Hochschule/Hochschulgesetz

Christopher Vogt: Koalition sollte einer dritten Lesung zustimmen

„Die vorliegenden Hochschulgesetzentwürfe haben in den vergangenen Monaten die große Gelegenheit geboten, endlich einmal eine breitangelegte Diskussion über die Zukunft unseres Hochschulstandortes zu führen. Diese Gelegenheit wurde aber leider nicht wirklich genutzt. Das bedaure ich sehr, aber es war von den meisten Beteiligten offenbar einfach nicht gewollt.

 

Insbesondere die Landesrektorenkonferenz hat sich nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Die Mehrheit in der LRK war der Auffassung, man sollte in der Anhörung lieber nichts zum Entwurf der Opposition sagen, um es sich nicht mit der Landesregierung zu verscherzen. Ich finde, dies offenbart ein sehr merkwürdiges und nicht gerade vorbildliches Demokratieverständnis. Ich kannte so etwas bisher nur aus lupenrein gelenkten Demokratien. Souveränität sieht anders aus. Sei es drum.

 

Anderswo in der Republik sind Hochschulpräsidenten deutlich selbstbewusster: Die Technische Universität Darmstadt, die in etwa vergleichbar ist mit der Kieler Christian-Albrechts-Universität, hat vor kurzem zehnjähriges Jubiläum gefeiert. Wohlgemerkt, nicht das ihrer Gründung, denn sie wurde bereits im Jahr 1877 gegründet, sondern ihr 10-jähriges Jubiläum als autonome Hochschule des Landes Hessen. Im Jahr 2004 wurde im Hessischen Landtag einstimmig (!) ein Gesetz verabschiedet, das diese Hochschule zur bundesweit ersten autonomen Hochschule gemacht hat. Bauvorhaben, Personalplanung und die Festlegung von Schwerpunkten in Forschung und Lehre wurden in einem Modellprojekt der Hochschule übertragen. Jetzt wurde ein positives Fazit gezogen: Das Modellprojekt ist geglückt. Der Mut des Hessischen Landtages hat sich ausgezahlt. Der Start war nicht ganz einfach, aber die Autonomie hat zu einer Kultur der Kreativität und einer hervorragenden Entwicklung der Hochschule geführt. Eine Rückkehr zu mehr ministeriellem Einfluss ist kaum noch vorstellbar.

 

Mit dem von meiner Fraktion vorgelegten Entwurf eines Hochschulfreiheitsgesetzes wollen wir auch in Schleswig-Holstein diesen erfolgreichen Weg gehen: So wollen wir die Potenziale unserer sehr heterogenen Hochschullandschaft zur Entfaltung bringen. Da geht es nicht nur um die Zusammensetzung der Hochschulgremien und die Bauherrenfähigkeit, sondern auch um die Finanz- und Personalhoheit. Bevor die Ministerin gleich wieder etwas anderes behauptet: Das hat überhaupt nichts mit Privatisierung der staatlichen Hochschulen zu tun. Die staatlichen Hochschulen sollen aber nach unserer Auffassung z.B. mehr Freiheit bei der Zusammensetzung des Senats erhalten (Stichworte Demokratisierung und Mitbestimmung), Studiengänge weitestgehend selbstbestimmt einrichten können und im Bereich der Ziel- und Leistungsvereinbarungen fairer behandelt werden. Wir wollen auch die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Kunst und Forschung stärken und diese nicht – wie SPD, Grüne und SSW es leider vorhaben – ohne jede Not in Frage stellen. Wir plädieren also für einen Paradigmenwechsel in der Hochschulpolitik des Landes. Der Landespolitik muss endlich bewusst werden, welch elementare Bedeutung die Wissenschaft für die Zukunftsfähigkeit unseres Bundeslandes hat. Unser Entwurf eines Hochschulfreiheitsgesetzes würde dem Rechnung tragen.

 

Leider wird es echte Autonomie für unsere Hochschulen aber wohl so schnell nicht geben: Die Landesregierung hatte uns einen eher schwachen Reformentwurf vorgelegt: Viele Selbstverständlichkeiten, einige kleinere Anpassungen, wenig Innovatives. Ich möchte jedoch zunächst vier Punkte hervorheben, wo wir Übereinstimmungen haben bzw. wo es bei Rot-Grün-Blau aus unserer Sicht mittlerweile in die richtige Richtung geht: Die Landesregierung möchte – wie auch wir – das sogenannte ‚Tenure Track‘-Verfahren, also einen verlässlicheren Karriereweg für Juniorprofessorinnen und -professoren, und die Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung von älteren Professorinnen und Professoren in das Gesetz aufnehmen. Das begrüßen wir. Dies liegt nicht nur im Interesse der Professoren, sondern auch im Interesse des Landes.

