„Die FDP-Fraktion stimmt dem Antrag zu. Was den Gang nach Karlsruhe zu einer Verfassungsklage gegen die im Dezember vom Bundestag erneut beschlossene Vorratsdatenspeicherung betrifft, so muss ich allerdings frei nach der Fabel von Hase und Igel sagen: Wir sind schon da. Unser Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki hat bereits Ende Januar die Klageschrift in Karlsruhe eingereicht.
Doppelt genäht hält aber immer besser: Dessen halten wir es auch für richtig, die Landesregierung zu einem Normenkontrollverfahren gegen das Bundesgesetz aufzufordern, das die Vorratsdatenspeicherung abermals in Deutschland eingeführt hat.
Ein früheres Gesetz hierzu ist ja bekanntlich bereits 2010 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden.
Der Landtag hat zu dem Thema bereits mehrfach Debatten geführt: am 21. November 2013, am 12. Dezember 2013 und am 19. März 2015, also zuletzt vor ziemlich genau einem Jahr. Es gibt in der Sache – was die Ablehnung der anlasslosen, massenhaften Vorratsdatenspeicherung angeht – in diesem Parlament auch einen breiten Konsens – mit Ausnahme allein der CDU-Fraktion.
In den zurückliegenden Debattenrunden sind die Argumente bereits ausführlich ausgetauscht worden. Deshalb will ich mich an dieser Stelle auf zwei kurze Anmerkungen beschränken.
Die Karlsruher Richter haben in ihrem Urteil vom 2. März 2010 ausgeführt: ‚Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss.‘
Nach einer Entscheidung des Europäischen Parlaments Mitte Dezember 2005, die vor allem von den Fraktionen der EVP (Konservative/Christdemokraten) und der Sozialisten – also wieder einmal einer Großen Koalition – getragen wurde, hat der Rat der Innen- und Justizminister wenige Wochen später im Februar bei nur 2 Gegenstimmen – nämlich Irlands und der Slowakei – der Richtlinie zur Vorratsdatenspeichung dann zugestimmt.
Im April 2014 ist sie dann aber auch vom Europäischen Gerichtshof für unvereinbar mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erklärt worden. Dies betrifft insbesondere die Artikel 7 und 8 der Charta: ‚Jede Person hat das Recht auf die Achtung ihrer Kommunikation‘ (Art. 7) und ‚Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten‘ (Art. 8).
Leider hat die SPD auf Bundesebene bei Abschluss der Großen Koalition gleichwohl dem Drängen der Union nachgegeben, so dass es dann Ende vorigen Jahres erneut zu einer bundesgesetzlichen Regelung gekommen ist. Wir Freie Demokraten hatten dies in vorigen Wahlperiode noch erfolgreich verhindern können; die SPD ist leider auf Bundesebene rückfällig geworden – sie war ja bereits beim ersten, sowohl vor dem Bundesverfassungsgericht als auch vor dem EuGH gescheiterten Anlauf maßgeblich mitbeteiligt.
Die Befürworter der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung führen für ihre Position immer wieder Sicherheitsbedürfnisse ins Feld, insbesondere im Hinblick auf die Abwehr bzw. Verfolgung schwerer Kriminalität und insbesondere auch des Terrorismus. Abgesehen davon, dass mit einer solchen Argumentation auch alle anderen Grundrechte zur Disposition gestellt werden könnten, ist die immer wieder vorgebrachte Begründung auch in der Sache falsch.
Nehmen als Beispiel die Pariser Terroranschläge vom 13. November 2015: in Frankreich gibt es seit Januar 2006 eine 12-monatige anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Sie hat diese Anschläge und andere terroristische Aktionen nicht verhindert. Die beteiligten Terroristen waren im Übrigen meist bereits seit längerer Zeit bei Polizei und Nachrichtendiensten ‚aktenkundig‘. Mit anderen Worten: Es hätte überhaupt nichts genutzt, in einem stetig größer werdenden ‚Heuhaufen‘ gesammelter Daten nach ‚Stecknadeln‘ zu suchen. Man hätte vielmehr die bereits bekannten, bereits identifizierten ‚Stecknadeln‘ besser unter die Lupe nehmen müssen, sei es durch Überwachung ihrer Kommunikation oder durch andere, ‚klassische‘ polizeiliche und nachrichtendienstliche Mittel. Das gleiche gilt im Übrigen auch für Rückzugsräume eines Teils der Pariser Attentäter in Belgien, in dem Brüsseler Vorort Molenbeek.
Über diese Gemeinde heißt es: ‚Molenbeek gilt als ein bekanntes Milieu, aus dem heraus mehrfach Personen in Terroranschlägen aktiv wurden(...)‘.
Wenn es eine Lehre aus den üblen terroristischen Akten der zurückliegenden Jahre gibt, dann ist es diese: Weder hat die anlasslose, massenhafte Vorratsdatenspeicherung dort, wo sie in Europa praktiziert wird, Terrorismus verhindert, noch hat das Fehlen solcher Bestimmungen in anderen europäischen Staaten Polizei und Nachrichtendienste daran gehindert, terroristische Pläne zu vereiteln – wie es ja gerade in Deutschland mehrfach – zum Glück! – gelungen ist.
Den peinlichsten Rechtfertigungsversuch hat sich übrigens Sigmar Gabriel bereits 2013 geleistet. Die Aufnahme der Vorratsdatenspeicherung in die Koalitionsvereinbarung mit der Union begründete er damals mit der Erklärung, er sei mit diesem Instrument einverstanden, wenn dadurch Täter wie der Terrorist Anders Breivik in Norwegen schnell gefasst werden könnten. In Norwegen ist Vorratsdatenspeicherung aber gar nicht erlaubt. Sie kann also dort auch gar keine Rolle bei der Dingfestmachung eines Täters gespielt haben.“