Christopher Vogt zu TOP 4 "Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein"

CV

In seiner Rede zu TOP 4 (Änderung der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein) erklärt der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Christopher Vogt:

,,Wenn wir über so etwas Wichtiges und Ernstes wie unsere Landesverfassung sprechen, dann ist es meines Erachtens angebracht, zuerst einmal das Gemeinsame herauszustellen: Deshalb möchte ich für die Freien Demokraten hier nochmal ausdrücklich erklären, dass wir die Ziele eines effektiven Klimaschutzes ausdrücklich teilen.

Das gilt insbesondere für das Pariser Klimaschutzabkommen, auf das sich die SPD-Fraktion ja auch bezieht und hinter dem wir Freie Demokraten stehen. Dieses Klimaschutzabkommen setzt ziemlich klare Zielmarken. Wir haben also schon ein sehr konkret ausformuliertes Ziel, hinter dem sich ­ soweit ich das erkennen kann ­ alle staatstragenden Parteien versammeln.

Wir streiten also lediglich ­ und das ist auch unsere Aufgabe ­ über den richtigen Weg zu diesem Ziel. Und es wäre meines Erachtens besser und vor allem zielführender auch heute über konkrete Ideen für einen wirksamen Klimaschutz zu streiten als über ein weiteres Lippenbekenntnis zu diesem.

Wir sind doch eigentlich schon viel weiter ­ dachte ich zumindest.

Nun haben wir aber den SPD-Entwurf für die Verfassungsänderung auf dem Tisch. Ich möchte deutlich machen, warum wir so unsere Probleme mit diesem Vorstoß haben: Aus meiner Sicht ist es offensichtlich, dass es der SPD-Fraktion in erster Linie darum geht, dem recht einseitig geführten Rosenkrieg mit den Grünen ein weiteres Kapitel hinzu zu fügen: Das könnte uns ziemlich egal sein. Ich sage aber ganz deutlich: Mit unserer Verfassung spielt man nicht. Wir haben aber auch erhebliche inhaltliche Bedenken: Der Vorschlag sieht in Artikel 11 die Ergänzung der Worte ,insbesondere das Klima` vor. Das ,insbesondere` bezieht sich auf ,die natürlichen Lebensgrundlagen`, deren Schutz schon jetzt in unserer Verfassung verankert ist und das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die anderen Träger der öffentlichen Verwaltung entsprechend bindet. Es geht Ihnen also nicht um die Ergänzung von etwas Neuem ­ bisher nicht Erwähntem ­ sondern um die Hervorhebung von etwas, was bereits durch die Landesverfassung geschützt ist. Es geht Ihnen um einen bisher nicht ausdrücklich erwähnten Teil von etwas Größerem und Umfassenderem als ,nur` den Klimaschutz, der ja letztlich Teil des Umweltschutzes ist. Die Hervorhebung des Klimaschutzes wird im Gesetzesentwurf damit gerechtfertigt, dass damit die besondere Verantwortung aller Träger der öffentlichen Verwaltung des Landes zur Einhaltung der durch internationale Verträge eingegangenen Verpflichtung zum Klimaschutz unterstrichen würde. Mit dieser Begründung wird deutlich, dass überhaupt nicht der Anspruch besteht, etwas über einen reinen Schaufensterantrag hinaus zu regeln.

Schauen wir uns die bestehende Regelung noch einmal näher an. Die Über- arbeitung der Landesverfassung ist übrigens auch noch nicht allzu lange her. Der Schutz der natürlichen Grundlagen des Lebens findet nicht nur Erwähnung in Artikel 11 der Landesverfassung, sondern ist auch in Artikel 20a des Grundgesetzes verankert, in dem es heißt: ,Der Staat schützt auch in Verantwortung für die zukünftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung [...].` Landesverfassung und Grundgesetz haben damit einen glasklaren Handlungsauftrag an den Staat formuliert, die Umwelt zu schützen. Es ist dabei anerkannt und nicht ernsthaft bestritten, dass dies vor allem auch den Schutz des Klimas betrifft. Insbesondere aus dem Grundgesetz wird daher die Verpflichtung hergeleitet, sich auch international für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen, und zwar unabhängig davon, ob die Auswirkungen Mitteleuropa weniger stark treffen als andere Länder. Wenn die Bundesrepublik Deutschland sich also auf internationaler Bühne für verbindliche Klimaziele eingesetzt hat ­ etwa bei der UN-Klimakonferenz von Paris ­ so ist dies auch Ausfluss des in Artikel 20a des Grundgesetzes formulierten Staatszieles und dem darin enthaltenen Handlungsauftrag.

