Christopher Vogt zu TOP 13 „Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung

Fraktionsvorsitzender Christopher Vogt

In seiner Rede zu TOP 13 (Gesetz zur Stärkung der Qualität in der Kindertagesbetreuung und zur finanziellen Entlastung von Familien und Kommunen) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

„Ich freue mich sehr, dass wir nach zwei Jahren sehr intensiver Vorarbeit nun in erster Lesung über den Entwurf des neuen Kita-Gesetzes debattieren.

Es ist eine große und mutige Reform, die die frühkindliche Bildung in unserem Bundesland erheblich voranbringen wird. Dieses Großprojekt ist nicht nur ein finanzielles, sondern gleichzeitig auch ein politisches Schwergewicht dieser Wahlperiode. Es geht uns dabei im Kern um mehr Chancengerechtigkeit für unsere Kinder in Schleswig-Holstein. Jedes Kind soll die Möglichkeit haben, von Beginn an nicht nur gut betreut zu werden.

Wir wollen die sozialen Kompetenzen und die Talente von allen Kindern, die eine Krippe bzw. eine Kita besuchen, bestmöglich fördern, um sie auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben vorzubereiten. Ich freue mich, dass der Entwurf sehr nah dran ist an dem, was wir uns als FDP in unserem Landtagswahlprogramm zum Thema frühkindliche Bildung vorgenommen hatten. Damit setzen wir auch ein weiteres wichtiges Versprechen um und bringen die frühkindliche Bildung in Schleswig-Holstein auf ein ganz neues Niveau. Wir machen diese Reform aber nicht, um uns zu profilieren, sondern weil es großen Handlungsdruck gibt: vielerorts hohe Elternbeiträge, die einfach unsozial sind; zum Teil schlechte Qualität und auch Kommunen, die sich mit den Kosten allein gelassen fühlen. Letzteres vermutlich auch zu Recht. Das System der Kinderbetreuung und frühkindlichen Bildung hat sich in unserem Bundesland in den letzten Jahrzehnten – ähnlich wie in den anderen westdeutschen Bundesländern – fortlaufend weiterentwickelt. Angesichts der recht kleinteiligen kommunalen Struktur und der vielen verschiedenen Träger ist im Laufe der Zeit eine bunte Landschaft entstanden, um es freundlich auszudrücken.

Man könnte jetzt mit dem vielen Geld, das wir investieren, natürlich weiter an diesem intransparenten und ineffizienten System, das vielerorts nicht besonders familienfreundlich ist, herumdoktern. Das wäre für die Koalition zwar deutlich bequemer, aber aus meiner Sicht auch nicht wirklich verantwortungsvoll gewesen. Deshalb haben wir uns an diese umfassende Reform gewagt. Und ich bin sehr dankbar dafür, dass sich so viele Akteure sehr frühzeitig in einem breiten Diskussionsprozess eingebracht haben, bevor dieser Gesetzentwurf auf dem Tisch lag. Ich danke allen Beteiligten für die geleistete Arbeit, die ja noch lange nicht zu Ende ist.

Natürlich sorgt eine solch komplexe und prägende Strukturreform bei Kommunen, Trägern und Eltern für etwas Unruhe und Fragen. Es geht auch um sehr viel Geld und jeder möchte natürlich seine Interessen bestmöglich berücksichtigt wissen. Das ist in einer pluralistischen Gesellschaft nicht nur legitim, sondern auch gewünscht. Es wird eine ganz neue Finanzierungsstruktur geben, die ich für absolut sinnvoll halte. Ich kenne natürlich auch die Bedenken des Gemeindetages. Wir haben auch darüber diskutiert. Wichtig ist mir zu betonen, dass es nicht nur vernünftige Übergangsrege-lungen geben soll, sondern auch Evaluationen. Das ist aus meiner Sicht sachgerecht und uns ist völlig klar, dass die Diskussion nicht zu Ende sein wird, wenn das Gesetz beschlossen und in Kraft getreten ist.

