Anita Klahn zu TOP 2 „Regierungserklärung ‚Lernen in der Pandemie – Perspektiven für unsere Kinder‘“

Abgeordnete Anita Klahn

In ihrer Rede zu TOP 2 (Regierungserklärung „Lernen in der Pandemie – Perspektiven für unsere Kinder“) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:

„Ich bin wirklich sehr erleichtert über den grundsätzlich geglückten Schulstart nach den Sommerferien! Denn auch wenn die Opposition so tut, als wäre an unseren Schulen das Chaos ausgebrochen, so müssen wir mit einem nüchternen Blick auf die Zahlen sagen, dass das mitnichten der Fall ist. Daher zunächst an dieser Stelle meinen Dank an alle Beteiligten in Schule und Kita, ohne die ein regulärer Schul- und auch Kitabesuch unmöglich gewesen wäre.

Die im Fokus stehende Diskussion um die Maskenpflicht hat sich meiner Meinung nach ein wenig verselbstständigt. Und bei einigen Beiträgen stellt sich mir die Frage, ob es noch um die Sache geht oder es nur ein verzweifelter Profilierungsversuch Einzelner ist. Es ist ein wenig aus dem Blickfeld geraten, dass die Mund-Nasen-Bedeckung nur eine der vielfältigen Maß-nahmen ist, die im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie getroffen wurden. Wir haben bereits gehört, dass es an 98 Prozent der Schulen einen – natürlich unter Infektionsschutzbedingungen – reibungslosen Präsenzunterricht gibt, der aus liberaler Sicht für die Schülerinnen und Schüler auch wichtig ist.

An unseren knapp 800 Schulstandorten waren bis gestern 16 Schulen, in denen es Einschränkungen beim Präsenzunterricht gibt oder gab. Wir haben in Schleswig-Holstein ganze 37 positiv bestätigte Fälle bei den Schülerinnen und Schülern und in der Lehrerschaft. Ich finde, beim Blick auf diese Zahlen und dem Umstand, dass die Infektionsursache immer außerhalb der Schule lag, darf der Ausdruck ‚geglückter Schulstart‘ durchaus verwendet werden.

Ja, wir haben gesehen, dass es an den Schulen Unsicherheiten im Umgang mit Schutzmaßnahmen und möglichen Infektionsrisiken gab. Ja, wir haben die Ängste und Sorgen der Familien, der Lehrkräfte vernommen und nehmen sie ernst. Trotzdem muss bei allen Entscheidungen die Frage der Verhältnismäßigkeit beantwortet werden. Aus diesem Grund begrüßen wir die Entscheidung von Bildungsministerin Karin Prien, dass seit Montag das Tragen einer Maske außerhalb des Unterrichts in den Fluren, auf den Pausenhöfen und anderen Begegnungsräumen Pflicht geworden ist. Denn trotz größter Anstrengung ist es in diesen Bereichen nicht möglich, die Abstandsregeln einzuhalten, es kommt zu Vermischungen der Lerngruppen und damit besteht dann ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Die zusätzlich erfolgte gerichtliche Klarstellung, dass Schulleitungen nicht in Eigenregie die Pflicht zum Tragen einer Maske im Unterricht hätten an-ordnen dürfen, widerspricht der gut gemeinten Idee von regionalen Lösungen und wir hätten diese Unsicherheit gerne allen erspart, aber wir behaupten auch nicht, alles richtig zu machen. Jetzt werden die kommenden Wochen zeigen, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt und welche Maßnahmen nötig sein werden. Wir geben den Schulen mit den Hygiene-plänen, dem Schnupfenplan und dem Stufenplan gute Instrumente an die Hand. Und natürlich, die Ministerin hat es bereits erwähnt, werden diese Pläne laufend angepasst und verbessert werden müssen, je nachdem, welche Entwicklungen wir die kommenden Wochen sehen werden.

