Innen/ Integration

Wolfgang Kubicki: Wir dürfen die Missachtung unserer Rechtsordnung nicht belohnen

„Ich will es vorweg ganz deutlich sagen, das von Ihnen geplante Ausreisezentrum ist ein guter Schritt in die richtige Richtung, und die FDP-Fraktion wird Sie in dieser Sache auch grundsätzlich unterstützen.

 

Wir erwarten aber auch, dass die Pläne konsequent umgesetzt werden und das Ausreisezentrum praxisgerecht ausgestattet wird. Die bestehenden Vollzugsdefizite werden nämlich sicherlich nicht abgebaut, wenn es hier am politischen Willen fehlt. Und es ist zumindest bemerkenswert, dass beim Dezernat ‚Rückkehrmanagement‘ des LfA über ein Drittel der Stellen unbesetzt sind.

 

Liebe Koalitionäre, zu Ihrem Änderungsantrag: Der Innenminister errichtet ein Ausreisezentrum - spät, aber immerhin - und Sie bekommen ein moralisches Dilemma und drehen hier Rechtfertigungspirouetten.

 

Es entsteht ein bisschen der Eindruck, dass Sie solche Anträge vor allem für sich selbst, quasi zur Vergewisserung Ihrer moralischen Integrität, schreiben. Wir können uns hier gerne alle zu einer humanitäreren Flüchtlingspolitik bekennen. Das Problem scheint mir aber zu sein, dass wir unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was das ist. Für mich zählt dazu in erster Linie die konsequente Anwendung der Gesetze, rechtsstaatliche Verfahren und rechtmäßiges behördliches Handeln.

 

Und wenn Sie schreiben, "dass Abschiebungshaft mit dem schleswig-holsteinischen Bekenntnis zu einer humanitären Flüchtlingspolitik grundsätzlich nicht vereinbar ist", die Abschiebehaft und auch die Ausübung von Zwang aber in unserem Rechtsstaat ausdrücklich erlaubt sind, dann desavouieren Sie rechtsstaatliches Verwaltungshandeln als inhuman.

 

Ich will auch, dass jede Abschiebung so schonend wie möglich abläuft. Und natürlich sind freiwillige Ausreisen auch besser als zwangsweise Abschiebungen. Ich sage aber auch, dass wir letztere brauchen und konsequent durchsetzen müssen. Alles andere ist doch völlig naiv.

 

Wenn wir wissen, dass sich abgelehnte Flüchtlinge immer wieder der Abschiebung entziehen, müssen wir darauf entsprechend reagieren. Machen wir das nicht, belohnen wir die Missachtung unserer Rechtsordnung. Wir dürfen aber keine Anreize zu rechtswidrigem Verhalten schaffen, weil wir dann diejenigen diskriminieren, die sich gesetzestreu verhalten.

 

Wir brauchen daher dieses Ausreisezentrum genauso wie wir mehr Plätze im gemeinsamen Ausreisegewahrsam mit Hamburg brauchen.

 

Zum Antrag der Koalition sei gesagt, dass wir immer gesagt haben, dass die Arbeitsmarktintegration von essentieller Bedeutung ist, weil Integration eben vor allem durch Arbeit gelingt.

 

Und wir haben deshalb auch schon mehrfach kritisiert, dass das Land hier viel zu wenig tut.  Sie haben bisher nur ein Pilotprojekt für einige Auserwählte angestoßen, und das funktioniert nicht mal richtig. Was Sie bisher machen, ist eine Förderung ins Blaue hinein, und das ist sinnloser Aktionismus. 

 

Die 3+2-Regelung ist aber ohne Zweifel ein Schritt in die richtige Richtung zu einer besseren Integration in den Arbeitsmarkt, der von uns ausdrücklich unterstützt wird.

 

Wenn ein Flüchtling es schafft, hier einen Ausbildungsplatz zu bekommen, muss das auch entsprechend honoriert werden. Leistung muss sich lohnen. Wer selbst die Initiative ergreift, wer für sich und seine Zukunft Verantwortung übernimmt, der - und das ist eine urliberale Grundhaltung - der muss dann auch eine realistische Chance haben, hier bei uns zu bleiben.

 

Ich bin deshalb auch der Auffassung, dass wir darüber nachdenken müssen, ob der § 60a Aufenthaltsgesetz in seiner jetzigen Form überhaupt ausreichend ist.  So erfreulich die Ausdehnung auf über 20-Jährige auch ist, die ‚Duldung‘ – also eigentlich ja nur die ‚Aussetzung der Abschiebung‘ – ist nicht das richtige Instrument, um dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Transparenz Rechnung zu tragen. Wollen wir echte Planungssicherheit für die Betriebe und ernsthafte Perspektiven für die Auszubildenden schaffen, sollten wir - solange wir noch kein Einwanderungsgesetz haben - über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für diese jungen Menschen nachdenken.

 

Und wir sollten erwägen, die Aufnahmen eines Studiums der Ausbildung gleichzustellen.  Wir brauchen diese Menschen nämlich.

 

Finden Flüchtlinge Arbeit, ist das nicht nur ein Gewinn für die Wirtschaft, sondern nützt auch der Aufnahmegesellschaft und damit uns allen.

Ob und wenn ja, warum afghanischen Flüchtlingen in der Praxis die Erteilung einer Duldung verweigert wird, sollten wir deshalb im Ausschuss klären und dann gemeinsam eine sachgerechte Lösung finden.“