Bildung/Abschlüsse

Anita Klahn: Eine stärkere individuelle und passgenauere Lösung ist für jedes Kind wichtig

„Das Anliegen der Union, die Wertigkeit des Schulabschlusses unterhalb des Ersten Allgemeinbildenden Schulabschlusses, also dem ehemaligen Hauptschulabschluss, zu verbessern, können wir Liberale nachvollziehen.

 

Gerade Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf haben in Teilbereichen sehr unterschiedliche Kompetenzen, die sich berechtigterweise auch in einer Lern- und Leistungsbewertung  wiederfinden sollten.

 

Allerdings bezweifle ich, dass eine weitere Differenzierung des Schulabschlusses das richtige Instrument ist, um Schülerinnen und Schüler mit besonderem Förderbedarf zu unterstützen. Aus liberaler Sicht ist eine stärkere individuelle und passgenauere Lösung für jedes Kind wichtig. Deswegen gehen wir auch offen in diese Debatte und diskutieren sehr gerne verschiedene Problemlösungsansätze.

 

Ich möchte zunächst einen Blick auf die Schülerinnen und Schüler, die an Regional- und Gemeinschaftsschulen den ersten allgemeinen Schulabschluss erwerben, werfen. Bei diesen Schülern sprechen wir uns dezidiert gegen eine weitere Differenzierung des Abschlusses aus. Denn wir stehen jetzt bereits einer Entwicklung gegenüber, Standards von Bildungsabschlüssen immer weiter abzusenken.

 

Dieser Entwicklung darf kein Vorschub geleistet werden. Das würde in der Arbeitswelt auch nicht weiterhelfen und wird, soweit mir bekannt, auch nicht von der Wirtschaft gewünscht. Vielmehr müssen wir uns doch fragen, mit welchen Förderinstrumenten wir Kinder ohne Abschluss zum Erreichen des Hauptschulabschlusses bringen. In den vergangenen Jahren sind es immer um die sieben Prozent gewesen.

 

Die Flex-Klassen, also abschlussbezogene Klassen, die das Erreichen des Hauptschulabschlusses in drei Jahren ermöglichen, sind ja durchaus ein erfolgreiches Instrument, das es weiter auszubauen gilt.

 

Auch haben wir ein vielfältiges Angebot an Übergangssystemen von Schülerinnen und Schülern, die ohne Abschluss sind: zum Beispiel die berufsvorbereitenden Klassen der beruflichen Schulen. Für alle gilt: Bessere Förderung ist der Weg.

 

Ich vermute aber, dass es der Union mit dem Antrag nicht um diese Schülerinnen und Schüler geht.

 

Wenden wir uns also den Schülerinnen und Schülern an Förderschulen zu bzw. denen, die inklusiv an den allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden. Hier bestehen, wie auch schon von anderen Rednern erwähnt, die Abschlüsse des Förderzentrums mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung oder dem Schwerpunkt Lernen.

 

Auch hier vorweg, ist es aus Sicht meiner Fraktion selbstverständlich, dass Förderschüler, die eine sehr positive Entwicklung nehmen, mit entsprechend rechtzeitiger und intensiver Unterstützung die Möglichkeit haben müssen, den Hauptschulabschluss zu erreichen.

 

Das gilt für den Bereich Lernen, aber natürlich auch besonders für den Bereich sozial- und emotionale Entwicklung, wo selbstverständlich auch das Erreichen der höheren Schulabschlüsse zu unterstützen ist.

 

Wie können wir also Schüler mit nicht nur vorübergehenden Schwächen in der Konzentration auf den Unterricht sowie der Aufnahme und Verarbeitung von Lerninhalten unterstützen?

 

Gleiches gilt für die G-Förderschulen, die nicht ohne Grund in einem Stufen- und nicht in einem Jahrgangssystem arbeiten und bei denen es um ganz fundamentale Lerninhalte geht, wie Freundschaft aufzubauen, sich in der Öffentlichkeit zu orientieren oder sich gegenüber der natürlichen Umwelt verantwortungsbewusst zu verhalten.

 

Auch bei diesen Schülern hege ich meine Zweifel, ob durch eine weitere Differenzierung des Schulabschlusses Probleme gelöst, beziehungsweise ein besserer Übergang zu einer Berufsausbildung gelingen kann.

 

Denn selbst wenn es eine weitere Differenzierung bei den Abschlüssen geben würde, könnte das nicht die bereits jetzt nötige intensive individuelle Vorbereitung beim Übergang aus dem Schulbereich in die Arbeitswelt für Kinder von Förderschulen ersetzen.

 

Eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren – Eltern, Schulen, Berufsagentur, Betriebe, gegebenenfalls Werkstätten für Menschen mit Behinderung, Kammern und möglicherweise weiteren Fachdiensten – bleibt unerlässlich.

 

Mit viel Einfühlungsvermögen, ganzheitlicher Förderung und individuellen Förderplänen muss ein auf jedes Kind geschnittener Übergang erreicht werden. Alle diese Aspekte sind aus meiner Sicht bedeutender für gelingende gesellschaftliche Teilhabe als die formale Anerkennung eines weiteren Abschlusses durch die KMK.“