 

Beim Thema Bauherrenfähigkeit bleibt die Landesregierung zwar hasenfüßig, macht aber immerhin leichte Lockerungsübungen. Und: Die Koalitionsfraktionen wollen nun auch der Flensburger Europa-Universität die Möglichkeit geben, sich an den internationalen Studienkalender anzupassen, damit sie ihrem Namen und ihrer internationalen Ausrichtung noch besser gerecht werden kann. Wir wollen den Hochschulen dies grundsätzlich freistellen, aber wir begrüßen auch hier den rot-grün-blauen Erkenntnisgewinn.

 

Viele andere Punkte sehen wir jedoch sehr kritisch: Neue bürokratische Auflagen, das Vorschreiben von neuen Beauftragten, die die unterfinanzierten Hochschulen auch noch selbst finanzieren müssen und eine mehr als nur fragwürdige Einschränkung der Forschungsfreiheit durch die vorgeschriebenen Ethikkommissionen. Wie deren etwas vage Aufgabe an einer so großen Universität wie der Christian-Albrechts-Universität auch nur halbwegs sinnvoll umgesetzt werden soll, ist mir rätselhaft. Entweder werden diese Kommissionen völlig sinnlos sein oder sie werden mit dem Grundgesetz in Konflikt geraten. ‚Gut gemeint‘ ist auch hier das Gegenteil von ‚gut gemacht‘.

 

Für ein wenig Aufsehen hat der Regierungsplan zur Einführung des Promotionskollegs gesorgt. Diese ‚Krücke‘ soll dem Wunsch der Fachhochschulen Rechnung tragen, auch Promotionen anbieten zu können. Ich kann den Wunsch der Fachhochschulen zwar nachvollziehen, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass dieses Modell der Weisheit letzter Schluss ist. Bevor man so etwas auf den Weg bringt, sollte man sich zunächst einmal grundsätzlicher darüber unterhalten, warum es mit den Universitäten und den Fachhochschulen eigentlich verschiedene Hochschulformen gibt und was ihre jeweiligen Stärken und Schwächen sind. Die Nivellierung einfach immer weiter vorantreiben, ist jedenfalls keine sinnvolle hochschulpolitische Strategie.

Trotz unserer Skepsis haben wir zum Promotionskolleg einen kleinen Hilfsantrag eingereicht, weil wir der Meinung sind, dass man, wenn man diese Möglichkeit schon per Gesetz schafft, alle Fachhochschulen gleich behandeln und neben den staatlichen auch die staatlich anerkannten privaten Fachhochschulen berücksichtigen sollte. Alles andere wäre eine unbegründete Ungleichbehandlung. Deshalb haben wir dazu einen entsprechenden, klarstellenden Änderungsantrag vorgelegt und hoffen da auf Zustimmung vonseiten der Koalition.

 

Bedauerlich ist, dass es so viele Großbaustellen im Hochschulbereich gibt, die eigentlich angepackt werden müssten: So müssen beim Thema Personal endlich echte Perspektiven für den akademischen Mittelbau, also attraktive Laufbahnen und Arbeitsbedingungen geschaffen werden, damit auch die besten Leute in der Wissenschaft gehalten werden können. Auch die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen wird trotz guter Haushaltslage nicht beseitigt. Die BAföG-Entlastung durch den Bund fließt in andere Bereiche und ein Großteil der angekündigten Anhebung der Grundfinanzierung, die während der Beratung des Gesetzentwurfes verkündet wurde, kommt erst in der nächsten Wahlperiode. Die chronische Unterfinanzierung wird dadurch nicht beseitigt und jetzt werden den Hochschulen schon wieder neue unnötige Aufgaben aufgebürdet, die sie selbst bezahlen müssen.

 

Den schon schwachen Regierungsentwurf haben die Koalitionsfraktionen leider noch einmal erheblich verschlimmbessert: Wie wir es schon bei der ersten Lesung des Lehrkräftebildungsgesetzes vonseiten des Ministerpräsidenten erleben durften, wurden dieses Mal von den Koalitionsfraktionen in letzter Sekunde erhebliche Änderungen vorgelegt, die mit den Hochschulen nicht besprochen wurden. Die Rechtfertigungsversuche der Kollegen Habersaat und Andresen, alle Änderungen seien doch schon einmal irgendwie und irgendwann thematisiert worden, finde ich bemerkenswert, denn die betroffenen Hochschulen wollen davon ja nichts wissen und stehen auf den Barrikaden. Selbstgespräche ersetzen eben keinen Dialog. Es ist ja wirklich ein Treppenwitz, dass sich nun ausgerechnet der vermeintliche Oberlinke der SPD, Dr. Ralf Stegner, am SPD-Parteitageswochenende an der Schröderschen Basta-Politik ein Beispiel genommen hat.

