicht generell gegen das Aufstocken polemisieren, wie das viele tun. Es gibt Familienkonstellationen, in denen das zusätzliche Geld vom Amt richtig ausgegeben ist. Aber wenn ich höre, dass sich Geschäftsmodelle auf der ergänzenden Grundsicherung abstützen, dann geht das nicht. Wer ganztags arbeitet, soll auch ohne Stütze davon leben können.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten zu reagieren. Die eine ist zu lamentieren und zu reglementieren. Dieser Antrag stammt aus dieser Denkschule. Nachdem wir uns gegenseitig versichert haben, wie furchtbar alles ist (lamentieren), suchen wir einen Schuldigen, der das Problem für uns löst (reglementieren). Es gibt aber noch eine andere Art, das Problem anzugehen. Man kümmert sich um hochwertigere, besser entlohnte Arbeitsplätze. Das wäre übrigens auch ein Konjunkturprogramm für die Gewerkschaften und das wiederum ein Beschleuniger dafür, dass möglichst viele Menschen am allgemeinen Wohlstand teilhaben können, was wiederum ist die Grundlage für einen allgemeinen, breiten Aufschwung wäre. Ich finde das gut. Ich habe hier ja noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich starke Gewerkschaften für wichtig halte.

Ja, wir haben in Schleswig-Holstein aktuell vergleichsweise wenige hochwertige, besser entlohnte Arbeitsplätze. Sie von der SPD sprechen ja immer vom deutschen Lohnkeller. Und das nach vielen, vielen Jahren – ohne Zweifel gut gemeinter – sozialdemokratischer Politik. Dem kann man entgegen wirken, zum Beispiel mit einer Industriestrategie oder mit einer Ansiedlungsstrategie, wie sie das Wirtschaftsministerium derzeit vorantreiben. Aber die Versäumnisse von 20 Jahren holt man nicht in 5 Jahren auf.

Grundsätzlich weiß doch jeder, wie es geht: Wirtschaftsfreundlich sein, Steuern und andere Abgaben überprüfen und wenn möglich senken, Verwaltungsverfahren zuverlässig beschleunigen, Bürokratie und Gängelung abbauen, Dienstleistungsmentalität in Politik und Verwaltung leben.

Und bevor Sie vom SSW jetzt dagegen sind: Ich empfehle Ihnen einen Artikel des Nordschleswiger vom Montag. In der Region Nordschleswig tut man genau das, sehr erfolgreich übrigens. Laut dem Artikel Ist Nordschleswig dabei, Schleswig-Holstein abzuhängen – wer hätte das vor 30 Jahren gedacht.

Um die Höhe des Mindestlohns kümmert sich die unabhängige Mindestlohnkommission, und zwar unabhängig. Das ist gut so, und das soll auch so bleiben. Wir machen gemeinsam bessere Wirtschaftspolitik. Schaffen wir hochwertigere, besser entlohnte Arbeitsplätze – dann ist Schleswig-Holstein nicht mehr Lohnkeller und Mindestlohn kein Thema mehr.“