Jan Marcus Rossa zu TOP 22 „Aufarbeitung der Europäischen und Deutschen Kolonialgeschichte in Schleswig-Holstein“

Abgeordneter Jan Marcus Rossa

In seiner Rede zu TOP 22 (Aufarbeitung der Europäischen und Deutschen Kolonialgeschichte in Schleswig-Holstein) erklärt der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jan Marcus Rossa:

„Ich danke Lars Harms und dem SSW, dass sie mit ihrer großen Anfrage hier im Landtag eine Debatte über Schleswig-Holsteins Kolonialgeschichte angestoßen haben. Es ist gut und richtig, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Es reicht nämlich nicht aus, dass wir uns nur über den Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialem Kontext befassen. Vielmehr ist es notwendig, sich immer wieder bewusst zu machen, welche Auswirkungen der Kolonialismus bis heute weltweit hat. Es ist eine mutige Botschaft unseres Ministerpräsidenten gewesen, als er sich bei seinem Besuch Namibias im Jahr 2019 als Bundesratspräsident zur deutschen Schuld bekannte und erklärte: ‚Die Folgen der damaligen Verbrechen wirken bis heute nach. Diese historische Schuld erkennen wir ohne Wenn und Aber an.‘

Deutschland gehörte sicherlich nicht zu den großen Kolonialmächten und die Kolonialzeit Deutschlands beträgt nur wenige Jahrzehnte. Dennoch ist auch das Deutsche Reich dafür verantwortlich gewesen, dass Menschen in den deutschen Kolonien Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts ihrer Rechte beraubt, drangsaliert, unterdrückt und ermordet wurden. Und die Gräueltaten im heutigen Namibia sind Beispiele für eine menschenverachtende Haltung der Kolonialherren, die uns bis heute mit Scham erfüllt und die es rechtfertigt, dass wir uns auch heute noch dieser historischen Schuld stellen. Denn eines ist klar: Die Ausbeutung der Kolonien, die Zerstörung der dortigen Gesellschaftsstrukturen und die Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung wirken bis heute nach und sind Ursache existentieller Probleme in den ehemaligen Kolonien. Deshalb stehen alle Kolonialmächte auch heute noch in der Verantwortung für ihr damaliges Handeln. Und ich halte es vor diesem Hintergrund für geboten, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir mit unserer kolonialen Vergangenheit, mit kolonialen Denkmälern und Straßennamen umgehen wollen.

Meine unmittelbare Heimat ist mit einem besonders widerwärtigen Denkmal geschlagen, denn in Aumühle steht das sogenannte ‚Deutsch-Ostafrikaner-Ehrenmal‘ zu Ehren von Paul von Lettow-Vorbeck, der zwischen 1904 und 1906 am Völkermord an den Herero und Nama unmittelbar beteiligt war und diesen ausdrücklich befürwortete. Und natürlich stellt sich die Frage, ob wir ein solches sogenanntes Ehrenmal stehen lassen können oder ob es zu beseitigen ist. Eine physische Beseitigung befürworte ich nicht, denn das wirkt wie das Leugnen unserer eigenen Geschichte. Ei-ne Umwidmung eines Ehrenmals zu einem Mahnmal dürfte sinnvoller sein, um sich mit dem kolonialen Erbe unseres Landes kritisch auseinanderzusetzen. Dabei ist es sicherlich nicht ausreichend, lediglich auf einer Tafel auf die Verbrechen des mit dem Denkmal ‚Geehrten‘ zu verweisen. Wir sollten ein Erinnerungskonzept für Schleswig-Holstein entwickeln, wie wir mit kolonialen Denkmälern und auch Straßennamen umgehen wollen. Ich finde den Ansatz von Barbara Plankensteiner, der Direktorin des Hamburger Museums am Rothenbaum für Kulturen und Künste, viel besser als die Beseitigung solcher Denkmäler. Sie schlägt vor, Gegendenkmäler zu errichten, also Denkmäler zu schaffen und Straßennamen auszuwählen, die gezielt an die Opfer des deutschen Kolonialismus oder an die Menschen erinnern, die sich schon damals gegen den deutschen Kolonialismus gestellt haben. Das dürfte viel stärker eine aktive Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus anregen als die schlichte Beseitigung kolonialer Denkmäler. Letzteres hätte die Wirkung, dass die deutsche Kolonialgeschichte aus dem öffentlichen Bewusstsein noch mehr verschwindet und eine thematische Auseinandersetzung mit diesem unrühmlichen Teil unserer Geschichte unterbleibt. Deshalb lassen Sie uns auch für Schleswig-Holstein ein Erinnerungskonzept entwickeln, das die kritische Auseinandersetzung mit unserer Geschichte fördert.“