An dieser Stelle möchte ich auch betonen, dass jeder zu einem gewissen Grad eine Eigenverantwortung trägt, und dass diese Eigenverantwortung auch nicht vollständig abgewälzt werden kann: Es wird auch weiterhin nicht möglich sein, bis ins letzte Detail die Dinge über Vorschriften, Verordnungen und Erlasse zu regeln und vorzugeben. Ich appelliere daher an die Menschen, dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten weiterhin dazu bei-trägt, dass wir alle mit möglichst wenigen Blessuren durch diese Krise kommen. Je besser wir miteinander und nicht gegeneinander arbeiten, desto bessere Resultate werden wir erzielen.

Dazu gehören auch die Planungen für die Klassenfahrten im kommenden Schuljahr. Schüler und Lehrkräfte werden sich gut überlegen müssen, ob unter den derzeitigen Bedingungen eine solche Fahrt verlässlich und sicher durchgeführt werden kann. Mir erscheint es nicht ratsam, eine Reise nach Brüssel, Spanien oder Frankreich zu buchen, weil niemand seriös sagen kann, wie sich die Pandemie in einem halben Jahr entwickelt. Vielleicht würde es ausnahmsweise auch reichen, die diesjährige Klassenfahrt in Deutschland oder sogar Schleswig-Holstein zu verbringen: Ich bin sicher, die hiesigen Jugendherbergen und Hotels würden es begrüßen.

Ich möchte betonen, dass wir von der FDP voll hinter dem Ziel stehen, so weit wie möglich zum regulären Unterricht zurückzukehren. Der wochen-lange Unterrichtsausfall hat sich bereits verheerend ausgewirkt. Wenn das in dieser Form wieder geschieht, wird es nicht mehr möglich sein, die entstandenen Lerndefizite aufzuholen. Im Übrigen gilt das nicht nur für die Schulen, sondern auch für die Hochschulen. Großflächige Lockdowns und Unterrichtsausfall für Schulen und Hochschulen kann niemand wollen.

Die Corona-Pandemie hat uns vor ungeahnte Herausforderungen gestellt und auch wenn viele davon wenig erfreulich waren, so gibt es doch auch ein paar Entwicklungen, die durchaus positiv bewertet werden können: Die ‚zwangsweise‘ Umstellung auf digitale Angebote hat bei vielen Menschen zu einem Umdenken geführt. Die ein oder andere Geschäftsreise wird viel-leicht auch nach Corona nicht gebucht werden und der ein oder andere Landtagsantrag ausschließlich in der digitalen Variante zur Verfügung gestellt. Für die Digitalisierung an unseren Schulen war die Krise, so seltsam das jetzt klingen mag, ein starker Beschleuniger, der in vielen Bereichen zu einem Anschub und auch ein Stück weit zu einem Mentalitätswechsel geführt hat. Dabei geht es uns Liberalen nicht darum, den Präsenzunterricht, das analoge Arbeiten, abzuschaffen, sondern durch digitale Angebote sinn-voll zu ergänzen, um mit einer Mischung aus beidem die optimale Kombination für die jeweilige Lerngruppe oder Situation zu finden. Mit dem Sofortausstattungsprogramm konnten wir in Schleswig-Holstein fast 19 Millionen Euro in die Ausstattung mit digitalen Endgeräten stecken, damit jeder Schüler die Voraussetzungen hat, an den digitalen Angeboten teilzunehmen. Der Bund verspricht weitere Finanzhilfen für die Ausstattung der Lehrkräfte mit Endgeräten.

Auch beim Aufbau eines digitalen Lernmanagement-Systems sind wir ein gutes Stück vorangekommen: Wöchentlich werden jetzt 100 Schulen an das Lernmanagement-System angeschlossen, fast 6000 Lehrkräfte haben bereits einen Zugang bekommen. Über ein solches System können Lehr-kräfte Unterrichtsmaterial bereitstellen, Aufgaben an die Schüler erteilen und Rückmeldungen geben, wenn es Fragen dazu gibt. Die Schülerinnen und Schüler können gemeinsam an Projekten arbeiten, untereinander kommunizieren. Über eine App können die Eltern in die Kommunikation der Schule einbezogen werden. Das ist in Pandemie-Zeiten natürlich besonders wertvoll, soll aber darüber hinaus ein fester Teil des Unterrichtes bleiben. Digitale Endgeräte und Lernmanagement-Systeme brauchen schnelles Internet. Laut den Planungen werden zum Ende des Jahres mehr als 80 Pro-zent (775 von 950) der Schulen über Glasfaser-Technik angebunden sein. Sie sehen: Wir bemühen uns in allen Bereichen, die Maßnahmen so zusammenfließen zu lassen, dass wir dem Ziel des reibungslosen digitalen Unterrichtes ein gutes Stück näher kommen. Wir sind noch nicht am Ziel – aber wir machen einen großen Schritt in die richtige Richtung.

