Anita Klahn zu TOP 3 u.a. „Änderung des Schulgesetzes aufgrund der Coronavirus-Pandemie“

Anita Klahn

In ihrer Rede zu TOP 3+17+23+28+35+43 (Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes aufgrund der Coronavirus-Pandemie, Anträge zur Schule während der Corona-Pandemie und ein Bericht über die Unterrichtssituation) erklärt die stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion, Anita Klahn:

„Weitere Diskussionen um das Pandemiegeschehen und die durch Schulschließungen, Aussetzen der Präsenzpflicht, Lernen auf Distanz oder Wechselunterricht verbundenen Auswirkungen auf die Schülerinnen und Schüler und ihre Familien führen zu einer langsamen, aber sicheren Erschöpfung der Beteiligten. Wir können die Ängste der Schülerinnen und Schüler nur erahnen, die sich fragen, wie sie einen guten Schulabschluss machen können. Einem, dem kein Corona-Makel anhaften wird und der bundesweit anerkannt wird. Wir hören die Sorgen der Eltern, die ihren Alltag und ihre Berufstätigkeit ohne Schule und Kita organisieren sollen. Für viele bedeutet die Pandemie nicht nur gesundheitliche Angst, sondern inzwischen auch wirtschaftliche und existenzielle Sorge.

Ich hoffe daher inständig, dass wir mit dem Impfen in Schleswig-Holstein gut vorankommen und wir uns in absehbarer Zeit über Lockerungen unterhalten können und keine weiteren Verschärfungen oder Verlängerungen von Lockdowns und Schulschließungen nötig sind. Auf die Gefahr, dass ich mich wiederhole, aber meine Bitte ist weiterhin: Beschränken Sie ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum, auch wenn es schwer fällt und Entbehrungen bedeutet: Einzig sinkende Infektionszahlen sorgen dafür, dass unser Gesundheitssystem den Herausforderungen gewachsen bleibt.

Unser wichtigstes Ziel, nach dem Gesundheitsschutz, ist, die Schulen und Kitas so schnell wie möglich wieder in den Regelbetrieb zurückkehren zu lassen. Unser vorrangiges Ziel ist, dass wir den Abschlussjahrgängen einen Abschluss ermöglichen. Das Schuljahr 2020/2021 darf kein ‚verlorenes‘ Schuljahr sein. Das gilt für alle Schülerinnen und Schüler. Es darf kein ‚Not-Abitur‘ oder einen ‚ESA/MSA light‘ geben. Denn wenn wir die Abschlüsse verkleinern, Fächer reduzieren, Ansprüche über Gebühr senken und Fachanforderungen unter den Tisch fallen lassen, wird diese Abschlussgeneration doppelt gestraft sein: Einmal direkt durch Corona und nochmal indirekt für die gesamte Zeit danach, weil ihnen das Stigma eines minderwertigen Abschlusses anhängt. Aus diesem Grund bleibt uns Liberalen eines besonders wichtig: Ob Fernunterricht, häusliches Lernen, Distanz-, Hybrid- oder Wechselunterricht – wir wollen sicherstellen, dass Lehrkräfte qualitativ guten Unterricht anbieten können. Absenkungen von Standards und Lernzielen oder gar Fächerreduzierungen sollten nicht unser Ziel sein.

An dieser Stelle möchte ich den niedersächsischen Leitfaden für Schule in Corona-Zeiten erwähnen. Dort wird klar definiert, wie in den jeweiligen pandemiebedingten Situationen der Schulbetrieb, die Unterstützungspflicht der Lehrkräfte und die Erwartung an die Schüler aussehen. Mit dem vorliegenden Schulgesetz reagieren wir präventiv und angemessen, aber auch flexibel auf die Herausforderungen der Pandemie. Und ja: Es enthält auch die Möglichkeit, dass es einen Abschluss ohne schriftliche Klausuren geben kann. Allerdings ist dieser Passus nicht dafür gedacht, dass nun massenweise die Prüfungen ausfallen. Wir halten uns an die KMK-Vereinbarungen: Es wird vollständige Prüfungen und vollwertige Abschlüsse geben.