 

Der Oppositionsantrag auf eine dritte Lesung baut der Koalition jetzt eine Brücke, über die sie gehen sollte. Da bricht niemandem ein Zacken aus der Krone. Keine Sorge, Herr Habersaat, unser Interesse ist es nun wirklich nicht, Ihnen mangelnde Handlungsfähigkeit vorzuwerfen. Wären wir gehässig, könnten wir uns über Ihr dilettantisches Vorgehen ja freuen. Wir wollen aber erreichen, dass Sie an den Hochschulen zumindest keine größeren Schäden anrichten. Die Hochschulen sind für unser Bundesland einfach zu wichtig, als dass der Gesetzgeber mit wenig durchdachtem Murks ihre Arbeitsfähigkeit riskieren sollte.

 

Das größte Problem haben die Hochschulen ja offenbar mit dem geplanten Verbot der Anwesenheitspflicht. Nun muss ich gestehen, dass ich mit meinem liberalen Menschenbild die Anwesenheitspflicht nicht unbedingt als das Nonplusultra der hochschulischen Lehre bezeichnen würde. Ich bin nun wirklich kein Freund der Verschulung unserer Hochschulen. Es kann aber gute Gründe dafür geben, in bestimmten Bereichen eine Anwesenheitspflicht zu haben. Mir fällt kein sinnvollerer Weg ein, als die Klärung auch dieser Frage den Hochschulen zu überlassen. Das rot-grün-blaue Verbot macht jedenfalls keinen Sinn und ich kann verstehen, dass die Hochschulen dies so vehement ablehnen.

 

Ich will die Kollegen Habersaat und Andresen nun wirklich nicht größer machen als sie sind, aber bei ihren Vorschlägen muss man ja immer auch ein wenig schauen, was dahinter stecken könnte. Ich fürchte ja, Ihr Präsenzpflicht-Verbot soll gar nicht in erster Linie dazu dienen, Ihren AStA-Genossen einen Gefallen zu tun. Vermutlich soll dieser Schritt in Wirklichkeit Ihre Antwort auf die unsere Frage sein, wie Sie den doppelten Abiturjahrgang im Jahr 2016 bewältigen wollen. Sie hoffen wohl darauf, dass jetzt möglichst viele Studenten morgens im Bett liegen bleiben ;-)

 

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie sprechen mittlerweile zwar auch von mehr Autonomie, aber unterm Strich wollen Sie die Hochschulen mit Ihrem neuen Hochschulgesetz wieder stärker einschnüren.  Sie versprechen mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung und mehr Transparenz, erreichen aber das genaue Gegenteil. Beim Thema Mitbestimmung scheint es Ihnen vor allem um Ihre eigene Mitbestimmung zu gehen: Sie wollen in die Hochschulen wieder stärker hineinregieren und das wird den Hochschulen schaden. Demokratisierung wird in aufgeblähten Gremien nur simuliert, denn viel zu entscheiden sollen diese ja nicht haben. Der erweiterte Senat soll zwar in etwa so groß wie der Landtag werden, darf dann aber am Ende über so weltbewegende Dinge entscheiden, wie z.B. den Farbton, in dem die Türen angestrichen werden sollen.

 

Wenn Sie mir nicht glauben wollen, dass eine weitere Beratung notwendig ist, möchte ich Sie auf die Aussage der Präsidentin der Lübecker Fachhochschule, Frau Dr. Helbig, hinweisen, die zu den Plänen der Koalitionsfraktionen sagte, dass sie hoffe, dass dieser Unsinn noch verhindert wird. Zitat: ‚Wenn das Gesetz kommt, können wir unsere Strategien zur Weiterentwicklung der Fachhochschule für die nächste Zeit auf Eis legen.‘ Das muss einem doch zu denken geben. Ich kenne Frau Dr. Helbig jedenfalls als sehr sachliche Repräsentantin ihrer Hochschule. Auch der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, der Flensburger Uni-Präsident Prof. Reinhart, dem man nun wirklich nicht unterstellen kann, dass er es mit dieser Landesregierung nicht gut meinen würde, hat der Koalition in einem shz-Gastbeitrag ins Stammbuch geschrieben: ‚Nur wer der Überzeugungskraft der eigenen Argumente misstraut, muss auf Hast und Beschleunigung setzen.‘

 

Für den Fall, dass der Überweisungsantrag der Opposition abgelehnt werden sollte, beantrage ich für die Abstimmung in der Sache eine namentliche Abstimmung.“