Kay Richert zu TOP 13 „Gute Löhne und Arbeitsstandards sichern“

Abgeordneter Kay Richert

In seiner Rede zu TOP 13 (Mit verstärkter Tarifbindung gute Löhne und Arbeitsstandards sichern!) erklärt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

„Als ich Ihren Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt: Warum stellt der Kollege diesen Antrag? Man könnte diesen Antrag ja auch umformulieren in ‚Wiedereinführung des gescheiterten Tariftreue- und Vergabegesetzes TTG‘. Haben Sie vielleicht gar nicht mitbekommen, dass dieses Gesetz Murks war? Und dass es ein Aufatmen im Land gab, als wir dieses Gesetz beendet haben? Warum bescheren Sie uns hier diesen Wiedergänger-Antrag?

Ich möchte Ihnen das gerne noch einmal ins Gedächtnis rufen: Das TTG ist gescheitert, niemand hat sich an die Regelungen gehalten – und zwar nicht, weil es niemand wollte, sondern weil es faktisch nicht möglich war. Kleine und mittlere Unternehmen waren benachteiligt, weil sie aufgrund der komplexen und unübersichtlichen Anforderungen oft gar nicht erst an öffentlichen Ausschreibungen teilgenommen haben. Das war übrigens das ernüchternde Ergebnis Ihrer eigenen Evaluation, die als einzigen logischen umsetzbaren Schluss die Abschaffung des Gesetzes ließ.

Schleswig-Holstein ist ein Land des Mittelstandes und wir wollen es zum mittelstandsfreundlichsten Bundesland machen. Es gibt rund 123.000 Betriebe, davon sind über 99 Prozent kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten. In Schleswig-Holstein gibt es rund eine Million sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, drei Viertel davon arbeiten im Mittelstand. Der Mittelstand bietet die meisten Ausbildungsplätze an, hier findet die Integration junger Menschen in das Arbeitsleben statt. Wir wollen doch die heimische, mittelständische Wirtschaft fördern – warum sollten wir mit Werkzeugen wie dem TTG Großunternehmen und Konzerne privilegieren?

Das TTG hat auch die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht. 2013 bis 2019 galt dieses Gesetz in Schleswig-Holstein: Hat sich in dieser Zeit die Tarifbindung erhöht? Nein, hat sie nicht. Nach Untersuchung der Böckler-Stiftung ist die Tarifbindung unter den Beschäftigten von 2013 bis 2017 von 29 auf 28 Prozent gesunken, die der Betriebe von 55 auf 52 Prozent. Die Böckler-Stiftung ist nicht verdächtig, gegen Gewerkschafts- oder Arbeitnehmerinteressen zu argumentieren. Das TTG hat die mittelständischen Betriebe im Land benachteiligt. Das TTG hat die öffentliche Vergabe gelähmt. Das TTG war ein Misserfolg. Wir haben die Situation für die mittel-ständischen Betriebe in Schleswig-Holstein merklich verbessert. Das TTG mit seinen vielen Regelungen und noch mehr Formblättern haben wir durch ein einfaches und gerechtes Gesetz ersetzt, das in 6 Paragrafen die Vergabe öffentlicher Aufträge regelt. Und weitere Anforderungen sind nicht aus-geschlossen, die Vergabestellen können zu den jeweiligen Verfahren passende Bedingungen hinzuformulieren. Im Koalitionsvertrag haben wir Jamaikaner vereinbart, auf umweltbezogene und innovative Aspekte zu setzen und soziale Standards und Nachhaltigkeitskriterien einzuhalten. Selbst den vergaberechtlichen Mindestlohn – über dessen Sinnhaftigkeit man ja nun wirklich streiten kann – haben wir belassen. Da wissen die Unternehmen, woran sie sind. Und gerade für kleine und mittlere Unternehmen, für den Mittelstand gilt: Nur dann, wenn die Unternehmen erfolgreich sind, können die Mitarbeiter an diesem Erfolg teilhaben.

Die SPD versucht hier auf allen möglichen Wegen, die Tarifbindung zu er-höhen. Auch das ist irgendwie ein Wiedergänger. Und – ich habe das hier bereits mehrfach gesagt – dieses Ziel teile ich ausdrücklich. Für mich sind starke Gewerkschaften der Garant dafür, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am wirtschaftlichen Erfolg angemessen teilhaben und das wiederum ist eine Frage des sozialen Friedens. Nicht einig bin ich mir in der Art der Umsetzung. Nicht eine Abschaffung der Tarifautonomie oder eine generelle Überstülpung von Regelwerken sind das Mittel der Wahl, den Gewerkschaften ihre Größe wiederzugeben. Diese Aufgabe können die Gewerkschaften nur aus sich selbst heraus erledigen: Die Beschäftigten müssen in der Mitgliedschaft einen Mehrwert erkennen. Sie müssen wissen, was sie von einer Mitgliedschaft haben. Ich biete hier gerne noch ein-mal ausdrücklich unsere Hilfe an. Aber Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie durch staatliche Regelung zu ersetzen – das machen wir nicht mit.

In der volkstümlichen Literatur gibt es viele Rezepte, wie mit Wiedergängern umzugehen ist. Bei dem Wiedergänger-Antrag der SPD setze ich hier auf das Mittel des Arguments und die aus der Erfahrung gewonnenen Ein-sicht, dass die Abschaffung des TTG zugunsten eines einfachen und gerechten Vergabegesetzes für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, also für die gesamte Wirtschaft ein Segen war.“