Ich möchte zum Bericht der Unterrichtssituation 2019/2020 nur ergänzen, dass wir den Bereich Digitalisierung viel früher als einen festen Bestandteil benötigt hätten. Das ist jetzt korrigiert und wird für die zukünftige Schulentwicklung ein wichtiger Baustein sein. Wenn wir uns das aktuelle Berichtsjahr angucken, erscheint das letzte Schuljahr fast wie aus einer anderen Zeit. Ich finde, dass wir auf einem guten Weg waren, sukzessive Verbesserungen für die Schulen zu erreichen. Genauso ist uns Liberalen aber auch klar, dass Corona den Schulbetrieb und das Lernverhalten verändern wird. Aus diesem Grund finde ich es ausgesprochen wichtig, dass wir genau evaluieren, was die Pandemie mit den Schulen gemacht hat und vor allem, wie sie sich auf die Betroffenen ausgewirkt hat: Lehrkräfte, Schüler und Eltern. Was hat funktioniert, was überhaupt nicht? Wo ließe sich anknüpfen und was müssen wir dringend überarbeiten? Wenn ich mir eines schon jetzt wünschen dürfte für die kommenden Schuljahre, dann wäre das eine konsequente Weiterverfolgung der Digitalisierung mit einem festen politischen Willen, diese auch zu Ende zu führen. Es wäre von allen zu viel verlangt, jahrzehntelang verschlafene Entwicklungen und Investitionen unter Pandemiebedingungen aufholen zu wollen, aber es ist keineswegs zu viel verlangt, sich als Konsequenz aus dieser Krise die Fortführung der Digitalisierung unserer Schulen auf die Fahne zu schreiben.

Die Forderung des SSW nach der Umsetzung des DigitalPakts Schule könnte auf den ersten Blick unterstützt werden, wenn der Antrag nicht DigitalPakt und Soforthilfeprogramm miteinander vermengen würde. Seit Mai 2019 können Mittel aus dem DigitalPakt beantragt werden. Verwendet werden können diese allein für die technische Infrastruktur in den Schulgebäuden. Also konkret für Verkabelung, WLAN, Anzeige- und Präsentationstechnik. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Schulleitungen mit ihren Lehrkräften, aber auch dem zuständigen Schulträger Klarheit und auch Einigkeit darüber herstellen, wie zukünftig Unterricht digital gestaltet werden soll. Der Schulträger wiederum muss mit seinen kommunalpolitischen Vertretungen Einigkeit über eine kommunale Medienkonzeption herstellen und dazu gehören auch strukturelle Finanzierungsfragen, Stichwort Administration. Es geht also um mehr als nur den Eigenanteil der Kofinanzierung. Die geforderten Medienkonzepte der Schulen sind also ein wichtiger Bestandteil, um vor Ort kritische Kommunalpolitiker und Bürgermeister von der Notwendigkeit der Maßnahmen zu überzeugen. Gleichzeitig geht es darum, schwierige Insellösungen und vor allem teure Fehlinvestitionen zu vermeiden. Nur werden solche Konzepte nicht mal eben neben dem regulären Unterrichtsgeschehen entwickelt. Daher ist es richtig, dass die Landesregierung aktuell den Fokus auf Unterstützung und Beratung in diesem Bereich setzt, auch die Fachtagung wird sehr hilfreich sein. Wichtig ist, dass Lehrkräften Zeit für diese Aufgabe gegeben wird, dass die Mittelbeantragung durch den Schulträger bis Ende 2022 möglich ist, dass eine Konzeption nachgereicht werden kann, und dass die äußere Infrastruktur, der Netzausbau, durch das Land und die Kommunen erfolgt.

