Kay Richert zu TOP 49 u.a. „Anträge zu Wirtschaftshilfen in der Corona-Pandemie“

Abgeordneter Kay Richert

In seiner Rede zu TOP 49 + 50 + 51 + 52 (Bericht und Anträge zu Wirtschaftshilfen in der Corona-Pandemie) erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

„Die Corona-Krise ist die wohl schwerste Krise der Nachkriegszeit. Neben den medizinisch-gesundheitlichen Herausforderungen erleben wir eine handfeste Wirtschaftskrise. Wie tief die Bremsspuren sein werden, können wir wahrscheinlich noch gar nicht abschließend sehen. Umso wichtiger war es, dass wir als Staat sofort gehandelt haben, um unsere Betriebe zu unterstützen und umso wichtiger ist es, dass wir die Unterstützung planvoll weiterführen.

Über die Soforthilfe I des Bundes für kleine Betriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern, Freiberufler und Soloselbständige wurden knapp 395 Millionen Euro an Zuschüssen ausgezahlt, jedes zweite dieser Unternehmen hat diese Hilfe beantragt. Das war für Schleswig-Holstein mit seiner kleinteiligen Wirtschaftsstruktur eine sehr wichtige Maßnahme. Mit mehr als 55 Millionen Euro aus der Soforthilfe II des Landes wurden Unternehmen unter-stützt, die zwischen 11 und 50 Mitarbeiter beschäftigen. Mit unserem Mittelstandssicherungsfonds, auch ein Darlehensprogramm, haben wir besonders die gastronomischen und touristischen Betriebe im Land gestützt. Ins-gesamt haben Bund und Land hier mehr als 600 Millionen Euro an Hilfen an die schleswig-holsteinischen Betriebe ausgegeben. Zusätzlich gab es die Möglichkeit, kurzfristig Liquidität über Darlehensprogramme der KfW zu sehr attraktiven Bedingungen zu bekommen.

Das sind schwindelerregende Zahlen. Und dennoch konnten wir nicht allen helfen und dennoch sind die Opfer der Betriebe und von Unternehmerinnen und Unternehmern groß. Mit den Zuschüssen und Darlehen wurden nämlich nur die Betriebskosten bezuschusst. Teile der fixen Kosten und der Unter-nehmerlohn mussten aus Rücklagen oder privaten Krediten bestritten wer-den. Das hat viele an die Grenzen ihrer Existenz gebracht. Auch wenn wir die Krise noch nicht hinter uns haben: Nun wird es Zeit, sich Gedanken um den Restart zu machen. Es gilt, verschiedenen Fragen nachzugehen: Wo sind ungelöste Probleme? Was brauchen die Betriebe, um wieder starten zu können? Wo müssen die Schwerpunkte einer zukunftswirksamen Wirtschaftspolitik sein?

Ein Problem, das aus dem Corona-Shutdown folgt, ist eine Unsicherheit bei der beruflichen Ausbildung. Natürlich haben die Betriebe ihre Zukunft im Blick und zu dieser Zukunft gehört auch der Nachwuchs an Arbeitskräften. Aber viele Betriebe sind sich nicht sicher, ob sie die Kosten einer Ausbildung zuverlässig über die gesamte Lehrzeit tragen können. Das macht sich in der Zahl der ausgeschriebenen Lehrstellen bemerkbar. Dazu kommt: Viele Jugendliche sind beruflich nicht orientiert, weil Schulen geschlossen waren und Messen, Beratungs- und Berufsorientierungsprogramme weggefallen sind. Das hat leider dazu geführt, dass sich einige nicht um einen Aus-bildungsplatz beworben haben. Zudem fanden Vorstellungsgespräche auf-grund des Kontaktverbots teilweise gar nicht statt. Beide Effekte führen dazu, dass die Zahl der geschlossenen Ausbildungsverträge um etwa acht Prozent zurückgegangen ist. Der Arbeitskräftemangel wird nach der Corona-Krise ebenso aktuell sein wie davor. Es ist daher wichtig, dass der Nachwuchs weiterhin ausgebildet wird, die Ausbildungsprämie von 2000 bis 3000 Euro für Betriebe unter 250 Mitarbeitern kann da eine Hilfe sein.

Weitere ungelöste Probleme gibt es bei den Betrieben, die aus irgendwelchen Umständen von den bisherigen Hilfsprogrammen nicht erfasst werden oder wo diese Programme nicht ausreichen. Hier wird es die Überbrückungshilfen des Bundes geben, aber auch das Land wird einen Härtefall-fonds einrichten. Was brauchen die Betriebe, um wieder starten zu können?

