Kay Richert zu TOP 28 „Mindestlohn für Jugendliche“

Abgeordneter Kay Richert

In seiner Rede zu TOP 28 (Mindestlohn für Jugendliche) erklärt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

„Mindestlohnregelungen wurden über Jahre von allen Parteien diskutiert und sind mittlerweile akzeptierter Bestandteil der Arbeitsmarktpolitik. Das Konzept einer Lohnuntergrenze von uns Freien Demokraten unterschied sich übrigens von der nun geltenden Regelung vor allem dadurch, dass wir Arbeitgeber und vor allem die Gewerkschaften einbinden wollten. Das hätte die Tarifautonomie und die Tarifbindung gestärkt. Es ist anders gekommen. Der Gesetzgeber hat dirigistisch in das Tarifgeschehen eingegriffen und eine Expertenkommission befindet nun über die Ausgestaltung des Mindestlohns. Das ist eine kluge Regelung. Denn so bleibt der Mindestlohn – jedenfalls in der Theorie – dem politischen Überbietungswettbewerb entzogen. Gerade mit Blick auf die aktuellen Mindestlohndiskussionen sollte daher auch an dieser unabhängigen Kommission nicht gerüttelt werden.

Rechtsgrundlage für den Mindestlohn ist das Mindestlohngesetz (MiLoG). Im persönlichen Geltungsbereich des MiLoG werden Ausnahmen für Gruppen definiert, für die der Mindestlohn nicht gilt: Azubis, Ehrenamtliche und unter bestimmten Bedingungen auch Praktikantinnen und Praktikanten, Jugendliche und ehemalige Langzeitarbeitslose. Nun kann man natürlich ‚Skandal‘ rufen und mit Buzzwords wie ‚unfair‘, ‚vorenthalten‘, ‚ungerecht‘, ‚Ungleichbehandlung‘, ‚Gerechtigkeit‘, ‚Diskriminierung‘ oder ‚Benachteiligung‘ arbeiten. Dadurch bekommt man die Sache schön emotional und muss sich nicht mit störenden Vernunftargumenten aufhalten. Witziger-weise kommen solche Scheinargumente dabei meist von denen, auf deren Mist das MiLoG gewachsen ist. Der vorliegende Antrag hält sich hier angenehm zurück, von den genannten Buzzwords werden nur zwei gebraucht. Wir von der FDP gehen die Sache lieber vernunftgesteuert an.

Und siehe da, für alle genannten Ausnahmen gibt es gute Begründungen: Ein Mindestlohn für Ehrenamtliche würde das Ehrenamt unmöglich machen. Für Azubis gelten andere Rechtsgrundlagen, über die wir hier ja auch schon debattiert haben. Bei Praktikantinnen und Praktikanten sowie bei ehemaligen Langzeitarbeitslosen ist die Hinführung zum ersten Arbeitsmarkt zentrales Momentum. Und auch bei Jugendlichen gibt es einen Grund, sie vom Mindestlohn auszunehmen. Der Grund ist, dass die Aufnahme einer Ausbildung nicht unattraktiv gegenüber der ungelernten Arbeit mit höherem Ein-kommen erscheinen soll.

Ist das aber wirklich so? Gibt es diesen Effekt? Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft hat festgestellt, dass zum Beispiel in Frankreich junge Menschen Schwierigkeiten haben, in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung im Jahr 2015 galt dort der Mindestlohn von 9,35 Euro. Und weil junge Menschen aufgrund des hohen Mindestlohns Schwierigkeiten beim Berufseintritt hatten, steuerte der Staat mit Subventionsprogrammen dagegen. Es gibt also den Effekt, dem das MiLoG mit seinen Ausnahmetatbeständen vorbeugen will.

Andererseits ist es nicht nur ordnungspolitisch fragwürdig, wenn Arbeit-nehmer von einer Schutzregel ausgenommen werden, weil sie ein bestimmtes Alter noch nicht erreicht haben. Fragen müssen wir uns auch: Wie viele Menschen wären denn von einer beabsichtigten Regeländerung betroffen? Das kann nur eine Gruppe von Menschen sein, die weder arbeitsvorbereitend tätig ist noch sich in einer Ausbildung befindet noch volljährig ist. Da bleiben fast nur Schüler übrig. Schüler sind aber nicht hauptberuflich, sondern zumeist geringverdienend tätig. Den Verdienst pro Stunde anzuheben würde hier ausschließlich dann überhaupt einen Sinn ergeben, wenn zeit-gleich die Verdienstgrenze von 450 Euro deutlich angehoben würde. Sie sehen, da hängt vieles mit vielem zusammen und es gibt Argumente so-wohl pro wie auch contra. Wir sollten diesen Antrag zum Anlass nehmen, uns im Wirtschaftsausschuss mit diesen Fragen in ihrer Gesamtheit auseinanderzusetzen. Ich beantrag deshalb die Überweisung – auch wenn es sich beim Mindestlohn letztlich natürlich um eine Bundeskompetenz handelt.

Meiner Meinung nach sollten tarifliche Regelungen in erster Linie von den Tarifpartnern getroffen werden. So sieht es das Grundgesetz vor und eine ausgewogene Tarifpartnerschaft war auch ein maßgeblicher Grund für das Wiedererstarken der deutschen Wirtschaft ab den 1950er Jahren, weil alle – Arbeitnehmer und Arbeitgeber – so an Aufschwung und Wohlstand teil-haben konnten. Wenn wir dieses Prinzip wieder stärken können, ist das die Anstrengung wert.“