Gesundheit/Rettungsdienstgesetz

Anita Klahn: Gesetzentwurf ist verfassungswidrig

„Bei vielen Punkten des Gesetzentwurfes liegen wir überhaupt nicht auseinander. 

 

Die Wichtigkeit des Babynotarztwagens wurde fraktionsübergreifend gesehen und als Ergänzung aufgenommen. Unter dem Aspekt der zunehmenden  Schließungen kleinerer Geburtshilfestationen im Land hätte ich diesen Impuls von der Ministerin selbst erwartet.

 

Auch die Aussagen zu den vorklinischen Hilfsfristen kann meine Fraktion akzeptieren, obwohl die Empfehlung des in 2016 verabschiedeten Eckpunktepapiers der Fachgruppen eine kürzere Zeit vorsieht.

 

In der Anhörung wurde deutlich dargestellt, dass wir mit einer Zunahme von Einsätzen rechnen müssen durch eine ältere Bevölkerung, verschlechterte medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen sowie weitere Wege zu den Kliniken.

 

Für uns resultiert daraus, dass wir dringend klären müssen, wie Rettungsdienstbedarfspläne grundsätzlich aufgestellt werden sollen. Wie soll der Fachkräftebedarf gelöst werden?  

 

An dieser Problematik orientiert, ist es für mich, für meine Fraktion, völlig unverständlich, dass die Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf einen Ausschluss privater Rettungsdienstunternehmen von der Notfallrettung nicht nur billigend in Kauf nimmt, sondern sogar aktiv betreibt.

 

Die Koalition nimmt es widerspruchslos hin, dass nicht nur private Existenzen vernichtet, sondern langjährig gewachsene und bewährte Strukturen im Rettungsdienst zerstört werden. Sie ignorieren nicht nur die in Art. 12 Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit, sondern verschlechtern die Versorgungssituation für die Bevölkerung.

 

Auch der Wissenschaftliche Dienst des Landtages hebt mit Verweis auf die Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts hervor, dass für Eingriffe in die Berufsfreiheit strengste Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung anzulegen sind.

 

Dieser Gesetzentwurf führt eine objektive Berufszulassungsschranke ein.

 

Um diese verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, bedarf es nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut.

 

Die kann die Landesregierung nicht beibringen. Es bleibt festzustellen, dass die Darstellung tatsachenverzerrend ist, um nicht zu sagen, einfach falsch. Die Darstellungen zum reinen wirtschaftlichen Gewinnstreben sind ein Unding, zumal eines der betroffenen Unternehmen als gemeinnützig anerkannt ist.

 

Es gibt im Schreiben der Ministerin auch kein Beispiel, welches sich auf die Notfallrettung bezieht. Bei allen Fällen geht es um Krankentransport. Fakt ist: Die aus den Beispielen konstruierten abstrakten Gefährdungssituationen sind abwegig und würden vor Gericht nicht standhalten. Selbst ein Einzelfall wäre nicht ausreichend, um eine allgemeine Berufszulassungsschranke zu rechtfertigen. In unserem Land gilt zum Glück immer noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip.

 

Die Landesregierung sagt selbst, dass in keinem Fall ein Patient zu Schaden gekommen ist. Aber sie spricht von Instabilität und Unsicherheiten in der Patientenversorgung. Davon war weder in der schriftlichen, noch in der mündlichen Anhörung irgendetwas zu hören. Im Gegenteil, alle Praktiker haben bestätigt, dass es keine Probleme in der Zusammenarbeit mit den privaten Rettungsdienstunternehmen gibt.

 

Wie wichtig die Privaten sind, möchte ich an folgendem Beispiel darstellen. Die Rettungsleitstelle Süd  hatte Anfang Februar massive technische Probleme mit der Folge, dass die Leitstelle nicht mehr in der Lage war, die auflaufenden Beförderungen eigenständig zu bedienen. Ein privates Rettungsdienstunternehmen ist eingesprungen und hat mehrere zeitkritische Beförderungen übernommen. Zudem wurde ein Mehrzweckfahrzeug in Bereitschaft gehalten. Das ist funktionierende Zusammenarbeit im Sinne der Patienten, wie sie tagtäglich gelebt wird. Auch das sollte die Landesregierung vielleicht mal zur Kenntnis nehmen.

 

Wir halten den vorliegenden Gesetzentwurf für verfassungswidrig. Ich beantrage eine dritte Lesung und die Rücküberweisung in den Innen- und Rechtsausschuss.“