Heiner Garg zu TOP 27 "Mit der Vor-Ort-für-dich-Kraft den Zusammenhalt stärken"

Heiner Garg

In seiner Rede zu TOP 27 (Mit der Vor-Ort-für-dich-Kraft den Zusammenhalt in Schleswig-Holstein stärken) erklärt der sozialpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Heiner Garg:

"Ich bin zunächst einmal der Kollegin von Kalben für ihren Beitrag ausgesprochen dankbar, weil sie ein paar Dinge klargestellt hat. Ich habe mich bei beiden Anträgen gefragt, wo es hingehen soll. Reden wir eher, wenn man in den angelsächsischen Bereich guckt, über den Home Attendend oder reden wir über die Community Health Nurse? Es gibt viele Begriffe, aber die machen nicht alle dasselbe. Wenn wir über die Community Health Nurse, die übrigens im Koalitionsvertrag der Ampel explizit drinsteht, reden, dann reden wir mit Blick ins Ausland über hochprofessionalisierte Pflegekräfte, die einen Masterabschluss haben. Und deswegen ist es notwendig, sich darüber klar zu werden, was wir wollen. Im angelsächsischen Bereich ist die Aufgabendefinition sehr klar. Die hat der Oppositionsführer skizziert als das Schließen von Lücken im bestehenden System. Dazu braucht man dann aber auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte, dazu braucht man die Pflegestützpunkte, dazu braucht man die gesamte Struktur.

Deswegen bin ich froh über die Ausschussberatung. Ich hätte mal vorgeschlagen, dass wir uns das System in New York City angucken, weil es dort sehr spezialisierte Community Health Nurses gibt. Da gibt es die Home Care Nurse, da gibt es die Community Children Nurse, da gibt es die Community Mental Health Nurse und da gibt es die Community Learning Disability Nurse mit klar definierten Aufgaben. Da gibt es auch ergänzende Home Attendend. Ich verstehe bisher den Antrag der Koalition eher in Richtung Home Attendend von der Aufgabenbeschreibung. In Deutschland ist die Diskussion relativ jung. Ein paar Publikationen der Robert-Bosch-Stiftung helfen weiter zu verstehen, wo wir stehen und wo es eigentlich hingehen soll.

Aber man braucht gar nicht über den großen Teich gucken. Gucken wir einfach mal nach Österreich. In Österreich laufen derzeit über 100 Pilotprojekte zur Community Health Nurse. Übrigens finanziert mit 54 Millionen Euro durch die Europäische Union. Man kann sehr schön beispielsweise bei Pflege-online sehen, worum es da geht. Es geht beispielsweise um präventive Hausbesuche bei über 75-jährigen. Da geht es um die Entlastung von pflegenden Angehörigen. Da geht es um die Begleitung von Menschen mit chronisch somatischen Erkrankungen. Da geht es von der Behandlung von Schlafstörungen ohne Medikamente über die Einsamkeit bis hin zum Verbandswechsel. Da gehört es dazu, Angehörige in pflegerischen Fragen zu beraten. Vom Haltegriff im Bad bis zur nicht-medikamentösen Schmerzlinderung – die Community Health Nurse in Österreich soll vor allem eins machen, nämlich Patienten gesundheitskompetent. Auch hier gilt die typische Qualifikation einer guten Pflegeausbildung bis hin zum Masterabschluss.

Deswegen brauchen wir eine abgeschichtete Diskussion darüber, welche Lücken in unserem System gefüllt werden sollen. Ich glaube auch, Herr Oppositionsführer, dass es keine Frage des Brandings ist, auch wenn ich keine Berührungsängste mit Anglizismen habe, weil inzwischen fast jeder weiß, was man sich unter einer Community Health Nurse vorstellt. Ich finde auch die Bezeichnung Gemeindeschwesterplus in Rheinland-Pfalz gut. Menschen in meinem Alter kennen die Gemeindeschwester und die Sozialstation noch. Ich bin noch vor Inkrafttreten der Pflegeversicherung sozialisiert worden.

Ich möchte wirklich bei dieser zentralen Frage, bei der es um die Versorgungssicherung unserer Bevölkerung geht, dazu aufrufen, genau das zu machen, wozu die Kollegin von Kalben angeregt hat: nämlich mal zu versuchen, unideologisch und ohne Scheuklappen darüber nachzudenken, wie wir die existierenden Lücken, und die sind beschrieben worden, tatsächlich schließen können. Aber bitte nicht entprofessionalisiert, sondern selbstverständlich so, dass sie dauerhaft in eine professionelle Struktur hineinpassen. Und ich glaube, dann findet man auch genügend Menschen, die bereit sind, eine so anspruchsvolle Tätigkeit, die ja viel Fachwissen, aber auch Empathie und Menschenfreundlichkeit braucht, zu übernehmen und bei dem Thema zu einer Lösung zu kommen. Mir wäre es zum Beispiel sehr recht, wenn dafür auf Landesebene der Versorgungssicherungsfonds nochmal aufgestockt werden würde, um gerne auch gemeinsam mit dem Bund an den Start zu gehen. Ich wiederhole noch mal zum Schluss, dass der Bund sich die Einführung der Community Health Nurse bereits in den Koalitionsvertrag geschrieben hat. Wenn wir es schaffen, bis zum Ende der Legislaturperiode ein Netz zu spannen, damit Menschen nicht in diese Versorgungslücken fallen, haben jedenfalls alle etwas zur Versorgungssicherheit beigetragen."

 

Sperrfrist Redebeginn!

Es gilt das gesprochene Wort