„Mit ihrem Antrag ‚Pluralismus im Nahrungsmittelangebot öffentlicher Kantinen‘ serviert uns die CDU-Fraktion einen wahren Leckerbissen. Es wurde bereits überregional über diesen tierischen Antrag berichtet und das Ganze hat sich für die Union im Schweinsgalopp zum Wurst-Case-Szenario entwickelt. Daran hat auch nichts geändert, dass die CDU-Fraktion ihren Ursprungsantrag nach einem Tag nochmal modifiziert und in einer neuen Version in der Überschrift das Wort ‚Ideologie‘ gestrichen hat – hier könnte man allenfalls von Salamitaktik reden.
Ja, der Antrag verleitet zu Spott und Wortspielen – aber auch die sachliche Auseinandersetzung mit dem konkreten Wortlaut dürfte es für die Antragsteller nicht besser machen.
Der Wortlaut des Antrages läuft darauf hinaus, dass die Landesregierung zum Handeln aufgefordert wird, sich für das Schweinefleisch-Angebot in öffentlichen Kantinen einzusetzen. Im Ergebnis geht es also um eine – zumindest moralische – Pflicht zum Schweinefleischangebot. Sprich: Die gewünschte ‚Pluralität‘ würde quasi das Schweinefleisch ausklammern, weil dieses von den Kantinen nicht freiwillig abgelehnt werden darf, sondern vielmehr auf dem Speiseplan gesetzt ist. Somit ist der letzte Satz des Antrages (‚Toleranz bedeutet in einer pluralistischen Gesellschaft auch die Anerkennung und Duldung anderer Esskulturen und Lebensweisen.‘) eigentlich gegen die CDU-Initiative selbst gerichtet.
Man kann es aber auch anders interpretieren: Im letzten Satz fordert die CDU von den Muslimen, Vegetariern etc. diejenige Toleranz, die die CDU in den vorangegangen Sätzen den Muslimen, Vegetariern etc. selbst nicht entgegenbringt.
Fraglich ist übrigens auch, was aus dem Antrag formal folgen soll, wenn er eine Mehrheit im Landtag bekommen würde. Hier wäre dann vieles möglich.
Möglichkeit 1: Ein Informationspapier als Teil einer Kampagne der Landesregierung an die öffentlichen Kantinen. Inhalt dieses Flyers: ‚Liebe Kantinenbetreiber, liebe Köche, der Landtag würde sich freuen, wenn Sie Schwein anbieten würden. Machen Sie was draus. Guten Appetit, Ihre Landesregierung‘.
Möglichkeit 2: Eine Verordnungsregelung, sprich eine ‚Schweineverordnung‘.
Möglichkeit 3: Eine gesetzliche Regelung im Kita- und Schulgesetz.
Im Extremfall wäre ja sogar eine verfassungsrechtliche Verankerung denkbar. Eine Staatszielbestimmung oder sogar ein ‚Grundrecht auf Schweinefleisch‘.
Aber da der Antrag keine Mehrheit im Landtag bekommen wird, komme ich nun zu einem anderen Aspekt. Unklar ist bis jetzt, wie viele der öffentlichen Kantinen in Schleswig-Holstein, die Schweinefleisch grundsätzlich nicht anbieten, dies aus Rücksicht auf religiöse Belange tun. Hiervon hängt doch auch die Relevanz einer entsprechenden Forderung ab, liebe Christdemokraten.
Im Übrigen ist der Antrag auch sprachlich nicht zustimmungsfähig. Der Halbsatz, ‚dass eine Mehrheit aus falsch verstandener Rücksichtnahme in ihrer freien Entscheidung überstimmt wird‘, ist unter logischen Gesichtspunkten barer Unsinn. Eine Mehrheit kann von einer Minderheit nicht überstimmt werden. Ganz praktisch: Ein Freund des Schweinefleischs, der selbiges in seiner Kantine nicht bekommt, sucht sich sicherlich andere Quellen, falls sich sein Wirt weiter vehement gegen das Schnitzel wehren sollte.
Mein Fazit: Der Versuch der CDU, jetzt so zu tun, als würde sie mit diesem Antrag gerade zur kulinarischen Pluralität beitragen wollen, ist eine intellektuelle Beleidigung all jener, die lesen können. Wenn die Verteidigung des Abendlandes auf dem Kantinenteller stattfinden soll, dann kann das nicht nur peinlich werden – sondern auch populistisch. Wenn der Antrag wirklich ein Beitrag zur Integrationspolitik sein soll, dann ist es für die CDU wirklich noch ein sehr langer Weg hin zu einer Partei für die urbanen Räume.
Für die FDP-Landtagsfraktion steht fest: Vielfalt und Freiheit schmecken besser als Vorschriften. Es ist Zeit für einen Tellerfrieden.“