Diese Reform ist letztlich zu groß für nur eine Wahlperiode, aber einfach nur an unserem Kita-System herumgedoktert wurde wirklich lange genug. Transparenz, klare Zuständigkeiten und sinnvolle Finanzierungsströme vermeiden auch unnötige Bürokratie, die zuletzt zum Beispiel durch den sicherlich gut gemeinten ‚Krippen-Hunderter‘ der Vorgängerregierung geschaffen wurde. Dieser Hunderter, vom damaligen Ministerpräsidenten im Vorwahlkampf per Brief an die Eltern verkündet, wurde nicht nur allzu oft vom System aufgefressen, sodass die Entlastung bei den Eltern entweder gar nicht oder nur teilweise ankam. Die Antragstellung beim Landesamt für soziale Dienste ist aufwendig und die langen Bearbeitungszeiten fast schon legendär. Das wollen wir nicht verlängern und auch nicht wiederholen.

Unser bekannter Dreiklang lautet: Die Familien entlasten, die Qualität verbessern und auch die Kommunen besser unterstützen, die eine große Last zu tragen haben. Land und Kommunen werden weiterhin eine große gemeinsame Verantwortung für die frühkindliche Bildung haben. Das Land wird seinen Zuschuss im Laufe dieser Wahlperiode mehr als verdoppeln. Pro Kind heißt dies, dass der jährliche Landeszuschuss von ca. 2000 Euro im Jahr 2017 auf 4400 Euro im Jahr 2022 steigen wird. Was die zukünftige Finanzierung angeht, spüren wir ja alle vor allem die Unruhe bei vielen Ver-tretern der Kommunen. Einiges kann ich da auch durchaus nachvollziehen, vieles aber auch nicht. Es ist angesichts der fehlenden Ist-Zahlen bei vielen Kommunen nicht so einfach zu berechnen, aber angesichts der vielen zusätzlichen Landesmittel bin ich mir sicher, dass die meisten Kommunen letztlich finanziell von dieser Reform profitieren werden. Das hat schlicht-weg was mit Mathematik zu tun. Der kommunale Finanzierungsanteil sinkt spürbar. Durch die deutlich höheren Landeszuschüsse wird dieser von 54 Prozent auf 45 Prozent abgesenkt, wenn man das neue System als Bezugs-größe zugrunde legt. Der Anteil der Gemeinden wird nur noch rund 36 Pro-zent betragen.

Die Forderung des Gemeindetages nach der Drittelfinanzierung ist zwar aus deren Sicht irgendwie nachvollziehbar, würde doch aber realistischerweise erheblich zulasten der Eltern gehen. Es ist eine alte Forderung, aber versprochen hat das niemand. Die Kostensteigerungen durch die Lohnentwicklung und den weiteren Ausbau der Plätze sind in den Planungen des Landes enthalten. Sie können also nicht als Grund für Beitragserhöhungen unter-halb des Beitragsdeckels herangezogen werden. Es werden am Ende aber auch einige Kommunen finanziell nicht so sehr von der Reform profitieren wie andere und manche vermutlich auch draufzahlen. Das werden die Kommunen sein, in denen es bisher hohe Elternbeiträge, aber gleichzeitig keine besonders gute Qualität gibt. Die müssen also bei der Elternentlastung und bei der Qualitätsverbesserung jeweils zulegen. Ich finde es aber auch hier nur folgerichtig, dass letztlich das Leistungsprinzip Anwendung findet. Diejenigen Kommunen, in denen bisher schon hohe Qualität angeboten und niedrige Beiträge erhoben werden, werden mit den zusätzlichen Landesmitteln die Beiträge weiter absenken und im Zweifel auch die Qualität weiter erhöhen können. Ich bin gespannt, wie dies zum Beispiel in den großen Städten umgesetzt wird, und wie sich die Sozialdemokraten dabei einbringen werden.