Sowohl Grundgesetz als auch Landesverfassung haben mit den Formulierungen ,natürliche Grundlagen des Lebens` und ,natürliche Lebensgrundlagen` universale Formulierungen zum Staatsziel Umweltschutz formuliert.

Teilaspekte sind hier bisher nicht vorgehoben. Es war immer eine Stärke des Grundgesetzes mit diesen kurzen und prägnanten Formulierungen ein erfolgreiches und gut funktionierendes Verfassungsleben zu etablieren. Die selektive Hervorhebung von Einzelaspekten und damit die Durchbrechung des universellen Ansatzes sind daher eher ungewöhnlich und haben, wenn sie passieren, einen Sinn, mit dem ggf. auch eine Wertung einhergeht. Dabei kann die explizite Nennung durchaus sinnvoll sein. Etwa als Mitte der 1990er Jahre der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Aufnahme in das Grundgesetz fand. Der Staat war aus der Verantwortung für Büger schon vorher in der Pflicht, die Lebensgrundlagen zu erhalten. Dennoch war es gut und wichtig, diese Pflicht zu konkretisieren und auszudehnen.

Der vorhin von mir geschilderte Handlungsauftrag war eben tatsächlich umfassender als die bloße Pflicht die ,ökologische Minimalexistenz` zu sichern.

Was wäre also die Folge der Aufnahme einer vermeintlich harmlosen Konkretisierung?

Kann Symbolpolitik auch unerwünschte Nebenwirkungen haben? Ja, das kann der Fall sein! Denn wie verhielte sich etwa zukünftig der Klimaschutz zu anderen Aspekten des Umweltschutzes? So würde beispielsweise der Schutz des Wassers keine extra Erwähnung finden.

Die Frage lautet dann: Ist hier eine unterschiedliche Wertung gewollt oder ist diese einfach nur aus Versehen passiert? Die Rufe würden dann vermutlich irgendwann ­ nicht ganz unberechtigt ­ laut werden, in der Verfassung klarzustellen, dass der Schutz des Wassers und der Schutz des Klimas eine ähnliche bis gleich große Bedeutung haben.

In der Bundestagsdebatte um die Aufnahme des Klimaschutzes ins Grundgesetz wies die SPD-Abgeordnete Dr. Nina Scheer zurecht darauf hin, dass es noch mehr wünschenswerte Änderungen des Grundgesetzes gäbe (Zitat):

,,Wenn es etwas Grundgesetzliches gibt, dann sollten wir übrigens auch überlegen: Sind die Ressourcen nicht auch zu schützen? Sind Kinderrechte nicht auch mit aufzunehmen?" Das alles müsse man sehr sorgsam und umfassend abwägen und diskutieren.

Die Verfassung ist nicht der Ort für Schnellschüsse. Auch nicht wenn man meint, dass man nur Offensichtliches klarstellen würde.

In Bayern wurde die Aufnahme des Klimaschutzes interessanterweise durch CSU und Freie Wähler angestrebt und ist inzwischen gescheitert. Die FDP stimmte dem Ansinnen dort zu. SPD und Grüne stimmten dem hingegen nicht zu. Kritisiert wurde etwa von SPD und Grünen, es handle sich um reine Symbol -und Alibipolitik, für die man sich nicht hergebe. Statt diesem Sym- bol wurden konkrete Schritte zum Klimaschutz gefordert. Ich halte diesen Ansatz der bayerischen Sozialdemokraten für sehr vernünftig.

Statt an unserer Verfassung herumzudoktern, sollten wir die Zeit nutzen, um für konkrete Lösungen zu sorgen. Etwa durch das weitere Voranbringen einer Energiewende mit Sinn und Verstand oder bei der Diskussion um die richtige Mobilität der Zukunft. Lassen sie uns da lieber konkret werden, als dass wir uns in einer verfassungsrechtlichen Diskussion verzetteln, obwohl wir uns über das Ziel schon seit Jahren einig sind."

 

Es gilt das gesprochene Wort.