Kay Richert zu TOP 33 „Lieferkettengesetz jetzt!“

Abgeordneter Kay Richert

In seiner Rede zu TOP 33 (Lieferkettengesetz jetzt!) erklärt der wirtschafts-politische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Kay Richert:

„Um eines ganz deutlich zu sagen: Niemand stellt die Einhaltung von Freiheit und Menschenrechten weltweit in Frage. Ganz besonders nicht die Freien Demokraten. Im Gegensatz zu allen anderen Parteien haben wir uns dem sogar besonders verpflichtet: ‚Freiheit und Menschenrechte weltweit‘ ist eines der sechs Ziele unseres Leitbildes. Bei uns ist das eines der explizit formulierten Ziele – können Sie dasselbe von sich sagen?

Die FDP macht auch den Mund auf, im Gegensatz zu allen anderen. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass irgendeine andere Delegation von China demonstrativ düpiert wurde, weil sie sich deutlich zu Hongkong, den Uiguren und anderen geäußert hat. Unsere Parteifreundin Gyde Jensen leitet den Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages, sie ist das wohltuend wahrnehmbare Gesicht für Freiheit und Menschenrechte aus Deutschland. Und ich bin es leid, mir Unterstellungen anzuhören von Parteienvertretern, die mit wissentlich untauglichen Instrumenten Aktivitäten vorschützen.

Eigentlich hätten wir diesen Punkt heute von der Tagesordnung absetzen können. Denn der Bundeswirtschaftsminister hat das geplante Lieferkettengesetz im Bundeskabinett angehalten. Dass dieser Minister, der ja in der Vergangenheit nicht immer glücklich zugunsten der Wirtschaft agiert hat, das Gesetz anhält, sagt schon etwas aus. Und es besteht die berechtigte Hoffnung, dass das Gesetz in der angedachten Form nicht noch ein-mal auf den Tisch kommt.

‚Unternehmen, die Schäden an Mensch und Umwelt in ihren Lieferketten verursachen oder in Kauf nehmen, müssen dafür haften – und wer zu Schaden kommt, kann ein Unternehmen dafür zur Rechenschaft ziehen‘ – das ist das Ziel des Lieferkettengesetzes.

‚Ich schaue mit großem Entsetzen auf das Lieferkettengesetz‘, damit würde ‚die Axt an das Erfolgsmodell der deutschen Wirtschaft‘ gelegt, sagt dazu der Chef der Wirtschaftsweisen Lars Feld. ‚Das Ganze hat durchaus das Potential, uns über Jahre so zu belasten, dass die Wirtschaftsentwicklung wesentlich geschwächt wird‘. Eine tolle Botschaft für alle Selbstständigen, für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, so direkt nach der Corona-Krise.

Es spricht nichts dagegen, wenn deutsche Unternehmen bei ihren Engagements im Ausland auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umwelt-standards verpflichtet werden; das sollte selbstverständlich sein. Und meines Wissens nach ist es das auch schon. Deutsche Unternehmen können auch für bestimmte im Ausland begangene Straftaten in Deutschland zur Rechenschaft gezogen werden. Das geplante Lieferkettengesetz soll aber deutsche Unternehmen verpflichten, bei fremden Unternehmen im Ausland für eine Sicherstellung deutscher Standards zu sorgen. Das ist absurd. Ein-fluss zu nehmen auf die Zustände in Gebieten und Staaten außerhalb des Geltungsbereichs unserer Gesetze ist Außenpolitik.

Wir hier in Schleswig-Holstein hatten ja schon einmal ein Gesetz, das die staatliche Verantwortung auf unsere Betriebe übertragen hat: Das gescheiterte Tariftreue- und Vergabegesetz (TTG). Ein Gesetz, das niemand einhalten konnte, was auch jeder wusste und wo die Einhaltung deswegen auch gar nicht kontrolliert wurde. Ein Gesetz, das von der eigenen Evaluierung in der Luft zerrissen wurde und das dennoch folkloristisch-verklärt in den Er-zählungen von SPD und SSW weiterlebt. Das geplante Lieferkettengesetz atmet den Geist des gescheiterten TTG. Es bürdet Pflichten und Belastungen den Betrieben auf, die das gar nicht leisten können. Wir wollen aber keine Belastungen für unsere mittelständischen Betriebe, auch nicht für die wenigen Industriebetriebe in Schleswig-Holstein, wir wollen ein Level-Playing-Field, auf dem die Akteure in einen fairen Wettbewerb um die Gunst von Kundinnen und Kunden miteinander treten können.

Wenn man sich die Eckpunkte des geplanten Gesetzes anschaut, könnte man meinen, es sei alles gar nicht so schlimm. Die Belastungen sollen für Unternehmen ab 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelten und es soll keine Erfolgspflicht gelten; die Betriebe müssen lediglich nachweisen, dass sie alles getan haben, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Aber auch wenn Arbeitsminister Heil sagt, den Unternehmen solle nichts aufgebürdet werden, was sie nicht leisten könnten, ist genau das der Fall. Kein Unter-nehmen kann sicher wissen, wie genau eingekaufte (Teil-)Produkte hergestellt wurden, auch bei sorgfältiger Recherche nicht. Wir wollen ein Level-Playing-Field, gleiche Bedingungen für alle. Einer bedarfsgerechten europäischen Lösung werden wir uns deswegen nicht verschließen. Aber ein nationales Lieferkettengesetz nach diesem Strickmuster schadet den deutschen Betrieben, den deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, ohne Freiheit und Menschenrechte weltweit auch nur irgendwie voranzubringen.

Wir in Schleswig-Holstein stehen zu unserer mittelständischen Wirtschaft. Gerade jetzt, nach den Herausforderungen der Corona-Krise brauchen wir gut arbeitende Betriebe, wir brauchen die Sicherheit durch Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Wir wollen keine Belastungen, mit denen die Betriebe nicht zurechtkommen. Freiheit und Menschenrechte weltweit sind erklärtes Ziel der Freien Demokraten, es ist eines unserer sechs Parteiziele. Aber Außenpolitik ist nicht Sache der Betriebe, das ist Sache der Bundesregierung. Und die darf sich ihrer Verantwortung nicht durch ein solches Gesetz entziehen – schon gar nicht auf Kosten der Betriebe und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien.“