Christopher Vogt: Halbzeit Schwarz-Grün - Schleswig-Holstein drohen fünf verlorene Jahre

Christopher Vogt

Seit zweieinhalb Jahren regiert Schwarz-Grün in Schleswig-Holstein. Zur Halbzeit zieht der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt, Bilanz:

"Anspruch und Wirklichkeit liegen bei dieser Landesregierung so weit auseinander wie bei kaum einer anderen zuvor. Um seine parteistrategische Entscheidung für die Grünen als Koalitionspartner zu rechtfertigen, hatte der Ministerpräsident die Vision des ‚ersten klimaneutralen Industrielandes bis 2040‘ gezeichnet. Davon ist diese Landesregierung jedoch Lichtjahre entfernt. Ein effektiver Klimaschutz ist nicht in Sicht und dem Wirtschaftsstandort droht aktuell die Deindustrialisierung. Wenn CDU und Grüne so weitermachen, wird Schleswig-Holstein kein klimaneutrales Industrieland, sondern maximal ein industriefreies Klimaland werden.

Schwarz-Grün wird noch nicht einmal die landeseigenen Gebäude bis zum Jahr 2040 klimaneutral machen können. Seit Jahren verharrt sogar der Anteil der landeseigenen Gebäude mit einer Photovoltaikanlage bei gerade einmal 4 Prozent. Die Landesregierung will jetzt mit der Photovoltaik-Pflicht private Bauherren zu etwas verpflichten, was sie selbst nicht hinbekommt. Damit verfehlt sie nicht nur ihre gesetzlich festgeschriebene Vorbildfunktion, sondern sorgt für weitere Politikverdrossenheit.

Der schwarz-grüne Koalitionsvertrag beinhaltet zwar nur wenige nennenswerte Projekte, aber es ist jetzt schon klar, dass diese bis zum Ende der Wahlperiode gar nicht mehr finanziert werden können. CDU und Grüne haben viel zu spät realisiert, dass man sich beim Haushalt in eine ernsthafte Schieflage hineinmanövriert hat. Nachdem man sich zunächst mit verfassungswidrigen Notkrediten retten wollte, müssen CDU und Grüne jetzt schmerzhafte Einsparungen vornehmen. An einer Haushaltskonsolidierung führt grundsätzlich kein Weg mehr vorbei. Die Bürger werden dies vor allem deshalb spüren, weil Schwarz-Grün viel zu spät gegengesteuert hat und mit den Kürzungen im Bildungsbereich und bei der Infrastruktur auch die falschen Schwerpunkte setzt.

Der Ministerpräsident ist sehr bemüht, in der Öffentlichkeit mit der Politik der eigenen Landesregierung möglichst wenig in Verbindung gebracht zu werden. Er macht vor allem Wohlfühltermine und äußert sich zur Bundespolitik. Im Landtag meldet er sich kaum noch zu Wort, um sich mit der Opposition nicht direkt auseinandersetzen zu müssen. Sein wichtigstes Ziel ist es, dass seine Koalition ihre große Uneinigkeit nicht öffentlich austrägt. Das sorgt aber immer mehr für politischen Stillstand, der unser Bundesland zurückwirft. Es wird am Ende der Wahlperiode nicht ausreichen, nur auf die persönlichen Beliebtheitswerte zu setzen.

Im Bildungsbereich gibt es gleich mehrere Großbaustellen, auf die die Bildungsministerin völlig unzureichend reagiert. Dies gefährdet die Chancen der jungen Generation in Schleswig-Holstein. Man bekommt immer mehr den Eindruck, dass die Bildungsministerin nur noch darauf wartet, offiziell nach Berlin zu wechseln.

Schleswig-Holstein ist beim Wirtschaftswachstum zuletzt deutlich zurückgefallen. Es fehlen neue Impulse durch den Wirtschaftsminister, der jetzt auch noch bei der Infrastruktur kürzen soll und nicht gerade durch überbordendes Engagement auffällt.

Die Justizministerin hat durch ihre dilettantische Gerichtsstrukturreform die gesamte Richterschaft gegen sich aufgebracht. Ihre Notbremse, mit der sie ihre 'alternativlosen' Pläne zurückgenommen hat, kam erst nach großem Druck von außen zustande. Sie hat viel Vertrauen verspielt und wird es deshalb jetzt sehr schwer haben. 

Digitalisierungsminister Schrödter hat sich mit dem planwirtschaftlichen E-Government-Gesetz, das er zurückziehen musste, und mit Förderanträgen, die die Kommunen per Post einreichen mussten, ziemlich blamiert. Hier muss einfach deutlich mehr kommen.

Ministerin Touré muss dringend an ihrer Amtsführung arbeiten. Außerdem sehen wir mit Sorge, dass sie die Kita-Reform in wesentlichen Bereichen zurückdrehen will. Bei der notwendigen Ordnung der Migrationspolitik steht sie permanent auf der Bremse.

CDU-Landwirtschaftsminister Schwarz lässt sich permanent vom grünen Umweltminister ausbremsen. Sein neu geschaffenes Ministerium war als Beruhigungspille für die CDU-Basis gedacht, was sich bisher allerdings nicht bewährt hat. 

Goldschmidts ideologisch motiviertes Lieblingsprojekt Nationalpark Ostsee ist zum Glück am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Wir sehen mit Sorge, dass aus seinem Ministerium jedoch dennoch immer wieder neue Bürokratiemonster kommen, die nicht zu den Ankündigungen des Ministerpräsidenten passen, aber dennoch von der Union mitgetragen werden.

Ein Lichtblick ist bisher vor allem die Innenministerin mit ihrer soliden Amtsführung. Und auch die neue Finanzministerin scheint zumindest solider arbeiten zu wollen, als es ihre Vorgängerin am Ende getan hat. Dies ist jedoch auch dringend notwendig und wird von uns sehr kritisch begleitet werden. 

Bei der Migrationspolitik ist deutlich geworden, wie weit die Vorstellungen von CDU und Grünen eigentlich auseinanderliegen. Der Ministerpräsident hat die Grünen hier ziemlich an die Wand drücken müssen, um sich nicht bundesweit zu blamieren. Dies wird er in dieser Form nicht allzu oft wiederholen können. Nach der Bundestagswahl dürften die Fliehkräfte innerhalb der Koalition deutlich zunehmen.

Dafür haben die Grünen die Gesundheitsministerin zuletzt im Bundesrat bei der Krankenhausreform vorgeführt und so demontiert, dass die vermeintliche Harmonie zwischen den Koalitionspartnern erstmals auch nach außen Risse zeigte.

Der ziemlich ambitionslose Koalitionsvertrag ist längst Makulatur geworden. Die fehlenden politischen Schnittmengen können nicht mehr durch zusätzliche Ausgaben kaschiert werden. Dies wird den Druck auf diese Koalition in der zweiten Hälfte der Wahlperiode deutlich erhöhen. CDU und Grüne haben einen starken gemeinsamen Willen zur Macht, aber es mangelt zunehmend am Gestaltungsanspruch.

Schleswig-Holstein drohen in dieser Wahlperiode fünf verlorene Jahre. Die CDU wird sich häufiger durchsetzen müssen, vor allem was die Schwerpunktsetzung angeht, die wieder in Richtung Bildung und Infrastruktur gehen muss."