Heiner Garg zu TOP 20+45 "Kinderarmut beenden"

Heiner Garg

In seiner Rede zu TOP 20+45 ("Kinderarmut beeanden") erklärt der sozialpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Heiner Garg:

"Ich möchte zunächst einmal auf Ihren Bericht eingehen. Sie haben über die Sozialberichterstattung berichtet. Die Koalitionsfraktionen haben beantragt, die Sozialberichterstattung weiter auszudifferenzieren. Das finde ich grundsätzlich auch gut, wenn man die richtigen Konsequenzen daraus zieht und Maßnahmen ergreift und umsetzt.

Bei dem Thema Armutskonferenz bin ich anderer Meinung als meine Vorrednerinnen und Vorredner. Man kann das sicher tun. Ich glaube, dass wir beim Thema Kinderarmut kein Erkenntnisdefizit sondern ein Umsetzungsdefizit haben. Sie haben sich darauf verständigt, eine Armutskonferenz durchzuführen. Ich würde an Ihrer Stelle noch einmal mit dem Kinderschutzbund sprechen, was die von der Armutskonferenz halten. Ich glaube, dass konkrete Maßnahmen wichtiger wären.

Ich will an eine konkrete Maßnahme erinnern, weil hier so ein flammendes Plädoyer gekommen ist – unter anderem von der Kollegin Eka von Kalben, dass auch die regierungstragenden Fraktionen Bildung kostenfrei machen würden, wenn sie könnten. Wir haben gestern einen Haushalt beraten – den ersten Haushalt in dieser Legislaturperiode. Frau Ministerin, Sie wissen ja, dass die Folgehaushalte eher schwieriger werden, nachdem die Finanzministerin gestern die Lücken in der mittelfristigen Finanzplanung erwähnt hat. Vor dem Hintergrund, dass Sie gestern im Haushalt nicht einen einzigen Euro zur Entlastung von Familien und ihren Kindern im Hinblick auf die Kita-Beiträge verabschiedet haben, wäre ich an Ihrer Stelle ein bisschen bescheidener.

Dass die Tarifanpassungen im Kitagesetz nachvollzogen werden, halte ich für eine pure Selbstverständlichkeit. Es bleibt ein purer Fakt, dass Sie nicht einen müden Euro in die Hand genommen haben, um Beiträge für Familien mit Kitakindern zu senken. Nicht einen Euro.

Ich habe jahrelang für eine eigenständige Kindergrundsicherung gekämpft. Das habe ich auch in der letzten Legislaturperiode getan und ich durfte in Berlin an Koalitionsverhandlungen teilnehmen. Selbstverständlich ist die Kindergrundsicherung der Kernbestandteil, um Kinderarmut in Zukunft wirksamer begegnen zu können.

Schöner als die Kollegin Midyatli, die es vorhin sehr deutlich zum Ausdruck gebracht hat, kann man da nicht drauf reagieren. Ich hätte das normalerweise gar nicht gemacht, aber da Sie diese Zwischenfragen gestellt haben und die Frau Sozialministerin wieder nicht drauf verzichtet hat, zum Finanzminister nach Berlin zu zeigen, mache ich es jetzt doch:

Man darf auch von einer grünen Ministerin erwarten, dass sie mal ins Arbeiten kommt. Diese Koalition in Berlin und darauf bin ich stolz, um das auch deutlich zu sagen, weil ich mich nicht ständig von der eigenen Regierung distanziere, hat alleine für dieses Jahr dafür gesorgt, dass Familien um 7 Milliarden Euro entlastet werden. Sie wissen vermutlich genauso gut wie ich, dass das Bundesfinanzministerium seit Wochen einfordert, welches Finanztableau denn unter Berücksichtigung der Leistung, die gerade erhöht wurden, tatsächlich gebraucht werden. Da kommen immer nur die 12 Milliarden Euro. Nach Wochen und Monaten kann man erwarten, dass ein tatsächlich umsetzungsfähiges Konzept vorgelegt wird, mit Finanztableau.

Die Kindergrundsicherung besteht aus drei Säulen. Darauf haben wir uns verständigt und ich bin im Übrigen auch sehr zuversichtlich, dass die kommt. Die Kindergrundsicherung besteht aus dem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, einem abhängig gestaffelten Zusatzbeitrag, der gestaffelt ist am Elterneinkommen, und sie besteht aus einem sogenannten Kinderchancenportal. Das ist etwas, was ein bisschen zu wenig in den Fokus genommen wird, um bestehende Leistung endlich einfacher abrufen zu können. Ich erinnere mich noch gut an die Auseinandersetzung, die Manuela Schwesig und ich mit der damaligen bayerischen Kollegin geführt haben, als wir das Bildung- und Teilhabepaket auf den Weg gebracht haben.

Man darf von einer Bundesfamilienministerin auch erwarten, dass sie sich darum bemüht, die Sozialbehörden entsprechend fit zu machen, sodass Leistungen mehr in Anspruch genommen werden. Der Kinderzuschlag wird nur zu 30 Prozent in Anspruch genommen. Warum? Weil die Prozesse nicht automatisiert und nicht digitalisiert sind. Grundvoraussetzung für ein zukünftig funktionierendes Transfersystem sind automatisierte und digitalisierte Prozesse damit Leistungen, die es bereits gibt, auch tatsächlich von allen abgerufen werden können.

Wenn man sich dafür entscheidet, eine Konferenz im nächsten Jahr abhalten zu wollen, dann sollte man sich vielmehr darüber austauschen, wie man das, was man auf Landesebene schon hat, mit dem synchronisiert, was im Bund in Kraft gesetzt wird. Nur dann können die Systeme ineinandergreifen und führen nicht wahllos aneinander vorbei ins Leere. Eine solche Sicherungskonferenz würde mehr Sinn machen, als eine  ich weiß gar nicht wievielte – Armutskonferenz, mit welchem Schwerpunkt auch immer das werden soll. Vielleicht, Frau Ministerin, denken Sie darüber nochmal nach. Ich glaube schon, dass man mit den Beteiligten, mit den Betroffenen, aber auch mit den Wohlfahrtsverbänden noch einmal darüber sprechen kann und darüber sprechen sollte, wie man das hinbekommt, um tatsächlich in Zukunft ein einheitliches Sicherungspaket für Kinder auf den Weg zu bringen, damit wirklich Kinder unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern beste Startchancen in Schleswig-Holstein haben. Da hat der Bund etwas dazu beizutragen. Da haben aber auch die Länder und Kommunen etwas dazu zu leisten."

 

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort