„Die Diskussion über die sogenannten ‚Panama Papers‘ hat international für großen Wirbel gesorgt. Vermeintlich rechtswidrige juristische Konstruktionen in überseeischen Steuerparadiesen sollen als Vehikel für Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder auch Waffenschieberei genutzt worden sein. Die Veröffentlichung der Papiere hat in der Bundesrepublik rasch die Forderung nach gesetzlichen Konsequenzen aufkommen lassen. So wurde neben einer gemeinsamen europäischen Politik gegen Steuerkriminalität auch die Forderung nach einem Lizenzentzug von denjenigen Banken gefordert, die derartige Modelle angeboten haben. Bisweilen wurde sogar ein generelles Verbot von Briefkastenfirmen ins Gespräch gebracht.
Die Diskussion über sogenannte ‚Steueroasen‘ ist in der Bundesrepublik schon sehr alt. Bereits Anfang der 1960er Jahre hat der Bundestag über die ‚Wettbewerbsverfälschungen, die sich aus Sitzverlagerungen und aus dem zwischenstaatlichen Steuergefälle ergeben könnten‘ debattiert (Vgl. zum Beispiel BT-Drs. 4/2412 vom 23. Juni 1964). Dies ist ein Hinweis darauf, dass a. in dieser Frage eine schnelle Problemlösung schwierig sein könnte und b. Forderungen nach einer solchen, schnellen Problemlösung wenig realistisch sind.
Aus rechtsstaatlicher Sicht ist zu konstatieren, dass panamaische Briefkastenfirmen auch panamaischem Recht unterliegen. Das bedeutet, dass eine etwaige Forderung des deutschen Gesetzgebers Briefkastenfirmen abzuschaffen, dort vollkommen wirkungslos wäre. Dies gilt nicht nur für Briefkastenfirmen in Panama, sondern selbstverständlich auch in anderen ‚Steueroasen‘ – wie im US-Bundesstaat Delaware oder auf den britischen Kanalinseln.
Zudem liegt auf der Hand, dass die juristische Konstruktion per se noch nichts darüber aussagt, ob hierüber strafrechtlich relevante Vorgänge vorgenommen werden. Auch über eine deutsche GmbH können rechtswidrige Geschäfte abgewickelt werden. Die juristische Konstruktion ‚Briefkastenfirma‘ ist also legal. Und bisher ist noch nichts darüber bekannt, ob die bei den ‚Panama Papers‘ beteiligten Firmen Rechtsübertretungen unternommen haben. Bis dahin gilt in einem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung.
Für viele legale Zwecke sind diese Firmen im Übrigen sinnvoll: Sollen beispielsweise deutsche Schiffe unter panamaischer oder liberianischer Flagge fahren, brauchen sie eine Domizilgesellschaft im jeweiligen Land. Dies leistet eine Briefkastenfirma, bei der das Schiff registriert ist. Hierdurch werden auf legalem Wege Steuern gespart.
Es ist bekannt, dass die Weltbank entsprechende Firmen in Übersee vorhält. Und auch die grüne Finanzministerin in Schleswig-Holstein, Monika Heinold, erklärte im Mai 2013, dass die HSH Nordbank auf Offshore-Firmen nicht verzichten könne. Eine Schließung dieser Firmen würde bei der Bank ‚zu einer Schwächung der Kapitalbasis führen‘.
Die OECD stellte jüngst in einer Studie fest, dass Deutschland hinsichtlich der steuerlichen Belastung von Arbeitnehmern in der Weltspitze liegt. Zugleich rief sie die Bundesrepublik auf, die Abgabenlast erkennbar zu senken.
Unabhängig davon ist Steuervermeidung in der Bundesrepublik ausdrücklich staatlich gewünscht. Neben den Steuersparmodellen Riester-Rente, der Sonderförderung von Wohnungsbau oder Energieeinsparmaßnahmen werben im Übrigen auch Kommunen mit ihren Gewerbesteuersätzen dafür, dass sich Unternehmen vor Ort ansiedeln. Wer also das Steuern vermeiden eindämmen will, muss den Steuerwettbewerb eingrenzen – dies gilt nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern genauso innerhalb Europas und konsequenterweise auch weltweit.
Wer Steuern sparen (also Steuervermeidung) geißelt, der verzichtet innerhalb Deutschlands auf das größte Feld der staatlichen Lenkung durch die Steuergesetzgebung. Es gilt: Immer dann, wenn Abschreibungsmöglichkeiten geschaffen werden, werden Steuern ‚gespart‘. Darauf zu verzichten würde bedeuten, die Lenkungsfunktion von Steuern für wirtschaftlich gewünschte Entscheidungen zugunsten der reinen Fiskalfunktion aufzugeben mit fatalen Folgen für die wirtschaftliche Leistungskraft eines Landes.
Wer also Steuern sparen öffentlich anprangert, argumentiert unehrlich. Wenn etwas legal ist, sollte man nicht diejenigen beschimpfen, die die Gesetze befolgen, sondern allenfalls die, die sie gemacht haben. Wer etwas anderes will, muss die gesetzlichen Grundlagen ändern.
Wer Steuervermeidung im internationalen Rahmen verhindern will, muss internationale Standards in der Steuerpolitik fordern – und auch durchsetzen. Es ist wenig glaubwürdig, wenn Panama für die Briefkastenfirmen an den politischen Pranger gestellt wird – aber bestimmte Gebietskörperschaften in den Vereinigten Staaten oder Großbritannien als Steuerparadiese akzeptiert werden. Wer den Eindruck vermittelt, dass die deutsche Steuergesetzgebung weltweit durchgesetzt werden kann, muss hiervon zuerst die Weltgemeinschaft überzeugen – und nicht der deutschen Öffentlichkeit vorgaukeln, dass dies einfach sei.“