Stephan Holowaty zu TOP 11 "Netzneutralität bewahren" (Rede zu Protokoll)

SH

In seiner Rede zu TOP 11 (Netzneutralität bewahren) erklärt der digitalpoliti- sche Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stephan Holowaty:

,,Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einer roten Ampel und müssen warten.

Aber plötzlich fährt Ihr Nachbar mit Blaulicht vorbei, während Sie weiter warten müssen. Ihr Nachbar ist aber nicht bei der Polizei oder beim Rettungsdienst. Er hat nur einfach ein Blaulicht, Sie nicht. Sie würden sich darüber sicher nicht freuen. Sie wollen auch vorankommen, mit den gleichen Rechten wie Ihr Nachbar. Genau darum geht es im Grunde bei der Netzneutralität im Internet.

Heute Morgen haben wir über Upload-Filter gesprochen, also darüber, ob Sie etwas überhaupt ins Netz stellen können. Jetzt reden wir über Netzneutralität, also die Chance, dass jemand Ihren Dienst in gleicher Weise nutzen kann, in der er auch konkurrierende Dienste nutzen kann. Ein offenes Internet mit gleichen fairen Chancen für jeden lebt von Zuverlässigkeit, Transparenz und diskriminierungsfreiem Datenverkehr. Es darf grundsätzlich keine Rolle spielen, woher ein Datenpaket kommt, wohin es geht, oder was drin steht. Wenn Sie einen Streamingdienst im Internet abonnieren wollen, müs- sen Sie freien Zugang zu diesem haben. Daher ist es für mich auch ein Problem, wenn ein Internetprovider beispielsweise sagt ,den Musikstreamingdienst 1 rechne ich nicht auf dein LTE-Volumen an, andere Streamingdienst 1 aber schon`. Das nennt sich Zero-Rating. Dann liegt es doch nahe, dass Sie Ihr Musik-Abo beim Streamingdienst 1 abschließen und 2 und 3 und 4 alleine deshalb nicht zum Zuge kommen. Das ist genau, worum es geht:

Chancengleichheit für gleichartige Anbieter im Netz. Nur dann können neue, kreative Anbieter und Unternehmen Dienste sinnvoll entwickeln und anbieten, sinnvoll vermarkten. Nur dann, wenn sie freien, fairen, gleichartigen Zugang zum Netz haben. Wenn sie eben nicht vom Netzbetreiber aus wettbewerblichen Gründen benachteiligt werden.

Internetprovider haben genau diese eine Aufgabe: den Nutzern ungehinderten Zugang zur ganzen Breite des Internets zu geben. Zero-Rating-Modelle, die bestimmte Anbieter gegenüber Wettbewerbern derselben Diensteklasse bevorzugen, sind ein No-Go, benachteiligen insbesondere Innovationen sowie Start-ups und sind das Gegenteil von Netzneutralität. Dabei nehmen sich alle drei großen Anbieter nichts: Die Telekom, O2 und Vodafone diskriminieren jeder mit eigenen Produkten verschiedene Apps und Anbieter. Das widerspricht dem fairen Wettbewerb und der Netzneutralität. Das nehmen wir nicht hin. Denn auch wenn die Bundesnetzagentur bereits tätig wurde, sind bestimmte Geschäftsmodelle weiter kritisch. Genau daher setzen wir uns für die Netzneutralität ein, um solchen Modellen zu begegnen.

Zero-Rating-Modelle sind allerdings dann für mich unschädlich, wenn der Verzicht eines Netzbetreibers auf die Berechnung von Datenvolumen für alle Daten einer Leistungsklasse gilt. Wenn also sämtliche Musikstreams ohne Volumenbeschränkung nutzbar sind und nicht nur einige. Dies wäre dann nämlich auch mit den europäischen Vorgaben der BEREC-Richtlinie verein- bar. Es gibt aber auch völlig verschiedene Dienste in unterschiedlichen Leistungsklassen. Sie werden mir sicher zustimmen, dass Maschinensteuerung oder autonomes Fahren Anwendungen sind, die Echtzeitkommunikation benötigen. Musikstreaming tut das nicht. Wichtig ist, dass alle Dienste derselben Klasse, desselben Typs gleichbehandelt werden müssen. Das ist auch unsere politische Aufgabe, dies sicherzustellen, gerade bei der Forcierung des weiteren Mobilfunkausbaus bei 4G- und 5G-Netzen.

Aber begehen wir bitte nicht den Fehler, technische Lösungen vorzuschreiben, die wir als Politiker typischerweise nicht verstehen. Ob wir über die Energiewende oder die beste Technik für klimaneutrale Motoren sprechen ­ stecken wir den Rahmen ab und lassen wir die Ingenieure und Techniker ihre Arbeit machen. Denn natürlich gibt es auch eine Verkehrssteuerung im Internet, wie auf den Straßen. Es gibt Ampeln, es gibt Wegweiser, es gibt Verkehrseinschränkungen ­ der LKW ist zu schwer für die Brücke. Im Inter- net sind das Router und Routingpfade oder technische Inkompatibilitäten ­ für manche Anwendungen ­ Telemedizin, Spiele oder Videos ­ brauchen Sie zum Beispiel eine mindestverfügbare Bandbreite, um sie überhaupt sinnvoll nutzen zu können. Technologieneutrale Politik ist daher Trumpf.

Der Einsatz für Netzneutralität wird politisch gewonnen. Durch klare Regeln und Leitplanken im Wettbewerb. Ein freies Internet lebt davon, dass jeder die Chance hat, gehört zu werden. Dass Start-ups und neue Ideen nicht durch das Netz ausgebremst werden. Dass nicht die vertikale Integration von Diensten den Wettbewerb bei Inhaltsanbietern ausschaltet. Dann wäre das Internet nämlich um Tausende von Ideen ärmer. Wir wollen aber ein In- ternet der Ideen und der Chancen ­ und daher ein strikt neutrales Internet."