In seiner Rede zu TOP 37 (Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken) erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Bernd Buchholz:
„Ich finde an dem Antrag vieles richtig, aber auch einiges falsch. Kommen wir doch erst mal zu den richtigen Punkten. Ja, es ist richtig, dass wir an die staatlich induzierten Preisbestandteile endlich konsequenter herangehen. Das wollen wir seit sechs Jahren in diesem Land.
Dass man die Steuern im Energiebereich senken kann, um den Wettbewerbsnachteil der deutschen Wirtschaft aufzuheben, ist nicht neu. Aber deshalb wäre es gut, wenn Sie erwähnt hätten, dass Christian Lindners Vorschlag für ein Wachstumschancengesetz ein wirklich gutes Paket ist, weil das das Steuersenkungsanreizthema einmal richtig nach vorne bringt. Die Superabschreibung ist eines der Instrumente, das neu ist, mit denen wir nach vorne kommen.
Die Power-Purchase-Agreements werden viel zu wenig genutzt. Wir brauchen mehr davon, denn die Direktbelieferung ist richtig an der Stelle. Die Nutzung von abgeregelten Strommengen für flexible Verbraucher fordern wir seit 2017. Die zuschaltbaren Lasten kommen einfach nicht in dem Maße. Hier kann Berlin in der Tat mehr tun.
Die Ausgestaltung der Netzentgelte haben Robert Habeck und ich gemeinsam 2017 im Bundesrat beantragt. Wir sind aber ehrlicherweise auch an allen grün-mitgeführten Bundesländern südlich der Elbe komplett gescheitert. Auch das gehört zur Wahrheit, dass an der Stelle keine Einigkeit ist.
Dass die Netzplanung vorangetrieben werden muss, das stimmt übrigens auch im Land, Herr Minister Goldschmidt. Eine Netzplanung ist nämlich auch für das, was hier an Photovoltaikanlagen irgendwo aufgestellt wird, elementar. Ohne Netzplanung führt dies zum Chaos. Also kann man auch im Land etwas machen.
Was nicht passt in Ihrem Antrag, ist auf der einen Seite ,Carbon Contracts for Difference‘ zu schaffen, während Sie die Direktstrombelieferung einführen wollen. Warum soll ich auf eigene Kosten investieren, um mich direkt mit Strom beliefern zu lassen, wenn der Staat mir eine Risikoabnahme gibt, falls die Energie viel zu teuer wird? Diese ,Carbon Contracts for Difference‘ sind Markteingriffe, die falsch sind.
Der zweite richtig große falsche Punkt sind Strompreisermäßigungen für die Industrie. So steht es in Ihrem Antrag. Strompreisermäßigungen für die Industrie sind immer Diskriminierung der anderen Marktteilnehmer. Strompreisermäßigungen bedeuten immer Diskriminierung all derjenigen, die nicht zur Industrie gehören. Sie sind damit eine Wettbewerbsverzerrung. Außerdem wäre ein solcher Industriestrompreis lediglich ein Subventionsprogramm für den deutschen Süden, wo der Großteil der deutschen Industrie ansässig ist. 98 Prozent der Unternehmen in Schleswig-Holstein bringt das nichts. Der ermäßigte Strompreis für die Industrie ist ein Irrweg – gehen Sie den nicht.
Ich möchte an der Stelle auch mal klar machen, worüber wir hier in Schleswig-Holstein eigentlich reden, und ein bisschen auch mit Ihrer Vision vom klimaneutralen Industrieland aufräumen. Sagen wir doch erst einmal, wie es ist: In Schleswig-Holsteins Wirtschaft spielt die Industrie eine geringe Rolle und hat nur einen Anteil von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt.
Und lieber Herr Ministerpräsident, da wir das jetzt wieder drei Tage lang erlebt haben: Ich finde es gut, wenn man Ziele hat. Mehr Industriearbeitsplätze in Schleswig-Holstein zu schaffen, ist wichtig und richtig. Und dass man eine Vision hat, ganz fern am Horizont, ist auch wichtig. Man will Industrieland werden. Das ist auch gut.
Aber bevor Sie sich alle über die Sommerpause besoffen reden, da Sie denken, wir seien dem Industrieland in irgendeiner Form nahe: Der Anteil der Industrie-Wertschöpfung am Bruttoinlandsprodukt Schleswig-Holsteins beträgt rund 14 Milliarden Euro. Der Anteil der Industrieproduktion Baden-Württembergs am Bruttoinlandsprodukt beträgt 190 Milliarden Euro. Der Anteil von Bayerns Industrie am Bruttoinlandsprodukt beträgt 170 Milliarden Euro. Nun können Sie sagen: Die haben auch ein viel größeres Bruttoinlandsprodukt. Stimmt! Aber selbst wenn Sie prozentual auf das Bruttoinlandsprodukt schauen, dann macht der Industrieanteil in Schleswig-Holstein nur rund 14 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus. In Baden-Württemberg sind es 33 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Auf dem Weg, ein wirkliches Industrieland werden zu wollen, müssten Sie den Anteil der Industrie in diesem Land also deutlich vervielfachen.
Aber dafür brauchen Sie Flächen, die in einem Maße ungefähr 20-mal Northvolt ausmachen würden. Wenn ich mir die Regionalpläne der Frau Innenministerin ansehe, dann sind wir in diesem Land nicht einmal in der Lage, ein einziges weiteres Northvolt anzusiedeln, weil dafür keine Flächen vorgesehen sind. Sie sind meilenweit entfernt davon, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass dieses Land wirklich Industrieland werden könnte.
Seien Sie vorsichtig mit dem Begriff vom klimaneutralen Industrieland. Der Weg dahin wäre sehr weit. Bleiben wir realistisch, schaffen wir mehr Industriearbeitsplätze. Einige Dinge sind richtig, aber Strompreisreduzierungen nur für Industrie lehnen wir ab.“
Sperrfrist Redebeginn!
Es gilt das gesprochene Wort