Innen/Terrorismus

Wolfgang Kubicki: Wir brauchen eine Stärkung unserer Sicherheitsbehörden

„Nach Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz hat der islamistische Terrorismus in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich mehr Sympathisanten gewonnen. Die aktuellsten Zahlen, die auf der Internetseite des BfA zu finden sind, zeigen uns, dass allein der Salafismus seine Anhängerschaft zwischen 2011 und 2015 von 3.800 auf 7.500 fast hat verdoppeln können.

 

Wir wissen mittlerweile, dass bereits Kinder Ziel von entsprechenden Anwerbungsversuchen sind. Dies geschieht durch direkte Ansprache, durch langangelegte religiöse Missionierung – aber auch durch Propaganda im Internet. Wenn wir erleben, dass Islamisten so weit gehen und einen Zwölfjährigen zu einem Bombenanschlag auf einen Weihnachtsmarkt animieren, ist dies ein Alarmsignal für uns alle.

 

Aber nicht nur Kinder werden frühzeitig für den islamistischen Terrorismus angeworben – auch in Justizvollzugsanstalten stellen wir Bestrebungen fest, Menschen für terroristische Aktivitäten in Deutschland oder anderswo zu gewinnen. Mehrere Attentäter der Anschläge von Paris und Kopenhagen wurden in Gefängnissen radikalisiert.

 

Es ist unsere Aufgabe, alles rechtsstaatlich Erforderliche und Mögliche tun, um solche Anschläge zu verhindern. Das bedeutet auch: Mehr Prävention. Der wehrhafte Rechtsstaat darf nicht hinnehmen, dass in seiner Obhut solche Radikalisierungen stattfinden.

 

Niedersachsen kann hier beispielgebend sein: Das niedersächsische Justizministerium hatte im Jahre 2015 auf die Anschläge in Dänemark und Frankreich reagiert und die „Arbeitsgruppe islamistische Radikalisierung“ gegründet. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe ist die Sichtung, Überprüfung und Entwicklung von Strategien und Handlungsempfehlungen gegen islamistische Radikalisierung – in den Bereichen Strafverfolgung, Justizvollzug und Prävention.

 

Um zu verstehen, wie entsprechende Anwerbeversuche in unseren Gefängnissen stattfinden und wie wir ihnen wirksam begegnen können, wäre es sinnvoll, wenn wir uns eingehender mit diesem Projekt auseinandersetzen.

 

Wir brauchen außerdem eine bessere personelle und sächliche Ausstattung des Landesverfassungsschutzes. Es ist kein Ausweis einer verantwortungsgeleiteten Sicherheitspolitik, wenn wir – wie in der Vergangenheit – vorrangig auf geheimdienstliche Informationen aus dem Ausland angewiesen sind, um terroristische Angriffe bei uns zu vereiteln. Unser Verfassungsschutz muss auch wirklich in die Lage versetzt werden, seine Arbeit leisten zu können.

 

Und wir müssen bei Gefährdern elektronische Aufenthaltsüberwachung ermöglichen, auch bei nur vorbereitenden Handlungen im Bereich des Terrorismus.

 

Vor dem Hintergrund der Diskussion über die anlasslose Vorratsdatenspeicherung heißt das konsequenterweise: Wir brauchen mehr gezielte Informationen über die wenigen Gefährder – und nicht mehr Zufallsdaten von allen anderen.

 

Den Kampf gegen den Terrorismus können wir nur erfolgreich bestreiten, wenn wir einerseits auf eine Stärkung unserer Sicherheitsbehörden setzen – und andererseits die präventive Arbeit vorantreiben. Hierfür müssen wir nicht nur bereits bestehende Programme verstetigen. Es ist außerdem unerlässlich, dass wir mithilfe einer wissenschaftlichen Studie besser verstehen lernen, warum sich Menschen für die religiöse Radikalisierung entscheiden und wie wir dem mit geeigneten Maßnahmen begegnen können.

 

Wenn es uns gelingt, die in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegenen Sympathisanten-Zahlen wieder signifikant zurückzuführen, dann ist das ein deutliches Zeichen auch in Richtung der Terroristen, dass der wehrhafte Rechtsstaat die Oberhand behält.“