Die weiteren Vorteile, die dieses Gesetz für unser Kita-System bringen wird, sind vielfältig: Neben der landesweiten Sozialstaffel wird es eine landesweite Geschwisterregelung für Kinder in der vorschulischen Betreuung geben. Die Wahlmöglichkeiten bei der Platzauswahl werden verbessert – auch über die Gemeindegrenzen hinweg – was bisher oft sehr schwierig ist. Dies gilt logischerweise für vorhandene Kapazitäten, einen Gemeindekindervorrang wird es weiterhin geben und das ist auch gut so. Die Kita-Datenbank wird die Suche nach einem Platz erheblich erleichtern. Auch hier wird unser Kita-System endlich im 21. Jahrhundert ankommen. Die Beteiligungsmöglichkeiten der Eltern auf Landes-, Kreis- und Ortsebene wer-den gestärkt werden. Die Schließzeiten werden vernünftig und zuverlässig geregelt. Der Fachkraft-Kind-Schlüssel wird verbessert. Die Eltern werden landesweit eine gute Qualität vorfinden. Natürlich bleibt es eine Heraus-forderung, ausreichend Fachkräfte zu bekommen. Aber was ist die Alternative zu besseren Qualitätsstandards? Und ich bin mir sicher, die Reform wird auch dazu beitragen, dass der Anreiz für viele junge Menschen größer sein wird, in der frühkindlichen Bildung tätig zu werden.

Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass das Thema Elternbeiträge umstritten bleiben wird. In Richtung der sozialdemokratischen Opposition sage ich deshalb noch einmal ganz deutlich: Wir gehen mit der Gesamtsumme von rund einer Milliarde Euro in dieser Wahlperiode an das finanzielle Limit des Landes, wenn wir nicht bei Bildung, Polizei, Justiz oder auch Infrastruktur massiv kürzen wollen. Wir haben am Mittwoch auch gemeinsam festgestellt, dass die Konjunktur in Deutschland kurzfristig nicht gerade nach oben zeigt. Wir deckeln erstmals die Elternbeiträge auf bezahlbarem Niveau, schaffen eine landesweite Sozialstaffel und versetzen auch viele Kommunen in die Lage, die Beiträge im Zweifel noch weiter abzusenken. Wir werden die sofortige landesweite Abschaffung der Elternbei-träge aber nicht zu Lasten der Qualität und nicht zu Lasten der Kommunen umsetzen. Das müssten wir aber tun, wenn wir ihre Forderungen aufnehmen würden. Es ist auch keine Option, IMPULS zu plündern oder weitere Schulden zu machen. Die Kinder müssten ihre beitragsfreien Plätze dann abbezahlen, wenn sie irgendwann selbst Kinder haben. Schulden haben wir in Schleswig-Holstein wirklich genug. Ich will der Generation meiner Kinder nicht noch mehr davon hinterlassen.

Dieses SPD-Märchen, nach dem wir im Norden dann allein stehen würden, glaubt doch eh kein Mensch. Die SPD hat uns nicht nur eine unterdurchschnittliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die höchsten Elternbeiträge bundesweit hinterlassen. Beides packen wir jetzt energisch an, aber an der Realität kommen auch wir nicht vorbei. Die anderen Bundesländer haben eben andere finanzielle Möglichkeiten und sie fangen auch nicht erst an, die Familien zu entlasten. Mecklenburg-Vorpommern konnte die Beiträge kürzlich abschaffen, weil dort schon vorher kaum welche erhoben wurden. Hamburg hat nur den halben Tag beitragsfrei, danach wird es teuer und auch Niedersachsen hat nur den Ü3-Bereich beitragsfrei gestellt und da werden wir ja noch sehen, wie seriös das finanziert wurde. Der Bund finanziert diese Reform durch das ‚Gute-Kita-Gesetz‘ mit 191 Millionen Euro in dieser Wahlperiode mit, die wir etwa hälftig für Qualität und Elternentlastung verwenden. Ich bin aber der Meinung, dass der Bund in der Pflicht ist, sich dauerhaft und umfassender an der Finanzierung des Kita-Systems zu beteiligen. Das sollten wir gemeinsam noch stärker einfordern.

Ich danke allen Beteiligten für die bisher geleistete Arbeit – allen voran Heiner Garg und Matthias Badenhop mit ihrem Team, aber auch den Fach-politikern der Koalitionsfraktionen! Wir freuen uns auf die weitere Beratung im Ausschuss und danach auf eine Reform, die unser Kita-System vom Kopf auf die Füße stellt und ins 21. Jahrhundert bringt. Ich finde, man kann das hart erarbeitete Geld der Steuerzahler nicht besser investieren, als in das Wohl und die Zukunft unserer Kinder!“