Verlässlichkeit und einen regulatorischen Rahmen, der Luft zum Wirtschaften lässt. Und hier haben wir durchaus Verbesserungspotential. So gehört zur Verlässlichkeit ein funktionierendes Planungsrecht. Die Betriebe im Land müssen sich darauf verlassen können, dass Straßen und Brücken gebaut werden, dass Schienenanbindungen erstellt werden, dass die Versorgung mit Strom und Breitband funktioniert. Das Einzige, worauf man sich beim aktuellen Planungsrecht verlassen kann, ist leider die Unberechenbarkeit der Zeitplanung und die Explosion der Kosten. Wir brauchen deswegen ein Planungsrecht mit Stichtagsregelungen und einer präklusiven Ein-bindung aller am Verfahren Beteiligten. Die Zeit ist eindeutig reif dafür. Außerdem brauchen wir eine zügige und zeitnahe Reform regulatorischer Instrumente und gesetzlicher Vorgaben als Grundlage einer zukunftswirk-samen Wirtschaftsentwicklung. Dazu gehören die Anpassung, bzw. Ab-schaffung von bremsenden Regeln wie etwa dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, aber auch die simple Entbürokratisierung des Betriebsalltags. Die zentrale Abfrage von statistischen Daten – zum Beispiel über eine Plattform, auf die alle Behörden zugreifen können – wäre einfach und schnell umzusetzen, würde die Betriebe aber enorm entlasten.

Wo müssen die Schwerpunkte einer zukunftswirksamen Wirtschaftspolitik also sein? Hier geht es um Konjunkturprogramme und bestehende Förder-programme und um die Frage, inwieweit eine verantwortungsvolle Wirtschaftsförderung das Wohl der Menschen in den Fokus nehmen muss oder Spielfeld politischer Umgestaltung sein darf. Wir von der FDP meinen: Konjunkturprogramme müssen zukunftswirksam gestaltet sein. Kaufprämien sind nicht zukunftswirksam. Das Ergebnis eines Konjunkturprogramms muss echte Wertschöpfung sein, es muss den Menschen danach messbar besser gehen als vorher. Bevor wir über die Ausrichtung von Konjunktur-programmen entscheiden, müssen wir uns leitende Fragen stellen: Welche Grundlagen müssen geschaffen werden, um es Menschen und Unternehmen möglich zu machen, erfolgreich zu wirtschaften? Welche Bereiche müssen besonders vorangebracht werden, weil wir als Gesellschaft ein besonderes Interesse daran haben? Welche Bereiche müssen besonders vorangebracht werden, weil deren positive Effekte auch in andere Bereiche ausstrahlen? Das Konjunkturpapier der Jamaika-Koalition beantwortet die-se Fragen in vier Punkten:

1.            Das Schaffen finanzieller Grundlagen, denn wir wollen so stark wie möglich von den Bundesprogrammen profitieren. Wo es nötig ist, wer-den wir mit Landesmitteln flankieren, unterstützen oder ergänzen.

2.            Die Unterstützung unserer Kommunen, denn hier werden die maßgeblichen Dienstleistungen für Menschen und Unternehmen bereitgestellt.

3.            Investitionen in Innovationen, Technologien, Digitalisierung und Klima-schutz, weil wir die Zukunftsfähigkeit unseres Landes stärken wollen. Dazu gehören Vorhaben in den Bereichen Energie und Mobilität, aber auch die Digitalisierung. Mit einer zügigen Digitalisierung von Verwaltungsdienstleistungen und im Rechtswesen können wir einen erheblichen Beitrag zur Modernisierung unserer Strukturen leisten.

4.            Die Unterstützung unserer schleswig-holsteinischen Wirtschaft, indem Bundes- und EU-Programme kofinanziert und eigene Mittel aufgewendet werden. Eine weitere Möglichkeit der Unterstützung ist es, öffentliche Aufträge vorzuziehen, zum Beispiel im Schiffbau. Da gab es von der SPD einen guten Vorschlag, aus dem wir mit ein paar Ergänzungen einen gemeinsamen Antrag verhandeln konnten.

Darüber hinaus gibt es aktuell eine Diskussion darüber, ob die globalisierten Lieferketten nationalisiert werden sollten, also ob die Produktion von Teilen und Fertigprodukten zurückverlagert werden sollte nach Deutschland oder in die EU. Wir sollten uns dieser Diskussion stellen und nüchtern anhand von Fakten entscheiden, ob hier Chancen für Schleswig-Holstein liegen.

Die Corona-Krise ist nicht vorbei, gerade wirtschaftlich stehen wir erst am Anfang von Konsolidierung und Wiederaufbau. Es ist deswegen wichtig, dass wir bedacht, aber beherzt die Aufgaben anpacken, die uns diese Zeit stellt. Ich bedanke mich bei der Landesregierung für ein ausgezeichnetes Krisenmanagement und bei den Freunden der Jamaika-Koalition für den Zusammenhalt und den Spirit. Jamaika tut dem Land gut.“