Europa/Brexit

Stephan Holowaty zu TOP 19 „Brexit – Auswirkungen auf Schleswig-Holsteins Wirtschaft“

Stephan Holowaty

In seiner Rede zu TOP 19 (Brexit – Auswirkungen auf Schleswig-Holsteins Wirtschaft und Strategie der Landesregierung) erklärt der europapolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Stephan Holowaty:

„Erstmal herzlichen Dank an Wirtschaftsminister Bernd Buchholz für den ausführlichen Bericht zu den Brexit-Folgen. Das Wichtigste ist: Im Moment sind die tatsächlichen Brexit-Folgen noch ein Blick in die Glaskugel. Wir wissen nicht, wie der Brexit tatsächlich stattfinden wird. Oder wann. Oder ob überhaupt. Ein Land, das von Leuten wie Boris Johnson oder Nigel Farage oder auch Theresa May mitbestimmt wird, ist für Überraschungen aller Art gut. Die Fronten sind verhärtet. Die Positionen zwischen Europa und dem Vereinigten Königreich liegen immer noch sehr weit auseinander, nahezu unvereinbar.

Der Wirtschaftsminister hat sehr präzise die Auswirkungen des Brexit auf die schleswig-holsteinische Wirtschaft dargestellt. Der Kollege Hölck von der SPD wird heute Morgen bereits in der Schleswig-Holsteinischen Landeszeitung mit seiner Empörung darüber zitiert, dass die Landesregierung noch keine Gegenmaßnahmen getroffen habe. Lieber Herr Hölck: Wenn Sie in Ihrer sozialdemokratischen Glaskugel sehen, welches der möglichen Szenarien eintreten wird, dann lassen Sie diesen Landtag bitte daran teilhaben. Seien wir doch mal ehrlich: die Auswirkungen des Brexit treten doch nicht erst mit dem Brexit auf. Schon heute sehen wir die Auswirkungen. Unternehmen, die sich auf verschiedenste Szenarien vorbereiten müssen. Europäische Arbeitnehmer, die von Großbritannien bereits wieder auf das Festland ziehen und sich neue Jobs suchen. Manch ein Bekannter, der in Großbritannien lebt, berichtet von einer zunehmend feindseligen Stimmung bei Nachbarn, Arbeitgebern und Kollegen. Freundschaften zerbrechen oder liegen auf Eis.

Aber ein Brexit wird auch auf Europa große Auswirkungen haben. Dazu gehört natürlich auch der Wegfall der jährlichen EU-Nettobeiträge von rund 13 Milliarden Euro, die Großbritannien leistet. Das wiederum wird Auswirkungen auf den Haushalt der EU haben, und da auch Schleswig-Holstein hiervon profitiert, werden wir das natürlich auch merken. Wir sehen das bereits heute bei der Diskussion um den mehrjährigen Finanzrahmen der EU ab 2021. Man setzt dort neue Prioritäten, hat aber gleichzeitig weniger Geld in der EU-Kasse – dies wird sich künftig nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern direkt auch auf Fonds wie INTERREG auswirken, über die auch Projekte in Schleswig-Holstein und grenzübergreifend unter Einbeziehung unseres Landes finanziert werden. Schon die heutigen Vorschläge der Kommission zeigen, dass Schleswig-Holstein und der Ostseeraum in der Prioritätenliste nicht unbedingt ganz weit oben stehen.

Wir kennen das tatsächliche Ausstiegsszenario noch nicht. Wirtschaftlich – das haben wir gesehen – wird es Chancen und Risiken geben. Veränderungen sind immer auch die Chance für neue Ideen und neue Entwicklungen. Aber heute gibt es täglich sieben Direktflüge zwischen Hamburg und London. Eine Abschwächung der Wirtschaftsbeziehungen, vielleicht gar Einreisebeschränkungen für Privatreisen – wir wissen nicht, was alles kommen wird, aber vielleicht hat das auch einen Rückgang der Verkehrsangebote zur Folge.

Neue Grenzen am Boden führen auch zu neuen Grenzen im Kopf. Das macht mir langfristig noch mehr Sorgen als die wirtschaftlichen Auswirkungen. Wir brauchen ein einiges Europa, um den großen strategischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen. Die Herausforderungen sind heute global, ob es um ein trumpsches Amerika, um Russland oder China geht. Globalen Herausforderungen kann man nicht durch Zersplitterung begegnen. Ob es der Handel ist, der Umweltschutz, oder auch die Menschenrechte – ein zersplittertes Europa spricht nur mit schwacher Stimme, wo eigentlich eine starke, gemeinsame Stimme nötig wäre.“