Innen/Asylpolitik

Wolfgang Kubicki: Schnelles Anerkennungsverfahren ist zwingende Voraussetzung für Integration

„Ein schnelles Anerkennungsverfahren ist die zwingende Voraussetzung für das Gelingen von Integration. Es ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Eingliederung in den Arbeitsmarkt, was wiederum nicht nur für Integration der Flüchtlinge selbst, sondern auch für eine Entlastung der Aufnahmegesellschaft entscheidend ist. 

 

Der Rückstau unbearbeiteter Asylanträge beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt inzwischen bei rund 330.000. Und trotz wiederholter Ankündigungen ist nicht abzusehen, wann das BAMF in der Lage sein wird, diesen Stau abzuarbeiten. Vielmehr ist es zu erwarten, dass allein im Jahr 2015 die Zahl der unbearbeiteten Anträge auf 500.000 ansteigen wird. Im europäischen Vergleich ist der Bearbeitungsstau in Deutschland damit einmalig. Schon Ende Juli 2014 war der deutsche Bearbeitungsstau wesentlich größer als der aller anderen Staaten.

 

Genauso katastrophal sieht es bei der Dauer der Anerkennungsverfahren aus. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Antrags liegt bei 5,4 Monaten. 5,4 Monate ab Antragstellung. Nicht eingerechnet ist hier die Zeit zwischen Ankunft in einem Erstaufnahmelager und der Stellung des Antrags beim BAMF.   

 

Dabei liegt in Schleswig-Holstein selbst der Zeitraum zwischen Registrierung eines Asylsuchenden und der Antragstellung derzeit bei circa 8 Monaten. Bis zur Registrierung kann zudem noch ein Monat vergehen. Das heißt, dass ein Asylverfahren in Deutschland im Regelfall über ein Jahr dauert. Ein Jahr, in dem Energie und Initiative der Asylbewerber faktisch still gelegt sind.

 

Genau hier setzt der Entwurf an. Das Gesetz soll dabei helfen, individuelle Asylverfahren zu vermeiden und stattdessen jeden, der aus den betroffenen Bürgerkriegsgebieten kommt, zum zumindest vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigen. Eine vergleichbare Regelung existiert bereits auf europäischer Ebene; sie kann im deutschen Recht aber nicht angewandt werden, weil dann alle Mitgliedstaaten Flüchtlinge aufnehmen müssten, einige hierzu aber nicht bereit sind.

 

Durch den vorübergehenden humanitären Schutz erhalten die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak einen sofortigen gesicherten Aufenthaltsstatus, ferner sofortigen Zugang zu Integrationskursen und die sofortige Arbeitserlaubnis ohne Vorrangprüfung. Der Familiennachzug wird jedoch durch Befristung eingeschränkt.

 

Flüchtlinge aus diesen beiden Ländern stellen inzwischen einen Großteil aller Asylbewerber. Schon seit Monaten ist Syrien bei den Erstanträgen das am stärksten vertretene Herkunftsland. Allein im November wurden fast 30.000 Erstanträge von syrischen Flüchtlingen gestellt. Der Irak mit rund 4.500 Anträgen stand an dritter Stelle.

 

In Schleswig-Holstein sieht es nicht anders aus.

 

Von derzeit 330.000 anhängigen Erstverfahren entfallen fast 100.000 Anträge auf Syrien (74.875 Personen) und den Irak (19.064 Personen). Rund ein Drittel der Asylanträge entstammt also von Flüchtlingen mit sicherer Bleibeperspektive. Die Gesamtschutzquote von Syrern etwa liegt bei rund 95 Prozent.

 

Und obwohl es nahezu sicher ist, dass diesen Menschen der Flüchtlingsstatus nach den Genfer Konventionen oder jedenfalls subsidiärer Schutz gewährt wird, lassen wir sie über ein Jahr untätig in den Flüchtlingsunterkünften und behindern damit ihre Integration.

 

Genau das soll mit der Gewährung des vorübergehenden Schutzes geändert werden. Der Grundrechtsanspruch auf Asyl bleibt dabei voll erhalten. Begonnene Asylverfahren werden aber für die Zeit des vorübergehenden humanitären Schutzes nicht weitergeführt. Ist der maximale Schutzzeitraum von drei Jahren erreicht, können sie wieder aufgenommen werden.

 

Damit ist der vorübergehende Schutz vor allem auch gegenüber den Plänen des Bundesinnenministers, Syrern zukünftig nur noch subsidiären Schutz zu gewähren, vorzugswürdig. Hier müssten syrische Flüchtlinge ihr Asylgesuch wieder einzeln mündlich beim BAMF darlegen, so dass sich der Stau der Anträge im BAMF weiter vergrößern würde. Zudem müssten die Behörden bereits nach einem Jahr wieder prüfen, ob die Person noch subsidiär schutzberechtigt ist.“