Oliver Kumbartzky zu TOP 34 „Streichung des Begriffs der ‚Rasse‘ aus sämtlichen nationalen und internationalen Rechtstexten“

Abgeordneter Oliver Kumbartzky

In seiner Rede zu TOP 34 (Streichung des Begriffs der „Rasse“ aus sämtlichen nationalen und internationalen Rechtstexten und dessen Ersetzung durch einen zeitgemäßen Begriff) erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, Oliver Kumbartzky:

„Ich hoffe, dass wir uns zunächst alle einig sind, dass das Grundgesetz an sich nicht rassistisch angelegt ist. Im Gegenteil.

Die Vielschichtigkeit und Bedeutung des Begriffs ‚Rasse‘ zeigt sich nicht im Wortlaut allein. Er wurde auch nicht ins Grundgesetz eingeführt, um aufzuzeigen, dass es Rassen gibt, sondern um aufzuzeigen, dass es ein Diskriminierungsverbot – auch – aufgrund der Rasse gibt. Der Begriff wird also keinesfalls positiv bewertet, sondern ist ein Punkt in der negativen Aufzählung, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung – und eben wegen seiner Rasse – bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Und er ist eine konkrete Ausgestaltung des Art. 1 GG, in dem die Unverletzlichkeit der Menschenwürde festgeschrieben ist.

Wir sind uns hoffentlich auch bei Folgendem einig: Für uns Deutsche kann es keine neutrale Bedeutung des Begriffs ‚Rasse‘ geben. Er wird bei uns immer mit den Gräueln des Nationalsozialismus und der Vernichtung der Juden im Holocaust im Zusammenhang stehen. Mit der Aufnahme in Art. 2 GG sollte und wird der Welt gezeigt, dass wir Deutsche aus unserer Vergangenheit gelernt haben und der Welt versprechen, dass so etwas mit uns nicht wieder vorkommt. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben den Begriff ‚Rasse‘ also 1949 nicht verwendet, weil sie diskriminieren wollten, sondern weil es zur damaligen Zeit ein starkes Zeichen gegen den Nationalsozialismus war. Die Aufnahme des Begriffs ‚Rasse‘ in Art. 2 GG war 1949 ein politisches Statement.

Wir müssen aber anerkennen, dass Sprache und damit auch einzelne Begriffe sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verändern - weil sich auch die Menschen und die Gesellschaft verändern. Fontanes Gedichte sind für einige heute unverständlich, ebenso wie die Bezeichnung ‚Fräulein‘ heute eher zu einer Ohrfeige führen würde als zu einem Erröten der als solches bezeichneten Dame. Sprache kann verbindlich sein, wie der Diplomaten-Kodex. Sprache kann spalten wie die aggressiven Tweets des US-Präsidenten. Sprache kann manipulieren, etwas ‚schön reden‘ was nicht schön ist und sie kann etwas vertuschen und verleugnen, was eigentlich immer noch da ist – zum Beispiel Rassismus!

Heute wissen wir, dass es den Begriff ‚Rasse‘ biologisch nicht gibt. Und noch immer haben wir es auf der Welt mit Rassismus zu tun. Während die Mütter und Väter des Grundgesetzes hehre und starke Ziele für unsere Demokratie und unsere Gesellschaft hatten und diese in unserer Verfassung abgebildet haben, haben die Kinder und Enkel des Grundgesetzes die höchst verantwortungsvolle Aufgabe, die Verfassung in ihrem Wesen und in ihrer Zielrichtung zu erhalten. Das bedeutet aber nicht, dass das Grundgesetz konserviert werden muss. Auch unsere Verfassung muss mit der Zeit gehen und den gesellschaftlichen Wandel anerkennen. Und da muss man eindeutig sagen: Der Rasse-Begriff ist in unserem Sprachgebrauch längst nicht mehr zeitgemäß, im Gegenteil, er befördert eine Debatte, derer sich Rassisten gerne bedienen und von der wir und unsere Verfassung sich eindeutig und unmissverständlich distanzieren müssen. Deshalb müssen wir uns immer wieder deutlich machen: Sprache formt unsere Denkweise. Auch unser Grundgesetz muss sich immer wieder einer kritischen Überprüfung unterziehen, auch hinsichtlich seiner Sprache, denn es ist der Spiegel und der Rahmen einer Gesellschaft. Trennt sich das Grundgesetz sprachlich von seiner Bevölkerung, kann es diese nicht mehr repräsentieren.

Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen: Das Grundgesetz ist keine Spielwiese für parteipolitische Taktierereien. Jede Änderung unserer Verfassung muss mit äußerster Sorgfalt betrieben und diskutiert werden. Wir Liberale sind in der Regel sehr, sehr zurückhaltend bei Änderungen des Grundgesetzes. Für Symbolpolitik darf kein Platz in unserer Verfassung sein. Beim Begriff der ‚Rasse‘ sind wir aber der Meinung, dass er dort nichts mehr zu suchen hat. Stattdessen sind wir Freie Demokraten der Meinung, dass wir eine Alternative finden müssen, die glasklar deutlich macht, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund ethnischer Merkmale weiterhin verboten bleibt. Deshalb wäre uns ein Ersatz für den Begriff lieber als eine Streichung. Aber da wir uns einig sind, dass der Rasse-Begriff überprüft werden muss, haben wir guten Gewissens den vorliegenden An-trag gestellt. Dennoch sollten wir uns auch im Klaren darüber sein, dass das Dilemma, in dem wir uns in der Diskussion um die Streichung des Begriffs ‚Rasse‘ aus dem Grundgesetz befinden, sich auch darin zeigt, dass der Wegfall von Begriffen oder seine Ersetzung das Problem an sich ja nicht lösen.

Deswegen gilt der Appell an uns alle: Solange es Rassismus auf der Welt gibt, ist die Streichung des Begriffs alleine nicht die Lösung des Problems, sondern nur ein einzelner Schritt.“