„Warum sind wir der Auffassung, dass unser Bundesland sich industriepolitisch deutlich besser aufstellen muss?
Ganz einfach: Es geht uns um gut bezahlte qualifizierte Arbeitsplätze, damit einhergehend bessere Chancen gerade für junge Menschen hier bei uns im Norden und am Ende natürlich auch ein höheres Steueraufkommen für unser Land, aus dem dann weitere Chancen entstehen können, wenn man dies denn richtig einsetzt.
Gewerkschaften haben unser Bundesland in den vergangenen Jahren wiederholt als ‚Lohnkeller‘ gebrandmarkt. Dies kann man aber nicht den Arbeitgebern in Mittelstand und Handwerk zum Vorwurf machen.
Man muss sich die Wirtschaftsstruktur unseres Bundeslandes anschauen und dann wird man sehr schnell feststellen, dass es hier vergleichsweise wenig industrielle Arbeitsplätze und dafür z.B. sehr viele im Tourismus gibt. Durch die vergleichsweise niedrige Industrieproduktion verzeichnet unser Bundesland ein geringeres Wirtschaftswachstum als die anderen westdeutschen Flächenländer und hat auch entsprechend niedrigere Steuereinnahmen.
Wenn wir mehr industriepolitisches Engagement fordern, dann wollen wir keine staatliche Lenkung der Wirtschaft, sondern schlichtweg bessere Rahmenbedingungen für den Erhalt und die Schaffung entsprechender Arbeitsplätze, damit gerade junge, gut ausgebildete Menschen nach ihrem Schulabschluss, ihrer Ausbildung oder ihrem Studium zukünftig öfter in unserem Bundesland bleiben können oder herziehen, weil sie hier einen guten Job finden können.
Mehr industriepolitische Anstrengungen sind auch deshalb geboten, weil die schleichende De-Industrialisierung Deutschlands in Schleswig-Holstein schneller voranschreitet als im Rest der Republik. Darauf muss man reagieren.
Im vergangenen Jahr hat unsere Fraktion mit einer Landtagsinitiative ein ‚Industriepolitisches Konzept‘ des Landes gefordert.
Der DGB Nord hat das Thema dann ebenfalls auf seine Agenda gesetzt, die IHK Schleswig-Holstein hat eine Studie zur Industrie in Schleswig-Holstein veröffentlicht und die schriftliche Anhörung zu unserem Antrag hat viel Zustimmung zu unserer Forderung und viele Vorschläge gebracht – aus Verbänden, Kammern, Gewerkschaften und Wissenschaft.
Wir begrüßen es auch ausdrücklich, dass es jetzt im Wirtschaftsministerium ein Industriereferat gibt. Es ist gut, dass viele Akteure nicht nur erkannt haben, dass sich unser Land industriepolitisch wieder stärker engagieren muss, sondern auch entsprechend tätig geworden sind. Das Parlament sollte da nicht außen vor bleiben.
Unser Antrag vom letzten Jahr wurde im Ausschuss von der Regierungsmehrheit zuletzt erneut vertagt, und zwar mit dem Hinweis, dass ja in der nächsten Woche ein Kongress der Landesregierung zu diesem Thema stattfinden würde. Das ist einerseits bedauerlich und offenbart auch ein sehr defensives Parlamentsverständnis, das ich nicht teile.
Andererseits hatten wir ja aus den Vorschlägen aus der Anhörung und Gesprächen dazu bereits einen neuen Antrag formuliert, der Ihnen nun vorliegt.
Wir hatten ein Industriepolitisches Konzept des Landes gefordert. Die Landesregierung arbeitet nun an einer Industriepolitischen Strategie.
Sie sehen daran, dass wir Ihnen nun Eckpunkte für eine Industriepolitische Strategie vorgelegt haben, dass für uns am Ende zweitrangig ist, wie das Kind heißt. Entscheidend ist, dass es endlich das Licht der Welt erblickt und dann kein ungeliebtes Stiefkind des Parlamentes wird.
Wir schlagen Ihnen deshalb sechs Eckpunkte vor:
Standortmarketing: Wir sind stolzes Tourismus- und Mittelstandsland, aber eben nicht ausschließlich, sondern auch ein Industriestandort. Das muss auch bundesweit und international stärker kommuniziert werden. Im Übrigen muss dies aber auch im eigenen Land als Teil unserer Identität stärker kommuniziert werden.
Verkehrsinfrastruktur: Die Häfen und die industriellen Kerne müssen besser angebunden werden, im Straßen- und auch im Schienenbereich. Am wichtigsten ist den Unternehmen aber laut IHK-Studie mittlerweile eine erstklassige Breitbandanbindung.
Kooperation mit Hamburg: Da geht es vor allem um eine bessere Flächenplanung, eine gemeinsame Landesplanung und z.B. auch eine stärkere Kooperation der Häfen. Wir müssen uns endlich als gemeinsamen Wirtschaftsstandort begreifen, denn das sind wir ja schließlich mindestens schon seit Jahrzehnten.
Stärkung von Forschung und Entwicklung: Wir brauchen eine bessere Verknüpfung von Industrie und Forschung, z.B. bei der Ausbildung von Fachkräften, bei der Stärkung des MINT-Bereichs in Schulen und Hochschulen und ganz besonders beim Technologietransfer.
Wir brauchen mehr Verlässlichkeit und Planbarkeit durch Bürokratieabbau und verbesserte Ansiedlungspolitik: Weniger Auflagen, mehr Industrie- und Gewerbeflächen und schnellere Genehmigungsverfahren.
Letzter Punkt: Energieversorgung. Wir sind Stromexportland, warum muss der Strom erst in den Süden transportiert werden, wenn er hier verbraucht werden kann? Ein LNG-Terminal in Brunsbüttel könnte für weitere Attraktivität sorgen.
Durch die Digitalisierung wird sich die Industrie in den nächsten 10 Jahren wohl so stark verändern wie seit 100 Jahren nicht mehr. Das ist die große Chance für Schleswig-Holstein und Norddeutschland, industriepolitisch Boden gut zu machen. Schleswig-Holstein braucht eine Digitale Agenda, die mit einer Industriepolitischen Strategie eng verknüpft werden muss.
Ich freue mich auf die Debatte!“