Wichtig wird sein, dass wir, egal, wie weit uns die Corona-Krise noch beschäftigen wird, wir den eingeschlagenen Weg konsequent weiter gehen und die dafür nötigen Personal-, Sach- und Finanzmittel verstetigen. Denn die Digitalisierung im Bildungsbereich ist keine Einmalinvestition: Allein mit der flächendeckenden Versorgung mit digitalen Endgeräten wird sich schnell die Frage stellen, wie wir mit der Wartung sowie der Erneuerung der Software und – in absehbarer Zeit – auch der Hardware umgehen wollen. Hierfür gilt es, langfristig Pläne zu entwickeln und die nötigen Mittel bereitzustellen, sonst stehen wir in drei Jahren wieder da, wo wir auf keinen Fall wieder hin wollen. Für all dies werden wir eine neue Vereinbarung brauchen, wir brauchen einen Digitalpakt 2.0.

Auch gibt es weitere Punkte, die noch nicht abschließend geregelt sind und bei denen wir uns in den kommenden Wochen um eine Verständigung bemühen sollten. Eine offene Frage ist die Evaluierung des Lernsommers, wie unterstützen wir Schülerinnen und Schüler in den kommenden Monaten individuell, damit sie ihre Abschlüsse erreichen. Eine andere Fragestellung ist die der sicheren Schülerbeförderung. Wenn wir eine Maskenpflicht in den Begegnungsräumen der Schule und auf dem Weg vom Bus zur Schule haben, dann müssen wir auch in den Bussen selbst eine annehmbare Situation herstellen. Wenn die Schulbusse so überfüllt sind, dass die Kinder dicht an dicht stehen, wird die Schutzwirkung der Maske herabgesetzt. Mir ist bewusst, dass es dafür keine einfache, schnelle Lösung geben kann. Erstens findet die Schülerbeförderung vielfach im Rahmen des ÖPNV statt und ist damit auch auf Bedarfe von Pendlern ausgerichtet. Die Idee, Schulen zeitversetzt anfangen zu lassen und damit Verkehre zu entzerren, passt für den Individualverkehr, aber nicht zum ÖPNV-Takt.

Deshalb sehen wir hier auch die Kreise und Kommunen in der Verantwortung, regionale Lösungen zu suchen, um die Situation ein wenig zu entschärfen. Und gestatten Sie mir einen Hinweis: Die Kommunen erhalten erhebliche Landesmittel, um Corona-bedingte Defizite im ÖPNV ausgleichen zu können. Das Angebot der privaten Busunternehmer, für einen begrenzten Zeitraum beim Schultransport einzuspringen, sollte von den Kommunen ernsthaft geprüft werden. So könnten wir einerseits das Problem der Überfüllung lösen und auch einer besonders in Bedrängnis geratenen Branche helfen.

Je näher wir Richtung Herbst rücken, desto mehr wird die Frage aufkommen, wie wir mit den Erkrankungen abseits von Corona umgehen wollen. Wenn wir die Kinder bei einem Schnupfen vorsichtshalber 48 Stunden zu Hause lassen, werden wir uns mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Anzahl der Kinderkrankentage für die Eltern erhöht werden sollten. Da setze ich auf die Bundesfamilienministerin, dass die notwendigen gesetzlichen Initiativen schnell erfolgen. Wenn wir weiter mit Augenmaß und gesundem Menschenverstand unsere Entscheidungen treffen, bin ich zuversichtlich, Schule so organisieren zu können, dass für alle die Freude am Lernen und Lehren wieder im Vordergrund steht.“