Kay Richert zu TOP 17 "Minderheitenpolitik auf EU-Ebene"

KR

In seiner Rede zu TOP 17 (Minderheitenpolitik auf EU-Ebene) erklärt der minderheitenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

,,Die Minority-Safe-Pack-Initiative setzt sich für die Rechte autochthoner Minderheiten ein. Sie ist Ausdruck des Kampfs der Minderheiten um die Bewahrung von Kultur und Sprache. Sie beschreibt die Bereicherung, die sprachliche und kulturelle Vielfalt bedeuten kann. Und sie beschreibt den Wunsch, all dies durch einen Pakt zwischen Mehrheits- und Minderheitsbevölkerung zu erhalten. Nationale oder autochthone Minderheiten können eine Bereicherung sein.

Sie bereichern die Gesamtgesellschaft um weitere Bräuche, weiteres Wis- sen und weitere Sprachen. In meiner Heimat, dem deutsch-dänischen Grenzland, ist das gut zu sehen. Dort gibt es vier Minderheiten, das sind die Friesen, die deutschen Sinti und Roma, die dänische Minderheit in Deutschland und die deutsche Minderheit in Dänemark. Und schon an dieser Aufzählung ist zu sehen: Minderheiten sind oft ein grenzüberschreitendes The- ma. Deswegen ist es richtig, Minderheiten auch europäisch zu denken.

Minderheiten können eine Bereicherung sein. Dafür muss die Mehrheitsbevölkerung diese Bereicherung auch zulassen. Das ist nicht überall der Fall.

In der Debatte wird dabei immer auf Ungarn und Rumänien verwiesen. Aber auch andernorts in der EU hat die Mehrheit Schwierigkeiten, eine Minderheit als Bereicherung zu begreifen (Frankreich, Spanien, Italien, Baltikum, Schweden). Es ist deswegen richtig und notwendig, wenn die Safe-Pack- Initiative das Recht auf eigene Kultur und auf den Gebrauch der eigenen Sprache einfordert.

Minderheiten können eine Bereicherung sein, wenn sie ein selbstverständlicher Teil der Mehrheitsbevölkerung sind. Wenn sie ­ über ihre Besonderheiten hinaus ­ die Sprache der Mehrheitsbevölkerung beherrschen und ein Verständnis von Recht und Werten mit ihr teilen. Die andere Seite der Medaille sind nämlich Parallelgesellschaften. Und dabei spreche ich nicht nur von Gastarbeiterfamilien und deutschen Senioren in Spanien. Man kann beispielsweise auch als Däne Jahrzehnte in Flensburg leben, ohne deutsch zu sprechen. Parallelgesellschaften leben im besten Fall nebeneinander her; sie bereichern sich aber nicht gegenseitig. Diesen Aspekt ­ den Willen zur Integration ­ spricht die Minority-Safe-Pack-Initiative - leider nur verklausuliert ­ in Ziffer II an. Sie ist aber genauso wichtig wie Offenheit und Aufnahmebereitschaft der Majorität.

Autochthone Minderheiten sind fast immer durch schlimme und traumatische Ereignisse entstanden. Das löst innerhalb der Minderheiten oft eine Wagenburgmentalität aus. In den Mehrheitsbevölkerungen gibt es häufig ebenfalls keinen Willen, sich füreinander zu öffnen und die Gesellschaft zu- sammen zu gestalten. Auch bei uns im Grenzland war es ein sehr langer Weg vom Gegeneinander zum Miteinander. Die Bewahrung und Integration von Minderheiten sind wichtige, schwierige Aufgaben. Um sie zu bewältigen, müssen sie aber erst einmal als Aufgaben begriffen werden. Und das scheint mir auf EU-Ebene heute nicht so zu sein: Je nachdem aus welcher Perspektive man sein Anliegen angehen möchte, kämen für Minderheitenschutz derzeit folgende Kommissare in Frage:

- Frans Timmermans, der Vizepräsident der Kommission, der auch für die Grundrechtecharta zuständig ist;

- Dimitris Aramopoulos, der EU-Kommissar für Migration und Staatsbürgerschaft;

- oder Tibor Navracsis der EU-Kommissar für Bildung und Kultur.

Wir wollen, dass ein bestehendes Kommissariat die klare Aufgabe bekommt, für Minderheitenschutz zuständig zu sein. Damit es für alle Fragen der Minderheiten eine Ansprechperson gibt. Damit sich auch eine Person verantwortlich für den Erhalt der Minderheiten, ihrer Sprache und Kultur fühlt. Und damit auch eine Person es als ihre Aufgabe begreift, für den gedeihlichen Ausgleich zwischen Mehrheiten und Minderheiten zu sorgen. Und wenn wir gerade schon von der EU-Kommission sprechen: Eine Verkleinerung der Kommission, eine Entflechtung der Zuständigkeiten und eine Straffung der Strukturen täten der Kommission auch insgesamt gut und würden ihre Handlungsfähigkeit stärken, nicht nur im Bereich der Minderheiten."