Schleswig-Holstein/ Residenzpflicht

Wolfgang Kubicki: Die Union gibt das Zeichen aus, dass sie eine gewisse Rückständigkeit zelebriert

„Das Beamtenrecht kennt eine abgeschwächte Form einer Residenzverpflichtung. So finden wir in § 92 Bundesbeamtengesetz folgenden Passus:


‚Beamtinnen und Beamte haben ihre Wohnung so zu nehmen, daß die ordnungsgemäße Wahrnehmung ihrer Dienstgeschäfte nicht beeinträchtigt wird.‘

 

Die uneingeschränkte Wahrnehmung der Dienstgeschäfte durch die Minister Alheit, Ernst und Meyer ist in diesem Fall, den die CDU jedenfalls in ihren öffentlichen Stellungnahmen moniert, aber unstrittig, denn Hamburg liegt näher am Dienstort der Minister als andere Orte in Schleswig-Holstein, z.B. Sylt. Von einem möglichen Ministerpräsidenten Liebing würde die CDU aber nie fordern, dass er seinen Wohnort verlässt und näher an die Landeshauptstadt zieht, um seine Dienstgeschäfte besser wahrnehmen zu können.

 

Der vorliegende Gesetzentwurf ist so zu verstehen, dass es aus Sicht der Union den in Hamburg lebenden Ministern angeblich an Verständnis für schleswig-holsteinische Themen mangelt.

 

In der Pressemitteilung des Fraktionsvorsitzenden Daniel Günther vom 27. Mai lesen wir in indirekter Rede:

 

‚Bei den Ministern Alheit, Ernst und Meyer sei auch zu spüren, dass ihnen bei vielen schleswig-holsteinischen Themen das Herzblut fehle.‘

 

Hier stellen sich aber die folgenden Fragen: Ist „Herzblut“ vom Wohnort abhängig? Haben Minister, die beispielsweise in Schleswig-Holstein geboren wurden und viele Jahre dort gelebt haben, deshalb weniger ‚Herzblut‘ und Verständnis für die Probleme der Menschen im Land, wenn sie irgendwann nach Hamburg gezogen sind? Kann man ‚Herzblut‘ und Identifikation mit dem Land per Gesetz verordnen?

 

Vor dem Hintergrund der bisherigen Aktivitäten der CDU auf diesem Gebiet ist das in höchstem Maße inkonsistent – und es entsteht der Verdacht, dass es der CDU nicht um die konkrete Sache geht, sondern um eine parteipolitische Instrumentalisierung einer Verfassungsänderung. Hier sei nur gesagt: Mit Verfassungsrecht spielt man nicht!

 

Denn: Wie viel Herzblut hatte Werner Marnette, der sich als Hamburger und schleswig-holsteinischer Landesminister in der gleichen Situation befunden hat? Wie viel Heimatliebe zu Schleswig-Holstein konnte Volker Rühe vorweisen, der als Hamburger Direktkandidat im Bundestag schleswig-holsteinischer Ministerpräsident werden wollte?

 

Die von der Union so gepriesene ‚Heimatverbundenheit‘ war wohl weniger Antrieb für diese sinnentleerte Initiative, vielmehr gibt die Union das Zeichen aus, dass sie eine gewisse Rückständigkeit zelebriert. Der Weg zu einer Partei für die urbanen Räume ist für die CDU in Schleswig-Holstein offensichtlich noch sehr weit.

 

Grundsätzlich: Warum macht es die CDU zu ihrem Problem, dass die schleswig-holsteinische SPD zu wenige ministrable Persönlichkeiten in ihren Reihen hat? Wir sollten vielmehr Torsten Albig dankbar dafür sein, dass er sich zumindest darum bemüht hat, besseres Personal von außen zu bekommen. Ob diese Bemühung jedoch von Erfolg gekrönt war, kann jeder für sich selbst bewerten.

 

Abschließend: Es ist durchaus wahrscheinlich, dass die CDU mit dieser Initiative verfassungsrechtliche Belange berührt – denn gerade im Fall des Ehepaars Ernst/Scholz könnte die beiderseitige landesverfassungsrechtliche Verpflichtung zum Wohnungswechsel gegen den grundgesetzlichen Schutz von Ehe und Familie verstoßen (Art. 6 GG Abs. 1: ‚Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.‘)

 

Sprich: Das Zusammenspiel beider Verfassungen könnte in diesem besonderen Punkt grundgesetzwidrig sein. Das ist für mich deshalb so bemerkenswert, weil ich bislang noch der Ansicht war, dass sich die Union immer für den Schutz von Ehe und Familie eingesetzt hat.“