Kay Richert zu TOP 30 u.a. „Abwicklung Wirtschaftshilfen“

Kay Richert

In seiner Rede zu TOP 30+31+33 (Abwicklung Wirtschaftshilfen und Dispositionszinsen begrenzen) erklärt der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

„Zu den Wirtschaftshilfen und zum Stand der Abwicklung hat der Wirtschaftsminister ja bereits ausführlich berichtet. Auch ich freue mich, dass es hier große Verbesserungen im Bereich der Überbrückungshilfe III gegeben hat. Wir als Land – unser Minister Buchholz in der Wirtschaftsministerkonferenz – haben seit Monaten darauf gedrängt. Und es ist eine gute Nachricht, dass wir in Sachen Schnelligkeit – auch die Bundeshilfen werden ja durch die Länder bearbeitet und abgewickelt – unter den Top drei sind. Dafür, Herr Minister, richten Sie bitte den Dank der FDP-Fraktion an die Mitarbeiter, besonders der IB.SH, aus. Es war nicht alles super, was aus Berlin kam. Als Beispiel sei hier die Abrechnungssoftware genannt, die erst 13 Wochen nach der Ankündigung von ‚großzügigen‘ und ‚schnellen‘ Hilfen bereitstand und auch dann noch fehlerhaft war. Das ist nicht der Anspruch, den wir an uns als Technologienation haben sollten.

Es wird ja immer von der Wirtschaft geredet. Die Wirtschaft als ein seelenloses Etwas, kalt und gefühllos, dem man gerne mal wehtun darf. Das entspricht nicht der Wahrheit. Wirtschaftende Menschen haben Träume, Ängste und Hoffnungen, wie alle anderen auch. Und sie gehen zusätzlich das Risiko ein, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen. Diese wirtschaftenden Menschen, ihre Betriebe und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind durch die krisenbedingten Einschränkungen hart getroffen. Und besonders gekniffen sind die Soloselbständigen, die Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmer, nicht angestellte Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Personengesellschaften, Freiberufler, Freelancer. Denn für diese Menschen gibt es seit März 2020 keine ausreichenden, passenden Hilfen. Die Rücklagen – Geld für die Ausbildung der Kinder, die Altersvorsorge – werden aufgelöst. Die Grundsicherung, auf die diese Menschen immer wieder hingewiesen werden, hat sich als nicht passend herausgestellt. Schmuck und Autos sind verkauft. Das Lebenswerk vieler Männer und Frauen liegt in Trümmern. Es geht jetzt ums Überleben. Und für einige gilt das wortwörtlich.

Helge Braun, der Amtschef der Bundeskanzlerin, hat bei Anne Will gesagt: ‚Natürlich sind wir alle nach einem protrahierten Lockdown seit November genervt und jeder möchte zum Friseur.‘ Da war ich baff. Das Problem ist nicht, dass wir alle nicht zum Friseur, zur Kosmetikerin, zur Nageldesignerin können. Das Problem ist, dass es ohne passende und rechtzeitige Hilfen bald keinen Friseur, keine Kosmetikerin, keine Nageldesignerin mehr gibt. Die November- und Dezemberhilfe sind schon ein gutes Instrument, auch die Möglichkeit der direkten Antragstellung für Soloselbständige. Aber weder die November- und Dezemberhilfe noch die sogenannte Neustarthilfe sind Instrumente, die den Soloselbständigen dauerhaft helfen. Was wir brauchen, ist eine ausreichende, passgenaue Hilfe für Soloselbständige. Das könnte zum Beispiel ein Unternehmerlohn sein, der pauschal allen Bedürftigen gewährt wird und zwar rückwirkend ab März 2020. Die Abrechnung könnte über die Finanzbehörden erfolgen, da liegen alle relevanten Daten bereits vor. Seit Monaten kämpfe ich, kämpfen wir dafür und haben das Thema auch hier im Parlament debattiert. Und wir haben auch erste Erfolge erzielt: Die Neustarthilfe wurde aufgestockt von maximal 5.000 Euro auf 7.500 Euro. Das ist ein Erfolg für die bedürftigen Menschen, für Alarmstufe Rot, für die Demo für Wirtschaft und Pflege und ich denke, dass auch wir hier einen kleinen Teil dazu beigetragen haben. Wenn wir ehrlich sind, ist das natürlich noch nicht ausreichend. Wenn wir den bedürftigen Soloselbständigen wirklich helfen wollen, müssen da ganz andere Beträge aufgerufen werden: Einige sprechen da von 12.000 Euro, ich denke eher an 18.000 Euro auf ein Jahr. Und es muss das Referenzumsatzsystem überarbeitet oder am besten gleich ganz abgeschafft werden. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und es zeigt uns und allen Soloselbständigen da draußen, dass wir dran bleiben müssen und dass sich der Einsatz lohnen kann.

Der Antrag der SPD hat mich nicht überzeugt. Dabei sehe ich durchaus die Bedeutung einer geduldeten Überziehungsmöglichkeit für die Schuldenfalle. Ich bin allerdings eher der Auffassung, dass man Menschen mit nicht ausreichender Bonität von Beginn an keine Darlehn einräumen darf, die diese absehbar nicht bedienen können. Und es ist meines Wissens nach nicht so, dass die Banken nichts tun (müssen), um Verbraucher vor einer Schuldenfalle durch hohe Dispositions- und Überziehungszinsen zu schützen. Laut Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz gilt seit 2016, dass ein Kreditinstitut Kunden, die länger als sechs Monate den Dispo zu durchschnittlich 75 Prozent des Rahmens in Anspruch nehmen, eine Beratung über eine Umschuldung anbieten muss. Dasselbe gilt bei einer geduldeten Überziehung über drei Monate, wenn durchschnittlich über 50 Prozent des monatlichen Geldeingangs auf dem Konto in Anspruch genommen werden. Wenn Sie Ihren Antrag allerdings noch einmal mit uns im Ausschuss überarbeiten möchten, werden wir dem nicht im Wege stehen.“