Stephan Holowaty zu TOP 17 "Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften"

Kommunalpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stephan Holowaty

In seiner Rede zu TOP 17 (Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften) erklärt der kommunalpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stephan Holowaty:

„In den vergangenen Wochen war bei der Bewältigung der Corona-Krise viel von der Stunde der Exekutive die Rede. Das galt auch für Bürger- und Oberbürgermeister, für Landräte und Amtsvorsteher. Doch was ist, wenn aus der Stunde der Exekutive die Wochen oder gar die Monate der Exekutive werden?

Unsere Demokratie lebt davon, dass Entscheidungen von demokratisch gewählten Gremien getroffen und von der Exekutive umgesetzt werden. ‚Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister leitet die Verwaltung der Gemeinde in eigener Zuständigkeit‘, das lesen Bürgermeister in der Geschäftsordnung gerne – aber der Satz geht noch weiter: ‚nach den Zielen und Grundsätzen der Gemeindevertretung und im Rahmen der von ihr bereitgestellten Mittel‘. Es ist also nicht im Sinne unseres demokratischen Verständnisses, wenn die Exekutive mehr als kurzfristige Maßnahmen zur Bewältigung von Krisen eigenständig trifft. Die Demokratie muss gerade bei wochen- oder monatelangen Extremsituationen handlungsfähig bleiben, die demokratische Kontrolle und Steuerung der Exekutive muss sichergestellt werden. Weder unsere Parlamente noch unsere Kommunalvertretungen sind darauf angelegt, Schönwetterveranstaltungen zu sein. Sie sind die Basis unseres Demokratieverständnisses, bei Sonnenschein wie auch bei Regen.

Die umfangreichen Diskussionen gerade um die tatsächlichen oder möglichen Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten haben gezeigt, wie wichtig arbeitsfähige und auch in der Krise robuste demokratische Gremien sind. Ich war im März soweit ich weiß der erste, der aus diesem Hause öffentlich Videokonferenzen für politische Gremien gefordert hat. Ich traf damals auf viel Skepsis, es fiel auch aus diesem Haus der Begriff der ‚Schnapsidee‘. Das ist es mitnichten. Viele Arbeitskreise in unserem Haus, aber auch in den Kommunen unseres Landes sind durch Videokonferenzen schnell wieder arbeitsfähig geworden. Heute gehen wir mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf den nächsten und konsequenten Schritt. Wir erhöhen die Widerstandsfähigkeit der gesamten kommunalen Selbstverwaltung, indem wir die Möglichkeit der Durchführung von Sitzungen per Videokonferenz schaffen. Viele Gemeinden haben in den vergangenen Wochen bereits selbst reagiert und entsprechende Möglichkeiten geschaffen, vor allem auch für beispielsweise Fraktions- und Arbeitskreissitzungen.

Zentral für unser Verständnis der kommunalen Selbstverwaltung ist das Öffentlichkeitsprinzip, die Möglichkeit für die Bürger, an Sitzungen teilzunehmen, sich in den Fragestunden einzubringen, zu erleben, wie diskutiert und entschieden wird. Auf der anderen Seite haben wir schon seit Jahren die Diskussion um die Übertragung der Sitzungen der kommunalen Selbstverwaltung. Natürlich kenne ich die gelegentlichen Einwände von ehrenamtlichen kommunalen Mandatsträgern, die nicht gefilmt werden wollen und sich auf das ‚Recht am eigenen Bild‘ berufen. Aber wir müssen deutlich sagen: Wer für ein öffentliches Amt kandidiert, das mit öffentlichen Sitzungen verbunden ist, der muss auch damit rechnen, dass sich die Öffentlichkeit ein Bild von seiner oder ihrer Arbeit macht.

Aber wir sind mit diesem Gesetzesentwurf heute noch nicht ganz am Ziel. Viele Kommunen haben sich mit viel Arbeit und Einsatz um die Einrichtung von Videokonferenzen gekümmert. Aber es geht mehr. Die Dataport entwickelt bereits seit längerem eine Videokonferenzlösung für die öffentliche Verwaltung. Es ist daher dringend notwendig, im Rahmen des im weiteren Verlauf des Jahres vorgesehenen Digitalisierungsgesetzes, diese Videokonferenzlösung als Basisdienst des Landes zu definieren und damit den Kommunen die Möglichkeit zur kostenfreien Nutzung zu geben. Damit entlasten wir die Kommunen von viel Aufwand, auch von eventuellen Bedenken über Datenschutz und Datensicherheit.

Die Corona-Krise befeuert die Digitalisierung. Das erfordert aber auch, dass zum Beispiel unser IT-Dienstleister für die öffentliche Hand, also die Dataport, marktgerecht, zügig und effektiv arbeitet und aufgestellt ist. Das Projekt für das Videokonferenztool bei der Dataport läuft schon länger – es ist wichtig dass wir im weiteren Verlauf dafür sorgen, dass IT-Projekte auch von unseren eigenen Dienstleistern schneller umgesetzt werden. Kleine und große kommerzielle Anbieter, etabliert oder Start-ups, haben in den letzten Monaten eine Vielzahl an Videokonferenzlösungen auf den Markt gebracht. Das zeigt: Es geht. Wir müssen die Innovationskraft und Innovationsgeschwindigkeit auch in der öffentlichen Verwaltung und bei spezialisierten Dienstleistern stärken. Apropos Innovationskraft in der öffentlichen Verwaltung: Corona hat uns deutlich gezeigt, welches Potential in der Digitalisierung steckt. Gerade in der öffentlichen Verwaltung gilt es aber, noch mehr von diesem Potential zu heben. Ich kann daher nur an die öffentlichen Verwaltungen, gerade auch in den Kommunen, appellieren, die Möglichkeiten der Digitalisierung noch konsequenter zu nutzen und zügig umzusetzen. Die Innovationskraft entsteht nicht dadurch, dass über viele Jahre komplexeste Lösungen entwickelt werden, die am Ende nicht nur teuer, sondern mittlerweile dann auch veraltet sind. Erfolgreiche Innovation beruht auf klarer Problemdefinition und schneller Umsetzung in einem klaren Rahmen zum Datenschutz und zur Datensicherheit. Viele kleine Apps sind die Power eines jeden Smartphones, nicht eine riesige eierlegende Wollmilchsau. Dieses Prinzip empfehle ich auch für die digitale Innovation in der öffentlichen Verwaltung. Viele kleine Entwickler brauchen für ihre guten Ideen vor Ort eine zuverlässige Plattform für die öffentliche Verwaltung. Ich will, dass wir damit auch die Innovationsfähigkeit des großen Dienstleisters für die öffentliche Verwaltung zu stärken.

Mit diesem Gesetz schaffen wir die Grundlage für eine starke Resilienz, eine starke Widerstandsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung. Wir schaffen aber auch die Grundlage für Innovation und mehr Bürgerbeteiligung. Resilienz, Innovationskraft, Bürgerbeteiligung – das sind keine Schnapsideen, sondern entscheidende Lehren aus der Corona-Krise.