Kay Richert zu TOP 14 "Verbesserungen für Pendlerinnen und Pendler im SPNV"

KR

In seiner Rede zu TOP 14 (Deutliche Verbesserungen für Pendlerinnen und Pendler im SPNV auf den Strecken der AKN und der S-Bahnen) erklärt der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

,,Ziel von Jamaika ist es, Qualität und Attraktivität des Nahverkehrs im gesamten Land zu steigern. Von daher freue ich mich natürlich, dass auch Sie dieses Ziel unterstützen. Wir alle sehen, dass der Verkehr zunimmt, wir sehen die Autos im Stau und die vielen Pendler auf den Bahnsteigen und ha- ben das Gefühl, dass die bestehende Infrastruktur diesen vielen Verkehr auch dann nicht mehr bewältigen würde, wenn sie über die letzten Jahrzehnte instandgehalten worden wäre. Da muss man natürlich etwas tun. Ich freue mich darüber, dass Sie in ihrem Antrag der Versuchung widerstehen, globalgalaktische Verbesserungen zu fordern, ohne dabei konkret zu werden. Sie haben sich hier offenbar große Mühe gegeben, konkrete Vorschläge für die Verbesserung der Pendlerinnen und Pendler im Hamburger Umland zu machen.

Aber: Bevor wir hier in die Planung konkreter Veränderungen einsteigen, bevor wir die Takte so gründlich verändern oder Neubauten schaffen, müssen wir nach meiner Auffassung zuerst eine valide Datenbasis schaffen. Wir alle haben das deutliche Gefühl, dass die Verkehre zugenommen haben. Aber wo, wer und wieviel und wohin? Für die Entscheidung über Infrastrukturprojekte reicht ein Bauchgefühl nicht aus. Neubauten sind sehr teuer, Taktverdichtungen auch: Was hier in Ihrem Antrag steht bedeutet mit Sicherheit einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag im Jahr. Um solche Dinge zu beschließen, stütze ich mich lieber auf Fakten als auf Gefühle. Die geforderten Baumaßnahmen Wedel-Blankenese sind interessant: Rot-Grün hat in Hamburg in der Bürgerschaft noch verkünden lassen, dass Zweigleisigkeit der- zeit nicht geplant und umsetzbar sei; man habe andere Prioritäten. Sie werden zugeben, dass das Ihren Vorschlägen diametral entgegensteht. Im Hamburger Verkehrsausschuss äußerte sich der Senat zur Taktverdichtung der S1 zwischen Wedel und Blankenese wie folgt:
• Es seien keine Taktverdichtungen geplant, da es nur ein sehr geringes Nachfragepotenzial danach gebe,
• die Kosten für Zweigleisigkeit lagen vor rund zehn Jahren bei ca. 40 Millionen Euro und die Maßnahme hatte keinen vorteilhaften Kosten-Nutzen-Faktor. Aufgrund der heute höheren Baukosten würde es weiterhin nur einen ‚überschaubaren Nutzen‘ geben.
• Die letzte Taktausweitung auf der Strecke erfolgte 2016. Seitdem habe es keinen signifikanten Nachfragezuwachs auf der Strecke gegeben,
• für weitere Taktverdichtungen sei die Strecke nicht geeignet,
• derzeit sei eine schlechte Pünktlichkeit auf der S1 zu erkennen. Als Folge wenden viele Züge schon in Blankenese statt in Wedel. Höhere Taktungen hätten eine Verschärfung der Situation zur Folge und somit mehr Zugwendungen in Blankenese.
• Eine Verbesserung der derzeitigen Verspätungssituation durch Rücknahme der Taktausweitung ist möglich. Auch hier: Die Auffassungen und Pläne des Hamburger Senats passen mit den hier vorgeschlagenen Änderungen nicht zusammen. Und offenbar hat der Hamburger Senat auch eine andere Sicht auf die Entwicklung der Verkehre. Das Ziel von Jamaika ist es, die Qualität und Attraktivität des Nahverkehrs im ganzen Land zu verbessern. Das werden wir systematisch, seriös und fundiert angehen. Das mag auf den ersten Blick nicht so spektakulär wirken wie der SPD-Vorschlag. Der Nutzen ist aber größer und nachhaltiger. Wir werden daher umfassend die Verkehrsströme erheben, um ein belastbares Bild über die Mobilitätsnachfrage im Land zu erhalten. Falls Sie jetzt sagen: ‚Das ist doch alles bekannt‘, sage ich: In Teilen ja. Die groben Pendlerströme sind bekannt. Aber die Feststellung, dass aus den Hamburger Umlandkreisen viele nach Hamburg pendeln, ist wenig konkret. Lassen Sie uns genau untersuchen und festhalten, wer von wo nach wo möchte, wir brauchen detaillierte Informationen über das Mobilitätsverhalten. Und dazu gehört:
• Wann sind wie viele Bürger im Land unterwegs?
• Welche Verkehrsmittel nutzen sie?
• Und wieso werden diese Verkehrsmittel genutzt? Denn nicht für jede Strecke bietet sich jedes Verkehrsmittel gleichermaßen an. Wir wollen ja nicht der gu-ten Außenwirkung wegen übereifrig irgendwie Gleise durchs Land verlegen oder jede Straßenecke an eine Buslinie anbinden. Da sind wir den Bürgern dieses Landes schon mehr Sorgfalt schuldig. Denn jeder Mensch hat unterschiedliche Erwartungshaltungen an Mobilität. Bei den einen geht es um die Schnelligkeit. Bei anderen um den Preis. Bei wieder anderen um Flexibilität. Daher ist es richtig, diese Strukturen zunächst einmal zu erheben und auszu-werten. Um zu gucken, wer wann von wo nach wo unterwegs ist. Um zu gucken, welche Verkehrsmittel wo nachgefragt und wo am effektivsten sind. Aus den genannten Punkten wird eines klar: Man kann die Verkehrsmittel nicht separat voneinander betrachten. Jedes Verkehrsmittel erfüllt seinen Zweck und trägt elementar zur Sicherstellung von Mobilität bei. Bahn, Bus und Auto dürfen also genauso wenig gegeneinander ausgespielt werden wie Fahrrad, Elektroleichtfahrzeuge oder Fußgänger. Und vor allem müssen wir nach vorne schauen: Welche zukünftigen Mobilitätsformen und -angebote können wie integriert und genutzt werden? Dabei darf sich auch nicht vor Sharing- oder Pooling-Angeboten weggeduckt werden. Solche Angebote können den Verkehr entlasten und zur Emissionsreduzierung beitragen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die angekündigte Novelle des Personenbeförderungsgesetzes ist daher sehr zu begrüßen.
Jamaika wird den Nahverkehr im gesamten Land verbessern. Beginnend werden wir dafür genau erfassen, wo was gebraucht wird, damit wir nicht an den Bedarfen der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner vorbei bauen. Der erste Schritt ist getan, danach wird es wie gewohnt dynamisch weiter gehen.“

  

Es gilt das gesprochene Wort.