Bei genauerer Betrachtung müssen wir uns alle, auch die Opposition, daher fairerweise die Frage beantworten, warum die Infrastruktur für digitalen Unterricht nicht schon viel früher und vor allem mit mehr politischem Nachdruck vorangebracht wurde. Die Jamaika-Koalition hat die Basis geschaffen, damit Schulen in Schleswig-Holstein endlich an ein leistungsfähiges Glasfasernetz angeschlossen werden und moderne Technik im Unterricht nutzen können. Insgesamt haben wir 945 Schulstandorte, davon wurden in dieser Legislaturperiode bereits 697 Schulen an das schnelle Glasfasernetz angeschlossen. Bis zum Jahresende sollen weitere 170 bis 210 Schulen dazukommen und die verbleibenden Standorte werden in den Jahren 2022/2023 folgen.

Kommen wir zum gemeinsamen Antrag von SPD und SSW. Schulchaos hatten wir zu Wende-Zeiten, ich erinnere beispielsweise an Alleingänge Schleswig-Holsteins in der Lehramtsausbildung. Abgestimmte Verfahren der KMK einzuhalten, scheint der SPD immer dann besonders Ernst zu sein, wenn es um Nivellierung der Standards geht. Gerade in der aktuellen Pandemie ist die Umsetzung der KMK-Vereinbarungen durch Ministerin Prien vorbildlich. Die unzureichende technische Infrastruktur ist ein Problem, aber wie gesagt nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. Die Serverprobleme am 7. und 8. Januar dieses Jahres der Ministerin oder der Landesregierung anzulasten, ist ein politisch legitimer Versuch, aber fachlich einfach falsch. Betroffen waren die Schulen, die einen bundesweit agierenden Dienstleister (IServ) nutzen. Dieser erklärte noch am selben Tag, dass man eigentlich ausreichend Serverkapazitäten habe, ein technisches Problem aber leider erst mittags behoben werden konnte. Aber er gab auch den Hinweis, dass der zeitgleiche Zugriff aller angeschlossenen Schulen sinnvollerweise entzerrt werden sollte. Was ehrlicherweise bei einem bundesweiten Schulbeginn um acht Uhr schwierig wird. An anderen Stellen waren schulträgerbedingte Kapazitäten ein Problem. Und manches Mal lag es auch einfach an mengenbegrenzten Zugriffsrechten. Fazit: Gleich wer für welchen Server verantwortlich ist, technische Probleme kann es immer geben, das wird eine Schwierigkeit digital unterstützter Unterrichte sein, für die man aber im Regelbetrieb Lösungen finden wird. Wir hatten und haben aber aktuell keinen Regelbetrieb. Insofern bleibt festzuhalten, dass wir - Koalitionspartner und Landesregierung – gemeinsam mit großem Engagement, viel Geld und zeitlichem Druck den Ausbau der digitalen Infrastruktur voranbringen.

Zu dem Thema ‚Schulabschlüsse sicherstellen‘ habe ich die grundsätzliche Position für uns Liberale bereits ausgeführt. Die von Kai Vogel dargestellten Maßnahmen sind aber in der Tat nicht das Hauptproblem und werden ehrlicherweise auch bereits geprüft und umgesetzt. Aber nicht alles, was wünschenswert ist, ist umsetzbar in so kurzer Zeit. Sinnvoll ist der vorgestellte Perspektivplan. Er zeigt die verschiedenen Fallsituationen und darauf angepasste Maßnahmen. Jeder kann damit für sich frühzeitig erkennen, wohin die Reise geht und kann mit eigenem Verhalten dazu beitragen. Deutlich wird, dass nicht nur der Inzidenzwert allein berücksichtigt wird, sondern auch das regionale Geschehen und besondere Bedarfe der einzelnen Jahrgänge und Schularten. Und er zeigt die Wechselwirkungen mit anderen Bereichen des täglichen Lebens auf.

Am Ende bleibt, dass wir alles stetig auf Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit überprüfen und ggfs. anpassen müssen. Nur wenn wir sagen können, dass wir aus der Corona-Krise gelernt haben und die richtigen Schlüsse für die Zukunft gezogen haben, dann werden wir aus dieser Pandemie etwas Positives für die Zukunft mitgenommen haben.“